Die Bundesregierung hat am Dienstag ein 28-Milliarden-Euro-Maßnahmenpaket gegen die Teuerungen präsentiert. Zu den Sofortmaßnahmen zählen etwa der Klimabonus von 500 Euro ab Oktober und eine Einmalzahlung der Familienbeihilfe von 180 Euro im August. Sechs Milliarden Euro sollen dabei noch heuer und 2023 spürbar sein.
Langfristig werden die kalte Progression abgeschafft, Sozialleistungen jährlich valorisiert und die Lohnnebenkosten gesenkt. "Wir wollen den Menschen das Geld zurückgeben, das ihnen die Inflation genommen hat", erklärte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP).
"Eine Frage der Fairness"
Laut Finanzminister Magnus Brunner sei die Abschaffung der kalten Progression "eine Frage der Fairness". Der Staat dürfe nicht weiter auf Kosten arbeitender Menschen von der hohen Inflation profitieren. Seit 30 Jahren werde darüber diskutiert, nun werde es mit 2023 umgesetzt.
Das von der Regierung präsentierte dritte Entlastungspaket erntete zwar von vielen Seiten – unter anderem dem Handel oder Wifo-Chef Gabriel Felbermayr ("Historischer Schritt") – viel Lob, allerdings musste die Regierung dafür auch reichlich Kritik einstecken – der Opposition gehen die Maßnahmen nämlich nicht weit genug.
Zum Anti-Teuerungspaket sowie zu Kritik waren am Dienstagabend Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) zu Gast in der ZIB2 und standen dabei Moderator Armin Wolf Rede und Antwort. Und die drei Herren schenkten sich im ORF-Studio nichts.
Denn bereits die Einstiegsfrage von Wolf hatte es in sich! Laut einer aktuellen "profil"-Umfrage würden nämlich nur zwölf Prozent der Befragten der ÖVP bzw. den Grünen die besten Maßnahmen gegen die Teuerungen zutrauen. Dazu stellte Kanzler Nehammer klar: "Ich darf seit sechs Monaten Kanzler sein und uns ist jetzt in der Koalition etwas gelungen, worüber andere schon 30 Jahre gesprochen haben. Nämlich die Frage, wie man die schleichende Steuererhöhung, die sogenannte kalte Progression, abschaffen kann."
Und laut Nehammer sei dies auch dringend notwendig, weil die Inflation die Preise in Österreich massiv in die Höhe treibe und damit die Bevölkerung belaste.
"Inflation frisst den Menschen das Geld weg"
Österreich lebe in "außergewöhnlichen Zeiten" und die Regierung habe bereits zwei Anti-Teuerungspakete beschlossen. "Wir haben aber auch immer gesagt, dass das nicht alles sein kann. Die Inflation frisst den Menschen das Geld weg. Mit den Maßnahmen helfen wir den Menschen unmittelbar." So werde etwa auch der Familienbonus nun vorzeitig erhöht.
Die Kritik, dass vor allem jene Personen davon profitieren, die ohnehin gut verdienen, wollte Nehammer so nicht auf sich sitzen lassen. "Man muss da genau hinschauen. Wir haben ein Modell gewählt und darauf geachtet, dass zwei Drittel der kalten Progression automatisiert abgeschafft werden. Wir haben die kalte Progression zu hundert Prozent abgeschafft", so Österreichs Regierungschef.
Daraufhin verbesserte Wolf Nehammer und entgegnete: "Sie haben sie noch nicht abgeschafft, sondern angekündigt, dass sie sie abschaffen werden." Das Volumen sei jedenfalls riesig. "Das ist keine Übertreibung oder Zuspitzung, sondern faktisch", so der Kanzler weiter. Weil die kalte Progression abgeschafft werde, würden sich auch weitere Steuerreformen erübrigen, erklärte Vizekanzler Werner Kogler, der das Paket ebenfalls verteidigte.
