Georg Kodek im ORF

OGH-Präsident zu Grasser: "Darf nicht passieren"

Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser wurde zu vier Jahren Haft verurteilt. Im ORF nimmt OGH-Präsident Georg Kodek zum Urteil Stellung.
Newsdesk Heute
25.03.2025, 22:34

Knalleffekt nach Marathon-Prozess: Am Dienstag wurde Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser im Rechtsverfahren um den Buwog-Skandal letztinstanzlich zu 4 Jahren Haft verurteilt. Dem Spruch des Obersten Gerichtshofs voran ging ein Verfahren, das weit über ein Jahrzehnt gedauert hat. Rückblick ins Jahr 2004: Damals wurden 60.000 Bundeswohnungen bei einer Versteigerung um 961 Millionen Euro an die Immofinanz verkauft und privatisiert. Ein Konkurrent, die CA Immo, wäre bereit gewesen, 960 Millionen Euro zu bieten. Für Beobachter ging die Sache etwas zu knapp aus, der Unterschied betrug immerhin nur 1 Million Euro.

Die Sache flog allerdings erst 2009 so richtig auf und stieß umfassende Ermittlungen an – weil ein Zufall bezweifelt wurde, aber auch, weil der Republik durch die Privatisierung fast eine Milliarde Euro entgangen und Provisionen an mehrere Beteiligte geflossen sein sollen. Die Behörden nahmen an, dass der damalige Finanzminister Grasser von 2005 bis 2010 mehr als 800.000 Euro bekommen habe. Dessen Vertraute, der Ex-FPÖ-Mann Walter Meischberger und der PR-Berater Peter Hochegger, sollen 9,6 Millionen Euro Honorar gekriegt haben.

Ermittlungen, Prozess, letztinstanzliches Urteil

Meischberger und Hochegger erstatteten Selbstanzeige, das Geld soll zur Verschleierung über eine Briefkastenfirma geflossen sein. Der Verdacht: Grasser soll über seine Vertrauten und per Provision der Immofinanz das Bestgebot gesteckt haben. Grasser beteuerte seither, nichts von den Zahlungen gewusst zu haben – ihm wurde Amtsmissbrauch, Bruch des Amtsgeheimnisses und Untreue vorgeworfen. Bis zum Prozess sollte es aber bis 2017 und bis zu einem ersten Urteil bis 2020 dauern – damals kam es zu Schuldsprüchen für Grasser und seine Vertrauten.

Acht Jahre Haft sah das damalige Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien für Grasser vor – wegen Untreue, illegaler Geschenkannahme und Beweismittelfälschung. Nun, am Dienstag, verwarf der Oberste Gerichtshof (OGH) in letzter Instanz die Nichtigkeitsbeschwerde, bestätigte nach der Berufung den Schuldspruch, ändert allerdings das Strafmaß von acht auf vier Jahre und ließ den Vorwurf der Beweismittelfälschung fallen. Grassers Anwalt kündigte jedoch an, mit dem Fall auf Europaebene weiterkämpfen zu wollen.

"Das ist eine zulässige Interpretation"

Zum Urteil nahm Dienstag der OGH-Präsident Georg Kodek in der "ZiB 2" bei ORF-Moderator Armin Wolf Stellung. Was antworte Grasser, wenn dieser dem Gericht vorwerfe, dass es ihn "unbedingt verurteilen" habe wollen? "Schlicht unrichtig", der OGH habe sich ausführlich mit der Causa auseinandergesetzt und detailliert erklärt, warum die erklärten Verfahrensfehler nicht vorliegen, so Kodek. Habe Grasser, wenn er über Jahre beteuere, unschuldig zu sein, die Öffentlichkeit angelogen, oder habe das Gericht einen Unschuldigen ins Gefängnis geschickt?

"Das ist eine zulässige Interpretation", so Kodek, "wir überprüfen nach den Verfahrensgesetzen, ob Verfahrensfehler und Rechtsfehler geschehen sind", das habe der zuständige Senat verneint. "Wir haben einen enormen Umfang des Prozessstoffes", so Kodek, hätte der Gerichtshof Bedenken, dass Unschuldige verurteilt würden, könne er das Urteil auch aufheben und das Verfahren würde neu beginnen. Das sei nicht der Fall. Ganz sicher habe der OGH mit der Halbierung der Strafe ein Zeichen gegen die enorm lange Verfahrensdauer setzen wollen.

"Solche Fälle sind Ausreißer"

Im Schnitt entscheide ein österreichisches Gericht viel schneller, die durchschnittliche Dauer, sogar wenn Rechtsmittel erhoben würden, beträgt laut Kodek acht Monate. "Solche Fälle sind Ausreißer, können und dürfen nicht passieren", so der OGH-Präsident, "doch das kann nicht ungeschehen gemacht werden". Die Frage sei, wie man mit dieser Grundrechtsverletzung umgehe – und da sage der Europäische Gerichtshof, man könne sie ausgleichen, indem das Gericht die Verletzung anerkenne und die Strafe "messbar und spürbar" reduziere.

Warum habe das Verfahren überhaupt so lange gedauert? Es werde die Verfahrensdauer und die Vorgangsweise einzelner Beteiligter "zu evaluieren sein", es sei "ein ganzes Bündel von Ursachen". Von fixen Höchstgrenzen halte Kodek trotzdem nichts, "das ist praktisch die Aufforderung an wohlhabende Beschuldigte, die sich viele Anwälte leisten können, das Verfahren so lange zu verzögern, bis die fixe Sperrfrist abgelaufen ist". Besser sei "in übersichtlichen Portionen anzuklagen" oder "das Verfahren in bewältigbare Portionen" zu teilen.

Die Verteidiger der Angeklagten erklärten, dass die Richterin den Anschein der Befangenheit abgegeben habe, weil ihr Ehemann auf Social Media böse Kommentare über Grasser geschrieben habe – der OGH habe die Richterin als nicht befangen empfunden, merkte Wolf an. Das könnte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als nicht faires Verfahren sehen. "Könnte natürlich, ich würde es anders sehen", so Kodek. "Die Chats sind eine Sache", aber Chats eines Ehemanns nicht Grund anzunehmen, dass die Ehefrau, die Richterin, befangen sei.

"Wir leben glücklicherweise nicht in einer Gesellschaft, wo man annehmen muss, dass die Frauen immer das machen, was der Mann will", so Kodek. Sollten die Angeklagten vor dem Menschenrechtsgerichtshof gehen und dort Recht bekommen, was Jahre dauern könne, säßen sie lange Zeit unschuldig in Haft. Sei das gerecht? Es gebe in so einem Fall eine Erneuerung des Strafverfahrens und Entschädigungszahlungen, aber eine verbüßte Haftstrafe könne im Nachhinein niemandem weggenommen werden, so Kodek.

Dass Grasser übrigens nach zwölf Monaten mit Fußfessel aus der Haft kommen könne, gehe von den günstigsten Berechnungen aus, hieß es vom OGH-Präsidenten. Was Kodek abschließend anmerkte: Die Unschuldsvermutung sei "auf vielen Plattformen krass verletzt" worden.

{title && {title} } red, {title && {title} } Akt. 25.03.2025, 22:42, 25.03.2025, 22:34
Es gibt neue Nachrichten auf Heute.atZur Startseite