Klimaschutz

Mageres Ergebnis bei COP27 – Kein Öl- und Gasausstieg

Am frühen Sonntag haben sich rund 200 Länder beim Weltklimagipfel in Sharm el-Sheikh auf ein Klimaschutzabkommen geeinigt.

Lydia Matzka-Saboi
Der 27. Weltklimagipfel bringt nur einen Minimalkompromiss beim Klimaschutz. Bewegung gibt es bei einem Fonds für Klimaschäden.
Der 27. Weltklimagipfel bringt nur einen Minimalkompromiss beim Klimaschutz. Bewegung gibt es bei einem Fonds für Klimaschäden.
LUDOVIC MARIN / AFP / picturedesk.com

Zwei Wochen lang ist bei der Weltklimakonferenz im ägyptischen Sharm el-Sheikh (COP27) intensiv verhandelt worden. Sonntag früh einigten sich die 195 Staaten auf einen Minimalkompromiss.

Herzstück des Abkommens ist ein Finanztopf für die Folgen von Klimaschäden in ärmeren Ländern. Die Bemühungen zur Reduktion von CO2-Emissionen wurden aber nicht verstärkt, was für massive Kritik sorgte. Weiters einigten sich die Staaten zwar auf einen schrittweisen Kohle-Ausstieg, ein Abschied von Öl und Gas wird in der Abschlusserklärung aber mit keinem Wort erwähnt.

Damit bleibt die Erklärung hinter den Forderungen vieler Staaten, Klimaaktivisten und Umweltschützer zurück.

"Das war nicht einfach. Wir haben rund um die Uhr gearbeitet", sagte COP27-Präsident Sameh Schoukry Sonntagfrüh zum Ende der Konferenz. "Jegliche Ausrutscher, die es gegeben haben mag, waren nicht beabsichtigt." Die Gespräche der Vertreterinnen und Vertreter aus rund 200 Ländern seien teilweise angespannt gewesen, aber "am Ende haben wir geliefert", sagte Schoukry.

Geldtopf für Klimaschäden

Die Einigung auf einen neuen Geldtopf für die Folgen von Klimaschäden in ärmeren Ländern gebe Millionen Betroffenen rund um die Welt Hoffnung. Der neue Entschädigungsfonds soll unabwendbare Folgen der Erderhitzung abfedern – etwa immer häufigere Dürren, Überschwemmungen und Stürme, aber auch den steigenden Meeresspiegel und die Wüstenbildung. Die Frage hatte sich als größter Streitpunkt durch die zweiwöchige Konferenz in Sharm el-Sheikh gezogen, die um mehr als 36 Stunden verlängert wurde.

Sherry Rehman, pakistanische Ministerin für Klimawandel, deren Leiden unter den Rekordüberschwemmungen im September "sinnbildlich für die Verwüstungen in den Entwicklungsländern wurde", so der "Guardian", begrüßte die "historische" Einigung.

In dem Beschluss werden jedoch keine Summen für den neuen Fonds genannt und auch nicht, wer genau einzahlen soll. Das soll später geklärt werden. Begünstigt werden sollen Entwicklungsländer, die besonders gefährdet sind. Auf diese Eingrenzung hatte besonders die EU gepocht.

In der Abschlusserklärung werden die Staaten außerdem aufgefordert, ihre größtenteils unzulänglichen Klimaschutzpläne bis spätestens zur nächsten Klimakonferenz nachzubessern. Diese findet Ende 2023 in Dubai statt. Die Nachbesserungen bleiben freiwillig, eine Verpflichtung gibt es nicht.

Rolle Chinas umstritten

Die USA hatten den neuen Entschädigungsfonds zunächst blockiert, während die als G-77 bekannte Gruppe aus mehr als 130 Entwicklungsländern zusammen mit China Druck aufbaute. Die Europäische Union schwenkte nach anfänglicher Zurückhaltung schließlich um.

Umstritten bei dem Thema ist unter anderem die Rolle Chinas. Das Land, das beim Ausstoß klimaschädlicher Emissionen den ersten Platz belegt, will im internationalen Klimaschutz weiter als Entwicklungsland behandelt werden. So wurde es vor 30 Jahren im Kyoto-Protokoll festgelegt.

Westliche Staaten wollen das Land wegen seiner Wirtschaftskraft und der Rolle als größter Verursacher von Treibhausgasen aber nicht länger als Empfängerland einstufen. Chinas Unterhändler Xie Zhenhua sagte, Entwicklungsländer sollten das Geld erhalten, räumte "verletzlichen Staaten" aber Vorrang ein.

Zwischen Enttäuschung und Lichtblicken

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres warf der UNO-Klimakonferenz vor, zentrale Ziele verfehlt zu haben. Es sei dort nicht gelungen, die "drastischen Emissionssenkungen" auf den Weg zu bringen, die notwendig seien, um die Erderwärmung einzudämmen, sagte Guterres am Sonntagmorgen in Sharm el-Sheikh.