Kogler stellte im Gespräch mit Wolf auch klar, dass es kaum eine Maßnahme gebe, die für alle Personen gelte – ausgenommen den Klimabonus. "Das ist der neue Standard, da werden uns viele in Europa noch beneiden", so der Vizekanzler, der sich für seine Antworten oftmals viel Zeit nahm.
Mehrmals bat ORF-Star Wolf seine beiden Interview-Gäste dabei um kürzere Antworten, doch sowohl Nehammer als auch Kogler hielten sich nicht wirklich an die Bitte und schmückten ihre Antworten stets aus. "Ich ahnte bereits, dass mein Appell für kürzere Antworten ungehört bleibt", resümierte Wolf daraufhin.
"Darf ich meine Frage stellen, Herr Vizekanzler?"
Als Werner Kogler den Moderator auch noch während einer Fragestellung unterbrach und seine Antwort bereits im Vorfeld geben wollte, konterte der ORF-Star: "Vielleicht darf ich meine Frage stellen, Herr Vizekanzler." Und auch Bundeskanzler Nehammer versuchte die eine oder andere Frage gekonnt zu umgehen – etwa bei der Causa ÖVP-Finanzen.
Wolf zu Nehammer: "Wenn ich Sie schon da habe, dann muss ich Sie noch etwas anderes fragen. Nämlich zu einem Thema, zu dem Sie bisher keine Interview gegeben haben. Der Rechnungshof hat letzte Woche einen verheerenden Bericht über den Finanzbericht der ÖVP vorgelegt. Für den sind Sie gleich doppelt verantwortlich." Im Jahr 2019 war Nehammer nämlich Generalsekretär.
Der Rechnungshof glaube ganz offen, dass die ÖVP in angelogen habe und dass die Angaben in dem Bericht nicht stimmen. "Legen Sie dafür Ihre Hand ins Feuer, dass das Falsch ist und das alle Zweifel des Rechnungshofs, die mehrere Seiten füllen, ausgeräumt werden?", wollte Wolf von Nehammer wissen.
"Sie werden nicht gefoltert"
Der Kanzler erklärte daraufhin: "Zum einen bin ich überrascht, dass Sie sich Methoden der heiligen Inquisition bedienen. Das 'Hand ins Feuer legen' ist abgeschafft." Dazu Wolf: "Sie werden hier nicht gefoltert werden, ich verspreche es Ihnen." Nehammer gab sich aber weiter locker.
So sehe er etwa der Tatsache, dass der Rechnungshof der ÖVP einen Wirtschafsprüfer schickt, "gelassen entgegen". Er sei davon überzeugt, dass man die Zweifel an der Bilanz für das Wahljahr 2019 ausräumen können wird. "Wir haben da nichts zu verstecken und damit kein Problem", so Nehammer.
Als Wolf von Nehammer wissen wollte, ob er im Falle einer Strafe des Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senats noch Parteichef bleiben könnte, wies der Kanzler die Verantwortung indirekt von sich: Er habe "keine Zweifel" daran, dass der damalige Bundesgeschäftsführer Axel Melchior hier nicht sauber und redlich gearbeitet habe, so der ÖVP-Chef.
"Jetzt sind wir länger geworden, als wir sollten"
Und auch Grünen-Chef Kogler ging der Frage nach der Amtsfähigkeit des Kanzlers im Falle einer Senatsstrafe ebenfalls aus dem Weg. Der Vizekanzler verwies lediglich auf die Reform des Parteiengesetzes, die derzeit mit der Opposition verhandelt wird. Ansonsten hielt sich Kogler zurück.
Nach rund 23 Minuten war das Gespräch mit der Regierungsspitze schließlich zu Ende und der ORF-Moderator bedankte sich artig bei seinen Studio-Gästen, allerdings mit einem kleinen Nachsatz: "Jetzt sind wir doch länger geworden, als wir sollten. Herr Vizekanzler, Herr Bundeskanzler, vielen Dank für Ihren Besuch!"
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