Politik

Tempo 100? Jetzt macht ÖVP-Landeschefin klare Ansage

Johanna Mikl-Leitner spricht sich im "Heute"-Talk gegen Tempo 100 oder 150 ("entbehrlich") und eine 32-Stunden-Woche ("Wohlstandsvernichtung") aus. 

Clemens Oistric
Niederösterreich-Chefin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) im großen <em>"Heute"</em>-Interview.
Niederösterreich-Chefin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) im großen "Heute"-Interview.
Denise Auer

"Heute": Frau Landeshauptfrau, lassen Sie mich mit einem aktuellen Thema beginnen. In Wien versammelten sich Mittwochabend Hunderte zu einer illegalen Pro-Palästina-Demo am Stephansplatz. Besucher des Opfergedenkens für ermordete Israelis wurden aufgefordert, den Bereich zu meiden und die Fahne mit dem Davidstern sicherheitshalber einzupacken. Was geht Ihnen da durch den Kopf?
Johanna Mikl-Leitner: Es sind barbarische Gräueltaten der Hamas, die auf grausame Weise an die Verbrechen des "Islamischen Staats" erinnern. Israel gehört unsere uneingeschränkte Solidarität. Ich halte es für untragbar, wenn sich nun Jüdinnen und Juden in Österreich unsicher fühlen. Es gilt alles dafür zu tun, dass die jüdische Gemeinschaft bei uns in Sicherheit leben kann.

Die Polizei hat die Demonstration untersagt – für Sie die richtige Entscheidung?
Absolut.

Wo endet die Meinungs- und Versammlungsfreiheit für Sie?
Wenn es um Terror geht.

Zeigt das nicht auch, dass sich erschreckende Parallelgesellschaften entwickelt haben, wenn die Taten eines Terror-Regimes auf den Straßen Wiens lautstark gutgeheißen werden?
Genau so ist es. Es ist überhaupt keine Frage, dass sich bei uns Parallelgesellschaften entwickelt haben, umso mehr braucht es ein entschlossenes Auftreten gegen Terrorismus und gegen Extreme. Da müssen wir auch bei der Integration mehr einfordern. Der Kampf gegen Antisemitismus ist bei uns Staatsräson. Das muss jedem klar sein, der hier lebt – egal, ob links oder rechts, egal ob neue oder ewiggestrige Österreicher.

Mikl-Leitner: "Man muss schon auch sehen, dass das Video bewusst geschnitten wurde, um dem Kanzler zu schaden."

Die Regierung hatte erst die Evakuierung von Österreichern aus Israel medial angekündigt, dann bekam das Heer nicht einmal die Hercules-Maschine in die Luft. Liefert sie hier nicht ein peinliches Bild ab?
Bundesministerin Klaudia Tanner legt ihre ganze Kraft in die Rettungsaktion und arbeitet dafür Tag und Nacht.

Hand aufs Herz, Frau Landeshauptfrau: Österreicher mussten mit einer ungarischen Billig-Airline ausgeflogen werden. Das ist doch blamabel.
Ich bitte um Verständnis, dass ich zu wenige Informationen über die Hintergründe habe, um das beurteilen zu können. Entscheidend ist, dass alle ihr Bestes geben, dass alle unsere Landleute aus dem Kriegsgebiet gerettet werden können.

Video: Wordrap mit Johanna Mikl-Leitner

Wird hier ausreichend getan?
Ich nehme diese starken Bemühungen wahr, ja.

Die letzten Jahre sind überhaupt geprägt von multiplen Krisen. Nun droht auch noch eine Rezession und die Abwanderung von Unternehmen, auch aus Niederösterreich. Wird genug unternommen, um hier gegenzusteuern?
Die Rezession hat vor allem in Deutschland voll eingesetzt. Nachdem Deutschland unser engster Handelspartner ist, hat das auch Auswirkungen auf Österreich. Darum gilt es jetzt, die entsprechenden Gegenmaßnahmen zu setzen. Wenn der Konjunkturmotor stoppt, sind die Investitionen der öffentlichen Hand doppelt wichtig.

