Nicht nur Menschen, sondern auch Tiere können von Zecken gebissen und infiziert werden. So passiert im Jahr 2017. Da schoss ein Jäger in einem Seitental der Salzach (Salzburg) einen Gamsbock, der wankte und den Kopf unnatürlich schief hielt. Es stellte sich heraus, dass das Tier eine Hirnentzündung hatte. Der Wiener Virologe Norbert Nowotny fand im Gehirn des Tieres die DNA eines bislang unbekannten Zeckenvirus, heißt es im Fachjournal "Viruses".
Auch bei zwei Gämsen der Art Rupicapra rupicapra in den italienischen Alpen wurde dieser Erreger festgestellt. Eine davon wurde 2023 tot im Piemont aufgefunden, die andere mit Bewegungsstörungen und Muskelzuckungen sterbend in der Lombardei. An beiden hafteten noch Zecken, in denen das zuvor unbekannte Virus nachweisbar war.
Aufgrund der unterschiedlichen Fundorte (390 Kilometer Luftlinie Entfernung) dürfte sich das Virus schon in den Alpen verbreitet haben.
Das Team um Nowotny vom Zentrum für Pathobiologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien taufte das neue Virus "Alpine chamois encephalitis virus (ACEV)". Es gehört zu den sognannten Flaviviren. "Bisher war in Zentraleuropa nur ein einziges durch Zecken übertragenes Flavivirus bekannt, das bei Mensch und Tier zu neurologischen Symptomen führen kann", so Nowotny: "Nämlich der europäische Subtyp des FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis, Anm.) Virus", so Nowotny zur Austria Presse Agentur (APA). Jenes ist berüchtigt, bei Menschen Gehirnhautentzündungen zu verursachen, wovor eine Impfung jedoch schützt.
"Die Virus-positiven Zecken an den Gämsen waren Ixodes ricinus-Zecken, auch 'Gemeiner Holzbock' genannt, die Hauptüberträger des FSME-Virus sind". Diese häufig vorkommenden Zecken könnten möglicherweise auch ACEV auf Menschen übertragen, wenn sie von einer infizierten Zecke gestochen werden. "Da Gämsen nahe mit Ziegen, und etwas weiter auch mit Schafen, verwandt sind, ist die Möglichkeit der Ansteckung über Rohmilchprodukte dieser Tierarten aber wahrscheinlich höher", so Nowotny. Man wisse nämlich vom FSME-Virus, dass in der Rohmilch betroffener Tiere viele Viren sind. Bei einer Pasteurisierung werden sie allerdings vollständig abgetötet.
Ob dieses "Alpine Gämsen Enzephalitis Virus" auch für Menschen gefährlich ist, ist noch unklar, so Nowotny. "Da bei humanen FSME-Fällen fast nie ein Virusnachweis mittels PCR und anschließender Sequenzierung durchgeführt wird, wissen wir auch nicht, ob es schon menschliche Infektionen mit diesem von uns entdeckten neuen Virus gegeben hat", so Nowotny zur APA. "Ich kann aber insofern beruhigen: Es ist näher zum vor allem auf den Britischen Inseln verbreiteten Louping Ill-Virus verwandt, als zum europäischen Subtyp des FSME-Virus, und das Louping Ill-Virus führt nur äußerst selten zu Krankheit beim Menschen." Inwiefern die Krankheit von Tieren auf Menschen übertragen werden kann, müsse "unbedingt weiter untersucht werden".