Am Donnerstag steht der Nationalrat erneut auf der Polit-Agenda – eine aktuelle Stunde gibt es in der zweiten Plenarsitzung der Woche zwar nicht, dafür richteten sich alle Augen auf Bundeskanzler Christian Stocker. Denn bevor es mit der Tagesordnung losgeht, muss er sich der Fragestunde stellen.
Die erste Frage wurde von der FPÖ gestellt. "Aufgrund der Vielzahl der gebrochenen Wahlversprechen war es schwierig, ein Thema festzumachen", leitete Gernot Darmann (FPÖ) ein. Er hat sich letztlich aber für Migration entschieden, denn beim Familiennachzug gebe es "Verschiebungen" und keinen sofortigen Stopp, den die Regierung angekündigt hatte. "Herr Bundeskanzler, wie lange wollen Sie den Begriff "sofort" noch dehnen?", fragte der Freiheitliche.
"Der Familiennachzug hat in der Vergangenheit eine Dimension erreicht, der unsere Systeme überlastet", so Stocker. Sofort würde aber auch sofort heißen, das könne man auch an den Entscheidungen sehen, die am Mittwoch bereits getroffen wurden und am Donnerstag noch kommen, um den Familiennachzug vorübergehend auszusetzen.
Darmann war mit Stockers Antwort aber nicht zufrieden und betonte, dass an keinem Tag die nötigen Beschlüsse getroffen worden sind. "Sie haben eine Zeit lang mit ihrer Partei den Innenminister gestellt. Das war keine Zeit, in der niemand zu uns gekommen ist. So erfolgreich war die Bilanz nicht", konterte Stocker.
Darüber hinaus könne man auch bei der illegalen Migration einen deutlichen Rückgang sehen, antwortete der Bundeskanzler auf eine spätere Nachfrage. Das Ziel, eine Null-Quote, sei aber noch nicht erreicht.
Die zweite Frage wurde dann von Parteikollege Kurt Egger (ÖVP) gestellt. Dieser konnte sich einen Kommentar gegenüber der FPÖ nicht ersparen: "Es freut mich, dass ich die erste sachliche Frage stellen darf." Egger wollte wissen, welche Maßnahmen die Regierung setzt, um den Standort zu stärken.
Stocker fasste die Situation eingangs zusammen: "Die globalen Krisen haben Spuren hinterlassen." Man befinde sich im dritten Jahr der Rezession – der Standort und die Wettbewerbsfähigkeit seien für die Regierung eine zentrale Frage. Deshalb befinde man sich auch in der Ausarbeitung einer Standortsstrategie. Darüber hinaus seien noch weitere Maßnahmen in Planung – Stichwort: Mitarbeiterprämie, die Attraktivierung für das Arbeiten im Alter, die Anhebung des Gewinnfreibetrags.
Außerdem werde man auch bei der Entbürokratisierung die nötigen Vorkehrungen treffen. Der Omnibus-Simplification-Act der EU werde die Kosten dafür wesentlich senken, antwortete Stocker auf eine Zusatzfrage der Neos.
Um die Lehre attraktiver zu gestalten, betonte der Bundeskanzler, dass man verschiedene Maßnahmen geplant habe. Dazu gehöre etwa auch der Ausbau der Lehre mit Matura und der Lehre nach der Matura. Weiters sollen auch am Arbeitsmarkt entscheidende Vorkehrungen getroffen werden. So will die Bundesregierung Geld für die Ausbildung von Arbeitskräften bereitstellen. "Noch heuer werden wir Mittel für das AMS zur Verfügung stellen", so Stocker.
In der wirtschaftlichen Entwicklung habe man aber trotzdem "viele Anzeichen, die Sorge bereiten". "Insgesamt wirkt sich natürlich die industrielle Thematik auf die gesamte Konjunktur sehr negativ aus", erklärte der Kanzler. Notwendig werde es sein, nicht nur die Arbeitskosten, sondern auch die Energiekosten im Blick zu haben – klar sei aber auch, dass Österreich "nie ein Billiglohnland" sein wird.
Auch die geopolitische Situation mit dem Krieg in der Ukraine und die eigene Landesverteidigung wurden in der Fragestunde thematisiert. Österreich beschäftige sich intensiv mit diesem Thema, Stocker bekannte sich zur Neutralität. In der Landesverteidigung werde man Vorsorge treffen und finanzielle Mittel bereitstellen.
Die Luftraumverteidigung sei überdies in das Gesamtkonzept der europäischen Verteidigungspolitik eingebunden. Österreich nimmt teil daran und habe die freie Wahl, welcher Beitrag geleistet wird. "Im Rahmen der Landesverteidigung werde man am Skyshield teilnehmen", betonte Stocker. Mit der Neutralität sei das vereinbar.
Außerdem wollte der Kanzler auch Klarheit beim europäischen Aufrüstungsprojekt "Rearm Europe" schaffen: "Es geht nicht um eine Schuldenaufnahme der EU, sondern um Instrumente, die den Staaten zur Verfügung gestellt werden, um ihre Verteidigungsausgaben zu finanzieren." Das sind keine Schulden der EU. Die Investitionsbank würde hier lediglich günstige Kredite zur Verfügung stellen.
Der Krieg in der Ukraine wurde ebenfalls immer wieder ins Zentrum der Debatte gerückt. Stocker betonte, dass sich Österreich bereits für Friedensgespräche angeboten habe. "Putin steht diesem Angebot aber eher skeptisch gegenüber, weil er nicht verstehen will, dass, wenn wir zwischen Opfer und Täter unterscheiden können, hier dennoch kein feindseliger Ort für Verhandlungen ist."
Dass sich die Rhetorik in der EU verschärft habe, bereite vielen Menschen in Österreich Sorgen, betonte Andrea Michaela Schartel (FPÖ) in einer Zusatzfrage und wollte dabei von Stocker wissen, was die Regierung unternimmt, damit keine österreichischen Soldaten in den Krieg ziehen müssen? "An Angriffskriegen wird sich Österreich nicht beteiligen. Landesverteidigung ist aber auch Aufgabe des Bundesheeres im Rahmen der Neutralität", antwortete Stocker.
Aufgrund der finanziellen Situation Österreichs ist die Bundesregierung zu knallharten Einsparungen gezwungen. Geld soll vor allem durch Kürzungen von Förderungen in die Staatskasse fließen. Dass das zu einem großen Teil Klimaschutzförderungen betrifft, erntete von den Grünen scharfe Kritik. Stocker betonte aber, dass Klimaschutz weiterhin ein Thema sei, dem sich die Bundesregierung verschrieben hat. Man werde aber nicht alle Förderungen erhalten können und wolle in Zukunft auf Innovation und technologischen Fortschritt setzen.
Das Erreichen der Klimaziele würde durch die Kürzungen nicht gefährdet werden, führte Stocker weiter aus. Diese Zielsetzungen sind geblieben, man dürfe aber auch die wirtschaftliche Entwicklung nicht aus dem Auge verlieren.
Beim Klimaschutzgesetz wolle der Bundeskanzler Totschnig unterstützen, es ist aber auch eine Querschnittsmaterie und wird alle Ministerien betreffen. "Daher gibt es einen Fahrplan zur Reduktion der Treibhausgasemissionen."