"Radikale Gruppen" an Schulen
Nach Kopftuch-Skandal in Wien: Nun warnt Islam-Experte
Nach dem Diskriminierungsfall gegen eine Ex-Islamlehrerin flammt die Religionsdebatte an Schulen erneut auf. Neueste Zahlen aus Wien alarmieren.
Zeliha Ç.war von 2006 bis 2021 bei der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) tätig. Ab 2009 war sie Religionslehrerin an einer Pflichtschule. Mit der Zeit entschied sie sich, das Kopftuch erst im Privatleben, dann auch im Klassenzimmer abzulegen.
Für bessere Arbeitsbedingungen wollte sie nach Wien wechseln. Ihr Ansuchen für ein festes Anstellungsverhältnis, das die IGGÖ an die Bildungsdirektion weitergeben muss, soll aber nicht bearbeitet worden sein, die Gemeinschaft wurde in erster Instanz zur Zahlung eines Schadenersatzes in Höhe von 15.000 Euro verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
"Freiwilligkeit im Mittelpunkt"
Die IGGÖ geht allerdings in Berufung, Medienreferentin Carla Amina Baghajati betonte, dass es keine Kopftuchpflicht gebe. "Das Kopftuchtragen ist Teil der Glaubenspraxis. Selbstverständlich steht aber die Freiwilligkeit im Mittelpunkt", sagte sie zu Ö1.
Der Soziologe Kenan Güngör kritisiert, dass die IGGÖ alleine für die Auslegung des Islamunterrichts zuständig ist. "Die IGGÖ vertritt die konservativen muslimischen Vereine, die muslimischen Schüler sind allerdings deutlich moderater", erklärte er im Ö1-Morgenjournal.
Warnung vor "radikalen Gruppen"
Das ist laut Güngör einer der Gründe, warum sich in Wien 38 Prozent der 42.400 muslimischen Pflichtschüler vom Unterricht abgemeldet haben. "Es gibt die Gruppe, die den Unterricht als viel zu konservativ wahrnimmt", so der Islam-Experte. "Es gibt aber auch die radikalen Gruppen, für die der Unterricht viel zu sanft ist", warnte er gleichzeitig. Offizieller Grund für die vielen Abmeldungen ist, dass Religionsunterricht oft am Nachmittag stattfindet.
Jedes 3. Volksschulkind muslimisch
Eine jüngste Erhebung der Bildungsdirektion erfasste unlängst die religiösen Bekenntnisse in Wiener Volksschulen. So sind bereits 35 Prozent der Wiener Volksschüler muslimisch. Auf dem zweiten Platz befinden sich jene ohne Bekenntnis (26 Prozent) gefolgt von den katholischen Schülern mit 21 Prozent. Dahinter kommen mit etwas Abstand Orthodoxe (13 Prozent), Evangelische (2 Prozent), so wie all jene ohne Bekenntnis (2 Prozent).
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- Die Religionsdebatte an Wiener Schulen flammt erneut auf, nachdem eine ehemalige Islamlehrerin diskriminiert wurde, weil sie ihr Kopftuch ablegte
- Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) wurde zur Zahlung eines Schadenersatzes verurteilt, da sie das Ansuchen der Lehrerin für ein festes Anstellungsverhältnis nicht bearbeitet haben soll
- Laut einem Islam-Experten gibt es in Wien sowohl muslimische Schüler, die den Unterricht als zu konservativ empfinden, als auch radikale Gruppen, für die der Unterricht zu sanft ist