Karl Nehammer
Kanzler stellt Kickl im ORF eindeutigen "Befund" aus
Eigentlich ging es um das neue Mini-Paket gegen die Teuerung, doch Karl Nehammers ZIB2-Auftritt drehte sich am Ende ganz um Herbert Kickl.
Seit Wochen pochen Experten, die Opposition und Betroffene auf Maßnahmen gegen die Teuerung. Nun hat sich die Regierung, nach langem Ringen, doch noch dazu durchgerungen. Vollmundigen Ankündigungen folgte aber nur ein enttäuschendes Mini-Paket, das erstmal keine Auswirkungen auf die explodierten Supermarktpreise haben wird.
Mit 40 Minuten Verspätung hatten Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vize Werner Kogler (Grüne) Mittwochmittag vor versammelter Presse ihr Vier-Punkte-Konzept, das die Menschen in der Geldbörse wieder nicht entlasten wird, vorgestellt. Kommen sollen:
➤ Ab 1. Juni eine Gewinnabschöpfung bei den Energieversorgern ab dem Schwellenwert von 120 bzw. 160 Euro pro MWh.
➤ Die Preistransparenz bei Energiepreisen soll erhöht werden.
➤ Preistransparenzberichte bei Lebensmitteln werden eingeführt.
➤ Verschärfung beim Wettbewerbsrecht.
➤ Die Bundesgebühren werden eingefroren.
"Die Wurzel allen Übels" ausreißen
Als Innenminister wollte Nehammer im April 2020 noch Infektionsketten mit der Flex durchtrennen, Mittwochnacht flexte er sich als Kanzler dann durch die ZIB2.
Beim Studio-Interview mit Armin Wolf (56) flogen die Funken nur so – allerdings wohl kaum aus Liebe zueinander. Neben dem Teuerungspaket gab es dann auch noch einen überraschenden Gesprächspunkt, der aufhorchen ließ: Herbert Kickl.
Das Aufreger-Interview von Karl Nehammer im VIDEO:
Zentrales Thema des neuen Konzepts ist die Gewinnabschöpfung bei Energieversorgern, wenn diese gesunkene Großmarktpreise nicht an die Konsumenten (auch Firmenkunden) weitergeben. Nehammer will damit einen Domino-Effekt auslösen, der ab Juni dann mit den Energietarifen auch die Lebensmittelpreise im Handel in den Sinkflug schicken soll.
Von der Wirtschaft heiße es immer, die Energiekosten seien "die Wurzel allen Übels" und Haupttreiber der Kosten im Lebensmittelbereich, beklagt Nehammer im TV – diese Argumentation will er nun ordentlich zusammenstutzen. "Dann haben sie keine Ausrede mehr."
Damit und mit den Transparenzberichten werde man dann dem Handel genau auf die Finger schauen, ob auch die Preise angepasst werden. "Und wenn nicht, werden wir weitere Maßnahmen einführen."
Darum keine Strompreis-Vorgabe
Doch warum so umständlich und nicht gleich einen Deckel auf Energiekosten oder die Mehrwertsteuer aussetzen? Letzteres sei "keine ideologische Frage", sondern habe in Ländern, die das schon gemacht hätten, nicht für niedrigere Supermarktrechnungen gesorgt.
Und eine Preisfestlegung bei Strom durch die E-Control hätte laut Kanzler sogar den gegenteiligen Effekt. Der billige Strom würde einfach von anderen Ländern vom Markt gekauft, wodurch der österreichische Steuerzahler dann diese subventioniere, ohne was davon zu haben.
Der letzte Punkt des Anti-Teuerungs-Konzepts, das Einfrieren der Bundesgebühren, sieht Nehammer eher als Fingerzeig. Tatsächlich bring diese Maßnahme den Bürgern erstmal nur wenig, doch sollen Länder und Gemeinden mit ihren Gebühren (Müll etc.) folgen. Das dadurch entstehende Budgetloch soll dann mit abgeschöpften Übergewinnen der Energieversorger gestopft werden.
