Ludwig im "Heute"-Talk
Masken-Comeback? "Kann man nur empfehlen"
Coole Gemeindebauten, heiße Mindestsicherungs-Debatte: Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) im Sommergespräch mit "Heute".
Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah – das war das Motto von Bürgermeister Michael Ludwig im heurigen Sommer. Diesen verbrachte der Stadtchef "auf Balkonien": "Ich habe den Sommer in Wien verbracht und habe das sehr reichhaltige, kulturelle Angebot genutzt. Es waren ja viele schöne Aktivitäten in den Bezirken im Rahmen des Wiener Kultursommers, aber es war auch der Opernsommer im Belvedere, Theater im Park", so Ludwig, der auch von den Wiener Bädern, den kostenlos nutzbaren 60 Kilometer Naturstrand in Wien und der Heurigenkultur schwärmt. "Da fragt man sich, wo soll man überhaupt hinfahren in Urlaub, wo es noch schöner sein könnte."
Hitze-Sommer und Klimakrise
Der Klimawandel und auch die damit einhergehende Hitze in der Stadt sei auch eine soziale Frage, so Ludwig: "Das ist ein Thema, das uns schon seit vielen Jahren sehr beschäftigt. Wir haben in Wien seit über 20 Jahren ein Klimaschutzprogramm, das auch entsprechende Ergebnisse erzielt hat. Wir haben pro Kopf halb so viele CO2-Emissionen wie der Österreichschnitt. Das heißt, wir leisten hier einen großen Beitrag, um den Klimawandel zu stoppen, ihn zu reduzieren."
"Aber zum Zweiten wollen wir auch mit den Auswirkungen umgehen, die in einer Großstadt wie Wien natürlich auch spürbar sind. Und von daher ist es wichtig, dass wir große Flächen auch renaturieren. Und zwar nach Möglichkeit in vielen Teilen der Stadt." Ludwig verweist hier auf den ehemaligen Güterbahnhof in Breitenlee oder die gesperrte Tangentenausfahrt Simmering, wo umfangreiche Begrünungs- und Entsiegelungsmaßnahmen getroffen wurden. Ein weiteres Beispiel für einen "Grünkeil" sei der Helmut-Zilk-Park im Sonnwendviertel (Favoriten), "den wir völlig neu entwickelt haben und der das Mikroklima in einer Großstadt stark verbessern wird, indem dort Wiese, Büsche, Bäume sind."
„Fernkälte soll auf lange Sicht auch im Gemeindebau verfügbar sein“
Ein weiterer wichtiger Punkt sei der Ausbau der Fernkälte: Zukünftig sollen möglichst alle Teile der Stadt nicht nur mit Fernwärme, sondern auch mit Fernkälte versorgt werden. Auf lange Sicht sollen auch Gemeinde- und andere Wohnbauten so gekühlt werden können. Im Gemeindebau würde weiters der Ausbau von Photovoltaikanlagen sowie Geothermie forciert: "Wir haben uns ja vorgenommen, dass wir pro Jahr Photovoltaikanlagen in der Größenordnung von 100 Fußballfeldern errichten", so Ludwig.
Coronawelle und Maskenpflicht
Eine Maskenpflicht sei "derzeit kein Thema", so der Stadtchef. "Aber natürlich kann man den Menschen nur empfehlen, überall dort, wo viele Menschen zusammenkommen, zum Beispiel in öffentlichen Verkehrsmitteln oder auch in einer Arztordination, von sich selbst aus auch eine Maske zu tragen." Die aktuelle Corona-Welle sei um mehrere Wochen früher gekommen, als erwartet.
„Wir sehen, dass das jetzt in den letzten Monaten nicht ganz so gut funktioniert hat, nachdem es die Stadt nicht begleitet hat“
Besonders vulnerablen Gruppen rät Ludwig dringend zur Corona-Impfung. Er habe Gesundheitsstadtrat Peter Hacker beauftragt, "wieder entsprechende Vorkehrungen zu treffen, dass die Stadt Wien das wieder übernimmt. Denn wir sehen, dass das jetzt in den letzten Monaten nicht ganz so gut funktioniert hat, nachdem es die Stadt nicht begleitet hat." Es sei wichtig, die Möglichkeit zu schaffen, sich gegen Corona, Influenza und auch andere schwerwiegenden Erkrankungen wie Keuchhusten, Masern und Co. impfen zu lassen. Besonders bei Kindern sei das wichtig, so Ludwig.