Heißt konkret?
Zum Beispiel ist es wichtig, dass auch die Gemeinden im Rahmen des Finanzausgleichs gut ausgestattet werden. Ich bin froh, dass es uns auf den letzten Metern gelungen ist, dafür mehr Geld herauszuverhandeln, nämlich 300 Millionen Euro für die Gemeinden, damit sie an ihren geplanten Investitionen festhalten können.

Sie sind also vollends glücklich?
Nein, es gibt für die Bundesebene noch genug zu tun. Wenn ich etwa an den Verkehrsbereich denke – S1, S8, Lobautunnel – alles Projekte, die im Parlament vor Jahren beschlossen wurden, jetzt aber von Ministerin Gewessler blockiert werden.

Haben Sie noch Hoffnung, dass Leonore Gewessler ihre Blockade bei den von Ihnen genannten Straßenbauprojekten aufgibt?
Es wäre jedenfalls der richtige Zeitpunkt, die Blockade aufzugeben – auch im Sinne der Konjunktur. Man könnte die Umsetzung schnell voranbringen.

Damit alleine wird sich die Wirtschaft aber nicht in Schwung halten lassen...
Da haben Sie recht. Es braucht auch Anreize für die Unternehmen, zu investieren. In Niederösterreich setzen wir diese vor allem im Bereich der Digitalisierung, schließlich können wir in der Zukunft nur wettbewerbsfähig sein, wenn gewisse Prozesse digitalisiert sind.

Aber wie wollen Sie der Abwanderung von Unternehmen entgegentreten?
Da wäre es vor allem einmal wichtig, den Energiekostenzuschuss zwei für die Betriebe auszuschütten. Wie Sie wissen, ist der ja bereits im Dezember letzten Jahres angekündigt worden.

32-Stunden-Woche? "Ein Konzept zur reinen Wohlstandsvernichtung."
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    Burger? <em>(lacht)</em>&nbsp;"Kann schon mal vorkommen"
    Burger? (lacht) "Kann schon mal vorkommen"
    Denise Auer

    Ihre Partei sitzt ja in der Bundesregierung, Frau Landeshauptfrau...
    Sie haben völlig recht, blockiert wird der Energiekostenzuschuss aber von den Grünen. Das ist unzumutbar und standortschädigend. Viele Klein- und Mittelbetriebe stehen mit dem Rücken zur Wand, da sie im internationalen Wettbewerb mit Ländern stehen, die teils zu wesentlich geringeren Energiekosten produzieren können. Wenn die nicht rasch unterstützt werden, dann werden wir eine Abwanderung ins Ausland erleben – und damit Arbeitsplätze und Wohlstand verlieren.

    Apropos Arbeitswelt: Was halten Sie von einer 32-Stunden-Woche, die sich der neue SPÖ-Chef Babler wünscht?
    Das ist ein Konzept zur reinen Wohlstandsvernichtung. Als Wirtschaftsstandort würde uns das von der Landkarte radieren.

    Wie schnell fahren Sie eigentlich auf der Autobahn?
    Im Rahmen des Erlaubten.

    Das könnte sich demnächst ja ändern. Die Grünen wollen Tempo 100, Ihr Stellvertreter 150 auf Autobahnen.
    Ob Tempo 100 oder 150 – ich halte diese Diskussionen für entbehrlich. Statt mit Randthemen sollten wir uns mit den zentralen Themen beschäftigen, die den normal denkenden Menschen tatsächlich unter den Nägeln brennen. Tempo 130 hat sich in Österreich bewährt, ich würde daher gerne zur wichtigen Arbeit übergehen, nämlich mit Maßnahmen auseinandersetzen, die dabei helfen, die Teuerung abzufedern. Ich denke, da sind wir genug gefordert.

