Hotspot Favoriten

"Man fühlt sich wie ein Mann und dann sticht man zu"

Bei einer TV-Reportage in Wiens Brennpunkt-Grätzel tun sich Abgründe auf. Junge Männer schildern offen Verbrechen und warum hier Messer locker sitzen.

Roman Palman
"Man fühlt sich wie ein Mann und dann sticht man zu"
Eine arabisch-syrische Jugendgruppe plaudert gegenüber PULS24 aus dem Nähkästchen: "Man sticht einfach zu"
PULS24

Favoriten kommt nicht zur Ruhe. Erst vor zwei Wochen kam es auf einem Straßenfest zu einer brutalen Schlägerei, Tage später wurde ein 17-Jähriger niedergestochen. Beide Vorfälle ereigneten sich im Bereich des Keplerplatzes. Die Wiener Polizei reagierte mit einer weitläufigen Waffenverbotszone, dennoch sitzen die Messer weiter locker.

Das zeigt sich auch beim Lokalaugenschein von PULS24. Reporterin Magdalena Punz wagte sich mit Kamera und Mikrofon in DAS Brennpunkt-Grätzel Wiens. Völlig offen und unverblümt schilderten die dortigen Jugendlichen ihr gegenüber ihre kriminellen Machenschaften.

Der Keplerplatz etwa ist ein Umschlagplatz für Suchtmittel. Die Polizei führt hier zwar immer wieder Schwerpunktkontrollen durch, doch darauf sind die Dealer schon vorbereitet. Sie sind weg, bevor die Exekutive in ihre Nähe kommt.

"Musst dir irgendwie Geld besorgen"

Drogenhandel "ist normal hier", sagt der 15-jährige Ivo (Name geändert) im Gespräch mit dem TV-Team. Er hat ein halbes Dutzend Geschwister, lebt bei einer erwachsenen Schwester. Eltern gibt es nicht, Schule besucht er nicht, die Lehrplatzsuche war bisher erfolglos. Im Park abzuhängen, ist Teil seines Alltags, der Keplerplatz so etwas wie ein zweites Wohnzimmer: "Es ist ein scheiß Platz hier, aber man kann hier sein".

Selbst mit seinen jungen Jahren ist er zweifach vorbestraft, saß schon mehrere Monate im Häfn. Von Scham keine Spur, offen schildert er: "Ich war auch schon in der [Justizanstalt] Josefstadt wegen schweren Raubes und Körperverletzung. In einer Gruppe haben wir einen Mann ausgeraubt." Sie hätten Geld gebraucht – ob für Drogen, Essen oder was anderes, das wisse er nicht mehr.

"Wenn du kein Geld hast, musst du dir irgendwie Geld besorgen. Meistens beginnt dann die Scheiße, abziehen und sowas halt." In seinem Freundeskreis sind Autodiebstähle, Drogen, Raub und Schlägereien offenbar nichts Verwerfliches. Auch er selbst hätte erst kürzlich ein Moped kurzgeschlossen, aus Spaß. Zurück hinter Gitter will er nicht, aber er fürchtet sich auch nicht davor: "Wenn es kommt, dann kommt es". Für den 15-Jährigen scheint es unvermeidlich, dass man "draußen", früher oder später wieder ein Ticket nach drinnen ausfasst.

Falsche Freunde

Im Antonspark, nachdem sich die Jugendbande, die eine 12-Jährige vergewaltigt haben, "antons" nennt, trifft Punz auf eine Gruppe friedlicher Kiffer. Gewalt und Drogenverkauf lehnen sie ab, obwohl sich einige von ihnen auch dahingehend schon schuldig gemacht haben.

"Ich will nicht, dass ein Jugendlicher das macht. Das ist ur scheiß und so", so der Wortführer, der früher selbst einmal gedealt hat. Er hat auch einen guten Ratschlag für die Jugend parat: "Mit Freundschaftskreis muss man immer aufpassen."

"Wollen nicht, dass jemand abgestochen wird"

Ein weiterer junger Mann stellte sich in der Waffenverbotszone selbst vor die Kamera, zeigte stolz sein frisch gestochenes Lacoste-Krokodil in Übergröße auf seiner Brust. Darüber trägt er stilecht ein Lacoste-Sweatshirt mit Monogramm-Print um 200 Euro.

In fließendem Deutsch erzählt der Syrer, dass auch er den 10. Bezirk für gefährlich hält, weil viele Leute Messer dabei hätten: "Das ist halt schade, weil wir wollen nicht, dass jemand abgestochen wird".

Sein Interview mit PULS24-Reporterin Punz wird von einer Gruppe "arabischer Leute" unterbrochen. "Kommst du Reumannplatz" grölt ein Mann mit einer Sturmhaube über dem Gesicht. Auch andere sind maskiert, angeblich für ein TikTok-Video.

Für die jungen Männer, die großteils ebenfalls aus Syrien kommen, ist ihr Reumannplatz der "beste Platz" in ganz Wien: "Stimmt, paar Leute machen Probleme, aber die sind nur arschige Leute". Und sie selbst? "Wir machen keine Problem. Wir sind tüchtige Leute", geloben sie im Chor. Doch wie auch bei den chilligen Kiffern zuvor, haben auch unter ihnen einige schon Erfahrung mit Drogen, Körperverletzung, Gefängnis.

"Man sticht direkt zu und fertig"

Mit der Gruppe im Hintergrund schildert der Lacoste-Fan, dass Auseinandersetzungen hier schnell blutig enden könnten. Seine Erklärung, warum die Messer in Favoriten so locker sitzen: "Man trinkt ein bisschen viel, man zieht ein bisschen Koks, man ist gut drauf. Man fühlt sich wie ein Mann und dann sticht man zu. Das ist die Wahrheit."

Und: "Wenn man unter Drogen oder Alkoholkonsum ist, man sticht direkt zu und fertig. Man ist nicht bei eigene Kopf."

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