Mindestsicherung und "Kahlschlag im Sozialsystem"
Mit dem Moneymaker-Vergleich von FPÖ-Klubchef Maximillian Krauss – Asylwerber würden in Wien von allen Seiten mit Geld überschüttet – kann Ludwig nichts anfangen: "Die Mindestsicherung in Wien pro Kopf ist ziemlich ident mit jener aller anderen Bundesländer." Pro Kopf würden österreichweit 743 Euro ausbezahlt werden. In Wien sind es im Durchschnitt 748 Euro. "Das heißt 5 Euro mehr", rechnet der Stadtchef. Es gebe fünf Bundesländer, die geringfügig weniger und drei Bundesländer, die geringfügig mehr zahlen, so der Wiener Bürgermeister. "Also wir sind in Wien ziemlich in der Mitte. Der einzige Unterschied ist, dass wir in Wien jedes Kind gleich behandeln, dass es kein degressives Modell gibt, sondern dass das erste Kind gleich viel bekommt wie das dritte oder wie das fünfte Kind. Das ist im Übrigen auch so bei der Familienbeihilfe. Und das wollen wir auch beibehalten, weil wir glauben, dass die Chancengerechtigkeit für alle Kinder gleich sein sollte. Aber dass solche Zahlen irritieren können, verstehe ich."
„Ich warne sehr davor, dass es zu einem Kahlschlag im Sozialsystem kommt“
Er fordert eine bundesweite Vereinheitlichung der Sozialleistungen und warnt: "Und alle, die so begeistert darüber nachdenken, wie die Mindestsicherung reduziert werden soll, muss bewusst sein, dass es manchen, nicht uns in der SPÖ, aber manchen anderen in politischen Parteien, offensichtlich darum geht, auch im Bereich der Mindestpensionen Maßnahmen zu setzen. Und von daher warne ich sehr davor, dass es zu einem Kahlschlag im Sozialsystem kommt."
Von einem Geldstopp bei einem negativen Asylbescheid, wie vom burgenländischen Landeshauptmann und SPÖ-Chef Hans Peter Doskozil vorgeschlagen, hält Ludwig nichts: "Wenn Personen kein Asyl zugesprochen bekommen, dann ist davon auszugehen, dass sie ja ohnehin das Land verlassen. Da muss nur entsprechend auch von Seiten des Bundes die Vorkehrung getroffen werden. Wenn Menschen weiter im Land aufhältig sein werden, dann wird man sich irgendwie damit beschäftigen müssen, wie diese Menschen entweder in den Arbeitsprozess integriert oder in einer anderen Art und Weise begleitet werden."
Den Armen geben, den Reichen nehmen
"Generell hat sich in den letzten Jahren die Balance zwischen Einnahmen aus Arbeit und Einnahmen aus Vermögen sehr zu Ungunsten des Bereichs Arbeit verändert. Es ist eine Schere, die weiter auseinander geht und von daher wird die allgemeine Sorge tragen müssen, dass sich diese Schere nicht weiter auseinander entwickelt, sondern dass es hier wieder eine Angleichung gibt. Jene, die breitere Schultern haben, werden auch mehr dazu beitragen können, dass wir Zukunftsthemen finanziell gut abdecken können."
Stadtpolizei und Waffenverbot
Wien brauche mehr Polizisten, wiederholt Ludwig seine Forderung nach einer massiven Aufstockung von Exekutivkräften in der Stadt. Sein Angebot: "Nachdem wir auch andere Blaulichtorganisationen im Bereich der Stadt verankert haben – die Berufsrettung, die Berufsfeuerwehr – sind wir auch bereit, die Polizei zu übernehmen. Denn wir haben kein Problem, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen Bereichen zu finden. Wenn das hilft, dann übernehmen wir gerne die Polizei und ich bin sicher, dass es dann auch möglich sein wird, mehr Polizistinnen und Polizisten zu finden", so Ludwig. Derzeit sei es aber aufgrund der Bundesverfassung nicht möglich, eine Art Stadtpolizei in Wien einzurichten.
„Wenn das hilft, dann übernehmen wir gerne die Polizei.“
Auch seine Forderung nach einem generellen Waffenverbot bleibe aufrecht. Ein gutes Beispiel dafür, dass diese Maßnahme Wirkung zeige, sei der Praterstern: "Dort sind bis heute 380 Waffen abgenommen worden, davon mehr als 300 Messer. Und von daher muss die Polizei ausgestattet und auch personell aufgestockt werden, um das auch zu exekutieren. Und ich denke, es macht Sinn, im gesamten Stadtgebiet ein solches Waffenverbot umzusetzen."
"Gfrasta" und falsches Frauenbild
"Personen, die sich nicht an das Strafrecht und die Hausordnung, die wir in Wien gewohnt sind, halten, sind ’Gfrasta", so Ludwig. Er habe diesen Ausdruck bereits 2020, lange vor Vize-Stadtchef Christoph Wiederkehr (Neos), verwendet. "Jungen Menschen, aber auch generell allen in der Gesellschaft, muss man klarmachen, dass es rote Linien gibt, die man nicht überschreiten darf und dass dann auch entsprechende Konsequenzen angesagt sind. Das müssen im Extremfall strafrechtliche Konsequenzen oder auch andere Sanktionen sein, um bereits frühzeitig einzugreifen."