"Unser Planet ist in der Notaufnahme“, unterstrich der UNO-Generalsekretär die Dramatik der Lage. "Wir müssen die Emissionen drastisch verringern, und das anzugehen, hat die Klimakonferenz versäumt."

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler, die in Ägypten für die EU verhandelte, nannte das Ergebnis "enttäuschend". EU-Chefverhandler und Klimakommissar Frans Timmermans nennt den Grund: "Zu viele Länder sind nicht zu Fortschritten im Kampf gegen die Klimakrise bereit."

Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen ist enttäuscht: "Ich habe den Eindruck, vielen ist nicht klar, dass unsere Existenz auf dem Spiel steht." Ein Lichtblick sei der Fonds zur Entschädigung von Klimaschäden.

Weg Richtung Klimahölle vorprogrammiert

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace blickte in einer Reaktion mit gemischten Gefühlen auf die Klimakonferenz in Scharm el-Sheikh: "Mit dem aktuellen Ergebnis ist der Weg Richtung Klimahölle vorprogrammiert, denn ein Ende von Öl und Gas ist nicht in Sicht. Damit rückt jedoch auch das 1,5-Grad-Ziel in weite Ferne. Ein Erfolg ist trotzdem zu verzeichnen: Es konnte ein Finanztopf für klimabedingte Schäden und Verluste etabliert werden", sagte Jasmin Duregger, Klimasprecherin von Greenpeace.

Eine Einschätzung der Allianz für Klimagerechtigkeit kam zu einem ähnlichen Schluss. "Anstelle von ziellosen Prozessen braucht es ambitioniertes Handeln bei Emissionsminderungen, Anpassungsrichtlinien, Geschlechtergerechtigkeit und Klimafinanzierung", hieß es in einer Aussendung.

Auch der WWF Österreich zeigte sich enttäuscht vom Ergebnis auf der diesjährigen Weltklimakonferenz. "Diese Klimakonferenz wird in die Geschichte eingehen – und zwar als jener Moment, in dem die Welt das Erreichen des 1,5-Grad-Ziels aufgegeben hat", sagte Thomas Zehetner, Klimasprecher des WWF.

Kritik an Gastgeber Ägypten

Die Konferenz, zu der etwa 34.000 Teilnehmende ans Rote Meer gereist sind, war am Freitagabend in die Verlängerung gegangen. In der Nacht auf Samstag war nach schleppenden und teils chaotischen Abläufen in Verhandlungskreisen Beunruhigung ausgebrochen.

Die EU drohte gar mit Abbruch der Verhandlungen, nach dem Motto "lieber kein Ergebnis als ein schlechtes". Am frühen Sonntagmorgen dann schließlich doch die Einigung.

Als die COP27 am Freitag in die Verlängerung ging, wurden nicht nur die Messestände abgebaut, sondern auch die Getränke- und Essensstände. Teilweise waren die Delegationen sogar ohne Strom, auch die österreichische, wie Irmi Salzer, stellvertretende Kabinettschefin im Klimaschutzministerium twitterte.

Durstige Delegierte irrten mit Pappbechern von einem leeren Wasserspender zum nächsten. Die extra für die Klimakonferenz in die Wüste des Sinai gepflanzten Container und Zelte waren weiterhin auf Kühlschranktemperaturen herunter gekühlt.

Doch auch über das Verhalten der Ägypter im Verhandlungssaal schüttelten selbst erfahrene Verhandler ihre Köpfe. Statt auf offene Diskussionen im Plenum setzte die COP27-Präsidentschaft auf bilaterale Gespräche. Die Gastgeber ließen nicht nur Medien und Beobachter, sondern oft auch die Delegierten über den Verhandlungsstand im Dunkeln.

Die extra für die Klimakonferenz eingerichtete COP27-App stand im Verdacht, Spyware zu sein. Kaum jemand lud sie sich herunter. Auch die Atom-Lobby war wieder breit vertreten. Beim Brasilien-Stand werkte noch die Administration von Jair Bolsonaro, die mit den Ankündigungen ihres neuen Präsidenten Lula da Silva, den Amazonas stärker vor der Abholzung zu schützen, so gar nichts zu tun haben wollte. Journalisten wurde unfreundlich die Tür vor der Nase zugeschlagen.

Fossil-Ausstieg auch bei nächster COP unsicher

Ägypten ist der zweitgrößte Gasproduzent Afrikas und will in Zukunft noch mehr fördern. An einem Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zeigte das Land im Rahmen der Klimakonferenz wenig Interesse. Ob sich die ablehnende Haltung zum Öl- und Gasausstieg ändern wird, ist fraglich. Die nächste Klimakonferenz findet 2023 in Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten statt.

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