Politik
Nehammer immer unbeliebter – Droht jetzt Total-Absturz?
Ein Geldregen als letztes Mittel? Bundeskanzler Karl Nehammer ist immer unbeliebter. Nun entfloh er im Parlament den unangenehmen Fragen.
Der vormalige Generalsekretär und Innenminister Karl Nehammer übernahm mit der Neuen Volkspartei einen regelrechten Scherbenhaufen. Er wollte zurück zum Image der bürgerlichen Mitte-Partei mit schwarzer Farbe, weg von den türkisen Postenschacher-Vorwürfen, frisierten Umfragen und Chat-Skandalen. Die ÖVP ist nun wieder "Die Volkspartei", doch die Skandale haben an Frequenz kaum abgenommen.
Seit Monaten geht es in Umfragen und Beliebtheits-Rankings immer tiefer hinab, zwei Türkis-Ministerinnen verließen im Mai überraschend das Boot, ebenso überraschend verabschiedeten sich im Juni zwei Landeshauptmänner in den Ruhestand. Nun schlägt die Rekord-Teuerung mit voller Wucht zu – und die Österreicher werden mit dem Kanzler immer unzufriedener.
Nur einer ist unbeliebter als der Kanzler
Wie das "Heute"-Politikerranking zu Beginn der Woche enthüllte, rutscht Nehammer immer weiter ab. Nur FPÖ-Chef Herbert Kickl ist unbeliebter. Mittlerweile kommt der ÖVP-Chef auf 19 Prozent mehr Negativ- als Positiv-Nennungen. Vor allem die anhaltenden Korruptionsvorwürfe gegen seine Partei sowie die zunehmende Unzufriedenheit der Menschen wegen der Teuerung seien dafür verantwortlich, analysierte Meinungsforscherin Alexandra Siegl im "Heute"-Gespräch.
Kanzler Nehammer stürzt im Polit-Ranking immer tiefer ab >>
Das wirkt sich auch auf die Werte der ÖVP aus. Ein Durchschnitt der letzten Zehn Wahlumfragen zeigt, dass sie nur mehr auf 22,3 Prozent der Stimmen kommt – ein sattes Minus von über 15 Prozent seit der letzten Wahl. Die SPÖ mit Frontfrau Pamela-Rendi-Wagner zieht indes auf 29,3 Prozent davon, kratzt an der 30er Marke. Mit den zehn Prozent der Grünen hat die Regierung aktuell zwar die Mehrheit der Sitze im Nationalrat, könnte bei Neuwahlen aber insgesamt nur noch mit rund 32 Prozent rechnen.
Im "Heute"-Politbarometer konnte Rendi-Wagner ihren Vorsprung sogar ausbauen. Noch im April hatte sie noch ein Negativ-Saldo von 12, nun liegt es bei 5. Kanzler Nehammer hingegen rutschte von Minus 9 auf Minus 19.
Zwölf Meldungen
All diese Umfragen wurden noch durchgeführt, bevor die jüngsten Vorwürfe ans Tageslicht kamen. Der Rechnungshof stellte der Volkspartei für 2019 ein vernichtendes Urteil aus. 579 Tage lang verzögerte die Partei das Prüfungsverfahren mit Bitten um Fristverlängerung, es folgten vier Aufforderungen an die ÖVP zur Stellungnahme, monatelanges Warten und drei überarbeitete Fassungen. Trotzdem hat der Rechnungshof insgesamt zwölf Ungereimtheiten entdeckt, die sich nicht entkräften ließen. Als einzige Partei soll die Volkspartei darüber hinaus für den EU-Wahlkampf deutlich weniger ausgegeben haben als für die Nationalratswahl.
180 Seiten – Das steht im Rechnungshof-Bericht zur ÖVP >>
In der "ZiB 2" von Armin Wolf darauf angesprochen, redete sich der Kanzler auf den damaligen Bundesgeschäftsführer Axel Melchior raus. Doch Nehammer war damals immerhin Generalsekretär und somit letztverantwortlich. Auch Meinungsforscher Peter Hajek sagte gegenüber "Heute", dass Türkis jetzt ein Signal setzen sollte: "Statt immer nur zu mauern, müsste die ÖVP sagen: Aus, wir setzen eine interne Untersuchungsgruppe ein, stellen die Partei auf den Kopf, drehen alles um und räumen auf."
Nehammer schickt Staatssekretärin vor
Davon war am heutigen Mittwoch allerdings keine Spur zu sehen. Auch im Nationalrat sollten die ÖVP-Finanzskandale Thema sein, Bundeskanzler Karl Nehammer hatte eine "Dringliche Anfrage" zu beantworten. Dazu kam es aber nicht – er ließ sich von der frischen Jugend-Staatssekretärin Claudia Plakolm vertreten, die einer aufgebrachten Abgeordneten-Menge den Kopf hinhalten musste. Nehammer selbst nahm nicht einmal auf der Regierungsbank Platz, um seiner Staatssekretärin zuzuhören. 24 der 33 Fragen wurden ohnehin schlicht nicht beantwortet, weil sie "nicht Gegenstand der Vollziehung" seien.
„"Wie sehr musst du dich als Parteivorsitzender der ÖVP für die eigene Partei schämen, dass du nicht ins Parlament kommst, wenn's um die eigene Partei geht." (SPÖ-Abgeordnete Sabine Schatz)“
Nun wurde der große Geldregen beschlossen. Dann doch recht spontan und größer als erwartet errang man eine bahnbrechende Einigung mit dem Koalitionspartner, fand inmitten der Krise 26 Milliarden Euro, um sie den Menschen und Unternehmen auszuschütten. Abschaffung der Kalten Progression, ein 500-Euro-Cash-Bonus für alle, sogar die Sozialleistungen werden erhöht. Bringt das Nehammer in der Kanzlerfrage wieder vor Rendi-Wagner? Es bleibt spannend.