Gesundheit
Neue Abnehmspritze – Patienten leiden unter Haarausfall
Mit einer neuen Arznei purzeln zwar die Kilos, das bringt aber Nebenwirkungen mit sich. Patientinnen berichten von büschelweisem Haarausfall.
Was eigentlich für übergewichtige Diabetes-2-Kranke entwickelt wurde, kommt jetzt auch anderweitig zum Einsatz: Die Abnehmarzneien "Ozempic" und "Wegovy" (identer Wirkstoff, anderer Hersteller) sollen jenen die Gewichtsreduktion erleichtern, denen es mit den gängigen Alternativen (Ernährungsumstellung, Sport) nicht gelingt – auch wenn noch kein Diabetes vorliegt. Dafür müssen sich die Patienten nur ein Mal pro Woche das Diabetes-Medikament in die Bauchfalte spritzen. In Österreich wird die Arznei von spezialisierten Fachärzten verschrieben und braucht eine chefärztliche Bewilligung, um in der Apotheke überhaupt ausgehändigt zu werden.
Ozempic und Wegovy verwenden denselben Wirkstoff, Semaglutid, der das Sättigungsgefühl erhöht und damit die Nahrungsaufnahme, den Hunger und das Verlangen verringert. Ersteres wurde 2017 für Typ-2-Diabetes zugelassen. Eine neu formulierte Version wurde 2021 unter dem Namen Wegovy zugelassen. Das Medikament ist ein GLP-1-Rezeptor, der Hormone im Gehirn auslöst, die ein Sättigungsgefühl vermitteln und dem Körper sagen, dass er mit dem Essen aufhören und Heißhungerattacken vermeiden soll.
3 Prozent von Haarausfall betroffen
Nachdem das Medikament nun schon eine Zeit lang auf dem Markt ist, werden erste Erfahrungsberichte laut, wonach Patientinnen büschelweise die Haare ausgefallen sein sollen. Haarausfall ist nicht als Nebenwirkung von Semaglutid, dem Wirkstoff in beiden Produkten, aufgeführt, aber die Nebenwirkung trat in klinischen Studien mit Wegovy auf. Sie betraf drei Prozent der Patienten, die das Medikament erhielten, im Vergleich zu einem Prozent in der Placebogruppe, berichtet die "Daily Mail". Ozempic und Wegovy wurden bereits mit einer Reihe anderer unangenehmer Nebenwirkungen in Verbindung gebracht, darunter lebhafte Träume, plötzliche Abneigung gegen Lebensmittel wie Fleisch und Muskelschwund in "alarmierendem Tempo".
Telogen Effluvium
Die Ärzte wissen nicht, was genau den Haarausfall bei einigen Patienten verursacht, aber er könnte nach einem schnellen Gewichtsverlust durch einen Zustand namens "Telogen Effluvium" ausgelöst werden – diffuser Haarausfall. Der schnelle Gewichtsverlust bringt die Hormone durcheinander oder dazu führt, dass Ressourcen anderweitig im Körper verwertet werden als im Haar.
Telogenes Effluvium ist definiert als diffuser Haarausfall, der länger als sechs Monate andauert. "Telogen" bezieht sich auf die Ruhephase des Haarzyklus, "Effluvium" bedeutet vermehrter Haarausfall.
Dies führt dazu, dass die Haarfollikel plötzlich in die Ruhephase (Telogenphase) ihres Wachstumszyklus übergehen, wodurch die Haare ausfallen. Dieser Zustand ist jedoch nur vorübergehend. Experten zufolge wachsen später wieder neue Haare nach. Vorübergehender Haarausfall kann etwa drei Monate nach einer schnellen Gewichtsabnahme auftreten und bis zu sechs Monate dauern, bis er wieder verschwindet.
Erfahrungsberichte
Unter den Patienten, die über Haarausfall unter Ozempic berichteten, war Becca aus den USA, die während der Einnahme des Medikaments 27 Kilogramm abgenommen hatte. Sie sagte in einem TikTok-Video: Ich habe das Gefühl, dass sich mein Haaransatz definitiv ein wenig zurückgebildet hat oder einfach ein wenig ausgedünnt ist. Bevor sie aus dem Haus geht, füllt sie ihn mit einem farbigen Spray auf, um das zu retouchieren.
"Ich wäre lieber fett"
Haarausfall wurde auch bei Patienten festgestellt, die ein anderes Medikament erhielten: Mounjaro. Der zugrunde liegende Wirkstoff Tirzepatid wirkt auf die gleichen Rezeptoren wie Semaglutid. Er unterdrückt auch das Hungergefühl, um den Patienten beim Abnehmen zu helfen. Dazu gehört eine Frau, die auf TikTok den Spitznamen "theegeriatricmillennial" verwendet und in den USA lebt. In einem Video sagte sie: "Wir müssen über Haarausfall sprechen. Mein ganzes Leben lang hatte ich einen dichten und üppigen Haarschopf. Aber im letzten Monat habe ich so viele Haare verloren. Ich weiß, das ist zu erwarten, wenn man schnell abnimmt, aber die Geschwindigkeit, mit der es ausfällt, ist erschreckend. Ich wäre lieber fett und könnte mich hinter meinem schönen Haar verstecken, als dünn zu sein und kahle Stellen zu haben."
Amanda Staffor aus Kentucky, die ebenfalls Mounjaro nutzt, stellte ebenfalls Bilder von sich online, auf denen sie Büschel ihres eigenen Haares hält. Sie sagte: "Das ist die Menge an Haaren, die ich jedes Mal verliere, wenn ich dusche, und du kannst dir vorstellen, dass sich das summiert. Ich muss wissen, ob noch jemand dieses Problem hat? Kann mir jemand helfen, ich will nicht mein ganzes Haar verlieren."
5 Millionen Amerikaner nehmen Ozempic
Die Daten zeigen, dass im Jahr 2022 mehr als fünf Millionen Amerikaner ein Rezept für Ozempic erhalten haben, verglichen mit 230.000 im Jahr 2019. Und die Zahl steigt weiter: Allein in der letzten Februarwoche wurden mehr als 373.000 Rezepte eingereicht, doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Analysten zufolge war mehr als die Hälfte davon neu. Texas, Florida, Kalifornien, New York und Georgia sind die Staaten, in denen Patienten am häufigsten ein neues Rezept für diese Medikamente erhalten.