Gesundheit
"Müsste man kübelweise trinken" – Experte zu Aspartam
Der Süßstoff Aspartam soll von der WHO als "möglicherweise krebserregend" eingestuft werden. Das lässt allerdings viele Fragen offen.
Wie "Heute" berichtete, will die Krebsforschungsagentur (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Süßstoff Aspartam als "wahrscheinlich krebserregend" einstufen. Die Entscheidung dafür soll im Juli bekannt gegeben werden.
Aspartam kam in den 1980er Jahren auf den Markt und ist zweihundertmal so süß wie Zucker, erhöht dabei den Blutzuckerspiegel aber nicht. Außerdem hat es keinerlei Einfluss auf den Insulinspiegel und ist somit auch für Diabetiker geeignet. Das kalorienarme Süßungsmittel wird aufgrund seiner Eigenschaften häufig in Diät-Produkten verwendet.
Alles, was als "diätetisch", "ohne" oder "kalorienarm" oder "zuckerfrei" gekennzeichnet ist, enthält wahrscheinlich Aspartam, wie z. B. Cola ligt, Cola zero sowie zuckerfreien Kaugummi und zuckerreduziertes oder zuckerfreies Ketchup. Der Süßstoff wurde auch Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln zugesetzt, darunter Hustenbonbons und Vitamin-Gummis. Die einzige wirkliche Alternative zum Verzicht auf Diät-Cola ist der Umstieg auf normale Coca-Cola, doch der hohe Zuckergehalt ist keine wirkliche Alternative und birgt wieder andere Risiken (z. B. Karies, Gewichtszunahme).
Die Menge, die man allerdings von Diät-Cola trinken muss um ein Krebsrisiko einzugehen, ist derzeit nicht bekannt – sie könnte jedoch bis zu einem "Kübel" pro Tag betragen, meint David Spiegelhalter, britischer Statistiker des Churchill College der Universität Cambridge. "Diese Einstufung sagt jedoch nichts über das mögliche Ausmaß des Schadens aus. Wir wissen also noch nicht, wie viel "Cola light" man täglich konsumieren müsste, um eine Menge zu erreichen, die das Risiko messbar erhöht, aber ich vermute, dass es mindestens ein Kübel voll sein könnte."
Geteilte Meinungen
Die Entscheidung der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) dient dazu, auf der Grundlage aller veröffentlichten Beweise zu beurteilen, ob ein Stoff grundsätzlich krebserregend sein könnte. Dabei wird nicht berücksichtigt, wie viel von einem Produkt eine Person gefahrlos zu sich nehmen kann. Laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA gilt Aspartam aufgrund eingehender Sicherheitsbewertungen als unbedenklich für den menschlichen Verzehr.
Auch der WHO-Sachverständigenausschuss für Lebensmittelzusatzstoffe (JECFA) sieht den Verzehr von Aspartam innerhalb der akzeptierten Tagesmengen schon seit 1981 als sicher an. So müsste ein Erwachsener mit einem Gewicht von 60 Kilogramm jeden Tag zwischen zwölf und 36 Dosen Diätlimonade trinken – abhängig von der Aspartam-Menge im Getränk – um gefährdet zu sein.
Laut WHO besteht ein "möglicher" Zusammenhang zwischen dem künstlichen Süßstoff und Krebs. Das bedeutet nicht unbedingt, dass er die Krankheit direkt verursacht, sondern dass es einige wenige Hinweise gibt, die seinen Konsum mit Menschen in Verbindung bringen, bei denen er diagnostiziert wurde. Die IARC hat vier verschiedene Einstufungsstufen: krebserregend, wahrscheinlich krebserregend, möglicherweise krebserregend und nicht klassifizierbar.
Seit Jahren erforscht
Aspartam wird seit Jahren ausführlich untersucht. Letztes Jahr zeigte eine Beobachtungsstudie in Frankreich unter 100.000 Erwachsenen, dass Menschen, die größere Mengen künstlicher Süßstoffe – darunter Aspartam – konsumierten, ein etwas höheres Krebsrisiko hatten. Es folgte eine Studie des Ramazzini-Instituts in Italien aus den frühen 2000er Jahren, in der berichtet wurde, dass einige Krebsarten bei Mäusen und Ratten mit Aspartam in Zusammenhang stehen. Allerdings konnte die erste Studie nicht nachweisen, dass Aspartam das erhöhte Krebsrisiko verursacht, und es wurden Fragen zur Methodik der zweiten Studie aufgeworfen, auch von der EFSA, die diese bewertete.
Aspartam ist weltweit von Aufsichtsbehörden zur Verwendung zugelassen, die alle verfügbaren Beweise geprüft haben, und große Lebensmittel- und Getränkehersteller haben jahrzehntelang die Verwendung des Inhaltsstoffs verteidigt. Laut IARC seien im Rahmen ihrer Überprüfung 1.300 Studien bewertet worden.