    Ist für Sie das Verbrenner-Aus mit 2030 auch in Stein gemeißelt – wie für Vizekanzler Werner Kogler?
    Wir brauchen nur nach Deutschland schauen, wo die Industrie auf alle drei Säulen setzt – nämlich auf Verbrenner, Wasserstoff und Elektromotor. Ich denke, da sollten wir uns besser an Deutschland orientieren.

    Wie ist das Klima in Ihrer schwarz-blauen Koalition derzeit?
    Es ist eine professionelle Zusammenarbeit. Wir arbeiten Schritt für Schritt unser Arbeitsprogramm ab.

    Zuletzt haben Sie gemeinsam mit Udo Landbauer einen Wirtshausbonus vorgestellt. Warum hat die ÖVP zuletzt so eine starke Zuneigung zur Kulinarik entwickelt?
    Wirtshäuser sind bei uns ein wichtiges Kulturgut und soziale Treffpunkte, an denen man gerne diskutiert, feiert – und auch gemeinsam trauert. Sie gehören zu Niederösterreich wie die Marille zur Wachau. Leider haben wir aber ein großes Wirtesterben zu verzeichnen – seit dem Jahr 2000 hat jedes dritte Gasthaus die Pforten geschlossen. Wir haben deshalb ein großes Paket mit drei Förderschienen geschnürt, bei dem sich ein Wirt bis zu 100.000 Euro abholen kann.

    "Ich denke, Othmar Karas hat sich in den letzten Jahren inhaltlich immer weiter von der Basis der Volkspartei entfernt."

    Sind Sie auch für Burger zu begeistern?
    (lacht) Kann schon mal vorkommen, aber lieber traditionell.

    Was sagen Sie zum viel kritisierten Hamburger-Sager von Bundeskanzler Nehammer?
    Man muss schon auch sehen, dass das Video bewusst geschnitten wurde, um dem Kanzler zu schaden. Es hat dann das Licht der Welt erblickt, um den SORA/SPÖ-Skandal zu vertuschen. Aber, ja, ich denke, dass er vielleicht heute eine andere Wortwahl treffen würde.

    Würden Sie ihm das jedenfalls empfehlen?
    Ich habe dem Herrn Bundeskanzler nichts zu empfehlen.

    Verstehen Sie die Wut der Alleinerzieherinnen, die er abgekanzelt hat?
    Ich bin selbst Mutter von zwei Kindern – und weiß daher: Wenn jemand alleine Verantwortung für eine Familie übernimmt, ist das wirklich etwas, wo man nur sagen kann: Respekt und Wertschätzung. Man muss aber auch sehen, wie Alleinerzieherinnen unterstützt werden. Es gibt eine Vielzahl an finanziellen Leistungen – vom Bund, aber auch den Ländern. Alle Sozialleistungen für Familien werden wegen der Inflation angehoben. In Niederösterreich gibt es das Schulstartgeld, wir haben den Wohn- und Heizkostenzuschuss und jetzt den Wohnzuschuss neu.

    Rechnen Sie mit frühzeitigen Neuwahlen im Bund?
    Ich rate allen dazu, bis zum Schluss zu arbeiten.

    Schließen Sie eine Koalition mit Herbert Kickl ebenso aus wie zahlreiche Parteikollegen von Ihnen?
    Der Herr Bundeskanzler hat sich dazu ganz klar geäußert und ich vertraue ihm auch in dieser Einschätzung.

    Abschließend: Sind Sie traurig darüber, dass Othmar Karas nicht mehr für die ÖVP für das EU-Parlament kandidieren möchte und so harsche Worte über Ihre Partei verloren hat?
    Ich denke, Othmar Karas meint es gut, aber er hat sich in den letzten Jahren inhaltlich immer weiter von der Basis der Volkspartei entfernt. Und ich denke, das hat er auch gespürt.

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      ALEX WROBLEWSKI / AFP / picturedesk.com