„Dass ein Vater nicht mit einer Lehrerin spricht, weil sie eine Frau ist, kann man nicht akzeptieren.“
Das gelte im öffentlichen Raum, aber auch in Schulen. Dass ein Vater nicht mit einer Lehrerin spricht, weil sie eine Frau ist, "kann man nicht akzeptieren. Solchen Eltern muss man vermitteln, dass das die Autoritätsperson in der Schule ist, die auch die Kinder begleitet. Also von daher gilt es nicht abzurücken von unseren Vorstellungen, Frauen und Männer gleichzubehandeln. Da müssen sich andere Menschen an diesen Spielregeln orientieren."
Babler und Kreisky
Bei der bevorstehenden Nationalratswahl am 29. September sieht Ludwig gute Chancen für die SPÖ: "Es liegen jetzt drei Parteien in etwa gleich auf und für alle drei Parteien besteht die Möglichkeit, den ersten Platz zu erlangen, auch für die Sozialdemokraten. Von daher bin ich sehr zuversichtlich, dass das gelingen wird."
Auf die Frage, welchen Job der SPÖ-Bundesparteivorsitzende und Spitzenkandidat Andreas Babler ab dem 30. September ausüben wird, antwortet Ludwig schmunzelnd: "Ich gehe davon aus, dass er nach einem guten Wahlergebnis in Verhandlungen eintreten wird, dass die Sozialdemokratie Teil einer kommenden Bundesregierung ist."
Legendäre SPÖ-Vorsitzende wie Bruno Kreisky oder Franz Vranizky vermisse er nicht, aber: "Ja, das sind beides sehr honorige Persönlichkeiten. Ich bin selber auch Vorsitzender des Bruno Kreisky-Archivs und schätze beide Persönlichkeiten sehr. Allerdings waren das auch andere Zeiten. Wir leben jetzt in einer Krisensituation, in einer ganz anderen Medienwelt. Es ist auch das Parteienspektrum ein völlig anderes. Von daher ist es sicher immer gut, auch von diesen Persönlichkeiten zu lernen."
Arbeitsmarkt und Bürgermeisterjob
"Mit großer Sorge beobachte ich die Entwicklung am Arbeitsmarkt. Wir haben zwar Beschäftigungsrekord in Wien, aber die Arbeitslosigkeit steigt in ganz Österreich massiv an. In Wien erfreulicherweise geringer, aber trotzdem", so der Wiener Bürgermeister. Die Stadt setze daher über das waff viele Maßnahmen speziell für junge Menschen, aber auch Arbeitnehmer über 50. "Wenn ich vorher erzählt habe, wir installieren viele Photovoltaikanlagen, dann brauchen wir auch Personen, die das auch konkret vor Ort tun können."
Die Wirtschaft würde immer weniger Lehrlinge ausbilden. "Die werden uns in vier, fünf Jahren fehlen als Fachkräfte. Wir werden deshalb in der Stadt Wien die Ausbildungsplätze für Lehrlinge erweitern, weil ich glaube, das duale Ausbildungssystem ist sehr, sehr gut. Es setzt aber voraus, dass es Betriebe gibt, die jungen Menschen diese Chance auch ermöglichen. Wir werden das als Stadt Wien tun."
„Ich würde vorschlagen, das entscheidet man dann, wenn es so weit ist“
Er selbst habe keine Jobsorgen und plane, bei der Wien-Wahl 2025 wieder als Bürgermeisterkandidat anzutreten: "Es gibt vieles, was wir erledigt haben, vieles, was allerdings noch zu leisten ist und von daher würde ich mich gerne zur Verfügung stellen. Aber es entscheidet die Wiener Bevölkerung." Im Falle einer Wiederwahl würde Ludwig das Pensionsantrittsalter von 65 Jahren im Laufe der Legislaturperiode erreichen. Ob er trotzdem weiterarbeiten will? "Ich würde vorschlagen, das entscheidet man dann, wenn es so weit ist", so der Bürgermeister.
Auf den Punkt gebracht
- Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) sprach im "Heute"-Sommergespräch über seine Sommeraktivitäten in Wien, die Herausforderungen des Klimawandels und die Bedeutung von Renaturierungsprojekten in der Stadt
- Er äußerte sich zudem zur aktuellen Corona-Situation, der Mindestsicherungsdebatte, der Notwendigkeit einer verstärkten Polizeipräsenz und den bevorstehenden Nationalratswahlen, wobei er optimistisch ist, dass die SPÖ eine wichtige Rolle in der nächsten Bundesregierung spielen wird