Politik

Migrationsexperte: "Europa könnte Chaos drohen"

Europa muss sich auf die zweite große Migrationswelle innerhalb von sieben Jahren vorbereiten, ansonsten droht laut dem Experten Gerald Knaus Chaos.

Tobias Kurakin
Eine ukrainische Mutter mit Baby am Bahnsteig.
Eine ukrainische Mutter mit Baby am Bahnsteig.
Bilal Heinrich

Der Krieg in der Ukraine führt zu einer enormen Fluchtbewegung. Bereits nach zwei Wochen haben mehr Menschen ihr Land verlassen als im gesamten Jugoslawien-Krieg. Das Flüchtlingsreferat der UNO geht davon aus, dass bis zu drei Millionen Menschen die Ukraine im Laufe des Konflikts verlassen werden. Die Europäische Union sowie ganz Europa stehen wieder vor der Frage nach dem Umgang mit Flüchtlingen. 

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Anders als noch 2015 und 2016 ist nun die Hilfsbereitschaft besonders groß. Kein Land innerhalb des Kontinents hat sich derzeit gewehrt, Schutzsuchende aufzunehmen. Selbst migrationspolitische Hardliner-Länder wie Polen, Ungarn, aber auch Österreich beteiligen sich an der raschen und unbürokratischen Hilfe innerhalb der EU.

Der Migrationsforscher Gerald Knaus sieht dennoch im Gespräch mit der "Kleinen Zeitung" Gefahren gegeben. Der große Vorteil im Vergleich zur Flüchtlingswelle 2015 ist jedenfalls, dass die EU nun durch das Inkraftsetzen einer Richtlinie nicht mehr auf die Zustimmung der Nationalstaaten angewiesen ist. Dennoch braucht es laut Knaus ein "zuversichtliches Vorgehen williger Staaten mit Unterstützung der Bevölkerung."

Bereits in den vergangenen Tagen haben mehrere Städte und Hilfsorganisationen ihre Hilfsbereitschaft signalisiert. Dennoch brauche es nun Organisation. Wenn es nicht gelingen würde, Flüchtende in jene Gebiete zu bringen, die sich bereit erklären, sie aufzunehmen, droht abermals Chaos. Knaus spricht davon, dass "in wenigen Wochen Millionen Menschen – vor allem über Österreich und Deutschland – durch die EU irren könnten, auf der Suche nach Unterkunft", wenn die Organisation scheitert. 

Mit der Situation aus dem Jahr 2015 sei dies auch nicht mehr vergleichbar. Damals wären viel weniger Menschen gekommen, so Knaus, der die damalige Fluchtbewegung im Vergleich zu der nun bevorstehenden als "Übung" bezeichnet. Damals hätte besonders rechtspopulistische Parteien Kapital aus der Krise geschlagen. 

Karoline Edtstadler im "Heute"-Talk zu der Aufnahme von Flüchtlingen

Die Gefahr, dass sich dieser Aspekt der Geschichte wiederholt, ist möglich, dann hätte Europa jedoch ein großes Problem und Putin würde sich die Hände reiben. "Die immense Hilfsbereitschaft in der EU, mit der der Kreml nicht gerechnet hat, macht Mut. Und auch wenn das umschlägt, werden die Menschen kommen. Es wird dann nur viel schwieriger zu bewältigen. Putin hofft, dass Angst vor Flüchtlingen seinen Anhängern in der EU hilft", so Knaus. 

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Der Migrationsexperte hat aber auch einen klaren Vorschlag, wie Europa auf den Zustrom reagieren muss. Demnach bräuchte es einen "Stab mit Ex-Spitzenpolitikern und Experten für Kommunikation". Ein Name, den Knaus in diesem Zusammenhang nennt, ist jener von Barack Obama. Derartige Politikgrößen müssten auch an Staaten außerhalb der EU appellieren, Flüchtlinge aufzunehmen. In der Zivilgesellschaft sollen zudem positive Geschichten erzählt werden, die die Empathie auf hohem Niveau hält.  

Derzeit gibt es derartige Initiativen noch nicht. Für Knaus ist jedenfalls klar, dass Menschen sowieso flüchten würden und innerhalb der EU Schutz suchen würden. Die einzige Frage, die sich für den Experten stellt, ist, ob dies organisiert oder chaotisch ablaufen würde. Derzeit sei jedenfalls noch "kein EU-Land ausreichend vorbereitet."

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