Politik

180 Seiten – Das steht im Rechnungshof-Bericht zur ÖVP

Der Rechnungshof bezeichnet das Prüfungs-Verfahren der ÖVP als "außergewöhnlich". Nun liegt das 180 Seiten lange Ergebnis vor.

Leo Stempfl
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Der damalige Generalsekretär Karl Nehammer gerät in Erklärungsnot.
Der damalige Generalsekretär Karl Nehammer gerät in Erklärungsnot.
Helmut Graf

Nach jahrelangem Warten ist es endlich so weit: Der Rechnungshof veröffentlichte seinen Rechenschaftsbericht der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) für das Jahr 2019. Wir erinnern uns: Damals fand die letzte Nationalratswahl statt, aus der die "Liste Sebastian Kurz" mit 37,5 Prozent als überragender Sieger hervorging. Im September enthüllte der "Falter" allerdings interne Dokumente, laut denen die Kosten bewusst deutlich überschritten worden sein sollen. Erst bestritt die ÖVP die Echtheit der Dokumente, später wurde geklagt, doch selbst der OGH gab schlussendlich überwiegende dem "Falter" recht. Einzig, den Rechnungshof absichtlich getäuscht zu haben, konnte nicht bestätigt werden.

Und um diesen geht es nun. Deren Präsidentin ist mit Margit Kraker klar der ÖVP zuzuordnen, vom Verhalten ihrer früheren Partei wirkt der Rechnungshof aber etwas genervt. Die Presseinformation zum Bericht beginnt mit einigen Bemerkungen zum Ablauf des Verfahrens, welches offenbar alles andere als wünschenswert ablief. Eine zeitliche Darstellung des Kontrollverfahrens offenbart eine Dauer von stolzen 620 Tagen zwischen dem ersten Ersuchen der ÖVP um Fristverlängerung und der schlussendlichen Veröffentlichung. Mit 579 Tagen Verspätung langte schließlich der finale Rechenschaftsbericht ein. Dazwischen: Vier Aufforderungen an die ÖVP zur Stellungnahme, monatelanges Warten, drei überarbeitete Fassungen und so weiter.

Am Ende stehen zwei entscheidende Zahlen. Sieben Millionen Euro dürfen Parteien für bundesweite Wahlen ausgeben. Bei der EU-Wahl im Mai soll der ÖVP mit 6.915.401,37 Euro eine Punktlandung gelungen sein, bei der Nationalratswahl im September gab man angeblich deutlich weniger für den geschichtsträchtigen Wahlkampf aus, nämlich genau 5.602.512,40 Euro.

Rechnungshof glaubt ÖVP nicht

Genau daran hat der Rechnungshof aber eben Zweifel, die auch durch vier Stellungnahmen nicht entkräftet werden konnten. In bestem Juristendeutsch wird im Bericht vereinfacht gesagt darauf hingewiesen, dass auch laut dem OGH Wahlkampfkosten 2019 nicht als solche verbucht worden sein könnten. Dem Rechnungshof wurden darüber hinaus von "unbekannter dritter Seite" Unterlagen zu den Wahlkampfkosten übermittelt. "Die Dokumente lassen die Angaben, die Wahlkampfkosten-Obergrenze wurde eingehalten, zweifelhaft erscheinen."

Schon rein in Bezug auf die politische Lebensrealität sei es nur schwer zu glauben, "dass für die Nationalratswahl deutlich weniger Wahlkampfkosten ausgegeben worden sein sollen als für die EU-Wahl." Konkrete Fragen des Rechnungshofes zu diesen Unterlagen beantwortete die ÖVP teilweise nicht. Man greift deswegen zu einem Novum: Erstmals wird ein Wirtschaftsprüfer eingesetzt, der den Auftrag erhält, die Angaben der ÖVP zu den Wahlkampfkosten für die Nationalratswahl zu prüfen.

Volkspartei "gelassen"

Alldem blickt die Volkspartei in einer Stellungnahme "gelassen entgegen". Denn "die vom Rechnungshof bestellten Wirtschaftsprüfer haben alles bereits mehrmals geprüft. Dass sich der Rechnungshof durch einen dritten Wirtschaftsprüfer absichern möchte, nehmen wir zur Kenntnis." Allerdings: Laut Parteiengesetz stammen diese zwei Wirtschaftsprüfer aus einem Fünfer-Vorschlag der überprüften Partei selbst.

"Die vom Rechnungshof behaupteten Verstöße durch die Volkspartei werden sich als haltlos heraus stellen."

Die Volkspartei versichert nichtsdestotrotz, "alle Kosten der Wahlkämpfe 2019 lückenlos und korrekt angegeben" zu haben. Man bleibe auch in Zukunft kooperativ und wird volle Einsicht gewähren. "Die Nationalratswahl und die EU-Wahl sind nicht miteinander vergleichbar und haben beide verschiedene Kostenstrukturen", heißt es im VP-Statement weiter.

Zwölf Meldungen

Doch das war noch nicht alles. Insgesamt sind zwölf Mitteilungen an den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) erfolgt, darüber hinaus gab es zwei weitere Auffälligkeiten im Kontrollverfahren. Generalsekretär in dieser Zeit war übrigens niemand geringerer als der nunmehrige Bundeskanzler Karl Nehammer.

In den letzten Wochen am heftigsten diskutiert wurde die ÖVP-Teilorganisation Seniorenbund. Der gleichnamige Verein bekam Corona-Hilfen, soll allerdings in keinem Zusammenhang mit der ÖVP stehen, versuchte man zu erklären. Diese Rechtfertigung will der Rechnungshof nicht gelten lassen. Jedenfalls für das Jahr 2019 sei der Verein der Teilorganisation zuzurechnen gewesen. So beschreibt sich der Seniorenbund selbst noch in von ihm veröffentlichten Presseunterlagen im Juni 2021 mit: "Mehr als nur ein Bund. Verein, Teilorganisation und Interessensvertretung in einem."

Studien plötzlich doppelt so teuer

In der Causa Studien im Auftrag des Bundesministeriums für Finanzen seien die Kosten pro Fragestellung ohne ersichtlichen Grund in einem Vergleich zu den anderen Studien in diesem Jahr einmal 50 Prozent und einmal 100 Prozent höher. Der Rechnungshof sieht deswegen einen Anhaltspunkt dafür, dass es im Zusammenhang mit diesen beiden Umfragen zu unzulässigen Spenden in der Höhe von zumindest 26.208 Euro zugunsten der ÖVP gekommen sein könnte.

Das Magazin "Vorarlberger Wirtschaft" enthielt zwischen 47 Prozent und 82 Prozent Inserate. Diese sollen ungewöhnlich teuer gewesen sein, dadurch wären 1.332.000 Euro eigentlich als Spende zu betrachten. Weitere Meldungen ergingen etwa wegen des Ausweis von Zahlungen des Vorarlberger Wirtschaftsbundes an die Vorarlberger Volkspartei oder der "Niederösterreich Zeitung". Näher untersucht wird auch der Twitter-Accounts des Ex-Bundeskanzlers Sebastian Kurz.