Knapp hinter FPÖ gelandet
"ÖVP wird versuchen, Kanzlerduell auszurufen"
Zwei Parlamentsparteien haben bei der EU-Wahl dazugewonnen, drei verloren. Für "Heute" hat Polit-Experte Peter Hajek Ergebnis und Folgen analysiert.
Es war die letzte große Testwahl vor der Nationalratswahl Ende September: die EU-Wahl vom Sonntag. Nach einem spannenden Finish ist sie jetzt geschlagen. Erstmals hat die FPÖ – wenn auch knapper als zunächst gedacht – bei einer bundesweiten Wahl Platz eins geschafft. Die ÖVP verlor massiv, kam aber mit einem dunkelblauen Auge davon. Ihre Ziele nicht erreichen konnte die SPÖ, die letztendlich nur Dritter wurde. Den Grünen blieb trotz Causa Lena Schilling der Totalabsturz erspart und die Neos waren einer der Wahlsieger.
Aber was heißt das für die Nationalratswahl im Herbst? "Heute" bat Meinungsforscher und Polit-Experten Peter Hajek um seine Einschätzungen.
Die FPÖ
"Für die FPÖ ist dieses Ergebnis ein guter Ausblick. Ihre Wählerschaft ist bei Nationalratswahlen noch besser mobilisiert." So hätten laut Wahltagsbefragung 69 % ihrer Wähler vom Sonntag vor, auch im Herbst ihr Kreuzerl bei den Freiheitlichen zu machen. "Damit hat die FPÖ noch immer die besten Karten aller Parteien." Denn bei SPÖ und ÖVP betrage der Mobilisierungsgrad nur rund 50 %. Was könnte einen FPÖ-Sieg noch verhindert? "Da müsste schon ein grober Schnitzer oder ein externes Ereignis passieren, um einen solchen Sieg noch zu verhindern. Passiert das nicht, ist der Zug auf Schiene", so Hajek.
Die ÖVP
"Die Volkspartei hat durch das am Schluss doch noch knappe Ergebnis einen Motivationsschub bekommen. Sie wird inhaltlich den Weg aus dem EU-Wahlkampf weitergehen", glaubt der Experte. Das enge Resultat sei auch für die Kommunikation nach innen zu den Funktionären wichtig, die ja im Wahlkampf dann für die Partei laufen sollen. "Da kann man signalisieren: Schaut her, es geht was", so Hajek. Ein wichtiger Punkt aus seiner Sicht: "Die ÖVP wird sicher auch versuchen, ein Kanzlerduell Karl Nehammer gegen Herbert Kickl auszurufen." Ob das allerdings ausreicht, werde sich zeigen. Ob nach dem Sonntag noch ein Wechsel des Spitzenkandidaten passieren könnte? "Nie im Leben. Keine Partei tauscht wenige Monate vor der Wahl den Spitzenkandidaten aus, schon gar nicht, wenn der Bundeskanzler ist."
Die SPÖ
"Die SPÖ hat bei der EU-Wahl die Pflicht geschafft. Zur Kür ist sie aber nicht angetreten", formuliert der Meinungsforscher. Ihr Lieblingsthema Soziales werde von der SPÖ "emotional zu wenig aufgeladen". "Beim Slogan ,Europa fair gestalten' sagt jeder ,Ja, eh'. Da hat zum Beispiel ,Eat the rich' oder ,Eat the European rich' schon viel mehr Drive." Auch der Schwenk der Partei, die sich jetzt auch dafür ausspricht, schwerkriminelle Asylwerber abzuschieben, funktioniere nicht. "Das löst bei den Wählern eine Schere im Kopf aus." Zudem komme der Schritt für die Nationalratswahl zu spät. "Wahlen werden in viereinhalb Jahren, nicht auf den letzten Metern entschieden." Seine Prognose: Es werde schwer, in ein Kanzlerduell zu kommen.
Die Grünen
Die Grünen seien am Sonntag "mit einem blauen Auge davongekommen". Die Causa rund um den Umgang von Spitzenkandidatin Lena Schilling mit der Wahrheit, die den EU-Wahlkampf dominiert hatte, werde im Nationalratswahlkampf keine Rolle mehr spielen, meint Hajek. Was aber zu einem Problem werden könnte: "Auf der linken Seite des politischen Spektrums wird es extrem eng werden." Hajek nennt in diesem Zusammenhang etwa Dominik Wlazny, den Chef der Bierpartei, der im Herbst antreten will. Zusätzlich sei es immer noch möglich, dass Madeleine Petrovic, ehemalige Chefin der Grünen, mit einer eigenen Liste antreten könnte.
„Die Causa Schilling wird im EU-Wahlkampf keine Rolle mehr spielen.“
Die Neos
Der Bierpartei-Chef sei auch für Neos-Wähler ein interessantes Angebot, so Hajek. Die Partei habe zwar mit Obfrau Beate Meinl-Reisinger ein Zugpferd. Sie müsste aber versuchen, "in ein Match zu kommen für eine stabile, konstruktive und pragmatische Regierung". Das aber sei "nicht der große emotionale Heuler". Es brauche einen Tick mehr Unterscheidung zu den anderen Parteien. Da täten sich die Neos mit ihrem klaren Bekenntnis zu Europa bei der EU-Wahl leichter als bei Nationalratswahlen. Ein Problem für die Pinken könnte auch die traditionell geringe Mobilisierung ihrer Wähler werden. Denn nur ein Viertel bis ein Drittel ihrer Wähler vom Sonntag will auch Ende September Pink wählen.
Die Kleinen
Die KPÖ habe mit ihrem Ergebnis gezeigt, dass sie durchaus Chancen auf den Einzug in den Nationalrat haben könnte. "Dort tun sie sich auch leichter, können auf andere Strukturen zugreifen. Und: Sie haben mit Elke Kahr und Kay-Michael Dankl Amtsinhaber", analysiert Hajek. Und die Liste "DNA"? "Da ist es spannend, dass jemand aus dem Stand heraus rund zweieinhalb Prozent schafft."