"Weder Sie noch ich haben die berühmte Glaskugel."
Eines wollte Nehammer dann aber puncto Armut im Land anbringen: "Es ist nicht akzeptabel, gibt, dass Menschen, vor allem Kinder, keine warme Mahlzeit bekommen." Die Regierung müsse und werde "alles tun" [...], dass kein Kind hungert. Das ist verrückt, wenn das tatsächlich in Österreich der Fall ist."
Ob sein Paket das auch schaffen kann, steht in den Sternen: "Weder Sie noch ich haben die berühmte Glaskugel. Gegen Inflation zu kämpfen, ist eine der größten Herausforderungen", so der Kanzler zu Armin Wolf.
"Ansonsten können Sie mit sich selbst sprechen!"
Dem Moderator war währenddessen die ganze Zeit anzusehen, dass er gerne jede Aussage Nehammers kommentiert hätte. Mit leicht vom Tisch erhobener Hand spitzelte er auf eine Pause, um einzuhaken.
Das führte zwischendrin auch zu skurrilen Szenen. Mit verbissenem Lächeln gab der VP-Chef Kontra: "Wenn Sie gestatten, dass ich antworte. Ansonsten können Sie mit sich selbst sprechen!" und "Mag sein, dass wir das in ihrer Wirklichkeit schon hatten. Das möchte ich schon sagen, auch wenn sie mich nicht ausreden lassen", schoss er Wolf entgegen.
"Herr Bundeskanzler, das ist ein bisschen billig".
Zum Ende hin wurde es dann noch einem skurril, als der Star-Anchorman die berühmte Koalitionsfrage stellte. Würde sich die ÖVP mit der FPÖ verbünden oder gar Herbert Kickl zum Kanzler machen, um nach der Wahl – jüngste Umfragen sehen die Blauen als stimmenstärkste Partei – weiter in der Regierung zu bleiben?
Für Nehammer kam diese Frage zwar nicht unerwartet, unangenehm war sie ihm aber offenbar trotzdem. Selbst nach mehrmaligem Nachfragen hatte er nach ausschweifenden Antworten ("Länder und Bund sind völlig verschieden") und abschätzendes Lachen über "Was-Wäre-Wenn-Spielchen" kaum Konkretes dazu gesagt.
Seine eigenen Intentionen gab Nehammer nicht preis, versteckte sich hinter dem abstrakten Wählerwillen und dem eigenen Unwillen darüber über "Spekulatives" zusprechen. Das obwohl, Armin Wolf mehrfach hervorhob, dass nicht der Wähler, sondern die Parteichefs – also er, Nehammer – am Ende entscheiden würden, welche Koalition sich bildet. Der Moderator quittierte das mit: "Herr Bundeskanzler, das ist ein bisschen billig".
Nehammer schnaubte überrascht: "Oh. Das ist eine direkte Wertung gegen mich, dass Sie meinen, dass meine Antwort billig sei. Oder nicht?"
Nehammers "Befund" über Herbert Kickl
Schlussendlich stellte der amtierende Kanzler den amtierenden FPÖ-Chef mit einer Hammer-Ansage komplett ins Abseits: "Wenn Sie mich nach Herbert Kickl fragen als Person, dann ist Herbert Kickl jemand, der gezeigt hat in den letzten Jahren, dass er sich selbst radikalisiert hat, dass er jemand ist, der sich in diesen eigenen Verschwörungstheorien auch sich immer wieder aufführt und befindet und bisher wenig konstruktive Beiträge geleistet hat, dass die Krisen dieses Landes tatsächlich gelöst werden. Das ist mein Befund."
Mit eisernem Lächeln beendete Nehammer dann die ganze Koalitionsdebatte mit einem: "Ich lasse erst die Wählerinnen und Wähler entscheiden." Armin Wolf musste nach fast 22 Minuten Redezeit des Kanzlers dann auch einen Schlussstrich ziehen: "Ich hab's probiert. Herr Bundeskanzler, vielen Dank für Ihren Besuch im Studio."