Gesundheit
Long Covid-Ursache: Neue Hinweise von Wiener Forschern
Ein Wiener Forscherteam fand in analysierten Blutproben von Long-Covid-Patienten Stoffwechselprodukte, die die Beschwerden erklären könnten.
Rund zehn Prozent der mit dem SARS-CoV-2-Erreger infizierten Personen entwickeln Symptome, die unter dem Terminus "Long Covid"-Syndrom zusammengefasst werden. Mit dem Erfassen und Behandeln dieses vielfältigen neuen Krankheitsbildes, das die Lebensqualität stark beeinträchtigen kann, tun sich Mediziner noch schwer.
Ein Forschungsteam der "Joint Metabolome Facility" der Universität Wien und Medizinischen Universität Wien hat nun mit modernen Analyseverfahren Proben von 13 Versuchspersonen mit deutlichen "Long Covid"-Symptomatiken sowie von je 13 Personen mit einer symptomlosen nachgewiesenen Covid-19-Infektion und noch ohne nachgewiesene Erkrankung detailliert untersucht. Die Methoden erlauben es, die zum Zeitpunkt der Blutabnahme ablaufenden Prozess im Körper nachzuvollziehen, so die Wissenschaftler. Die Studie wurde im Fachblatt "iScience" veröffentlicht.
Immunsystem zielt auch auf gesunde Strukturen
Durch die starke Aktivierung der Abwehr des Körpers bei viralen Infektionen kommt es zu Entzündungsreaktionen. Das Immunsystem wendet sich gegen die Erreger und nimmt dabei mitunter auch gesunde Strukturen ins Visier. Ist die Erkrankung zurückgedrängt, kommen verstärkt Prozesse in Gang, die die Entzündungsreaktion wieder zurückfahren.
Bei den Long-Covid-Patienten zeigten sich aber nahezu keine Hinweise auf Entzündungen, aber hohe Konzentrationen an Verbindungen, die auf anti-entzündliche Reaktion hinweisen. Marker wie Zytokine oder Eicosanoide, die mit Entzündungen einher gehen, waren bei den gesunden Teilnehmern deutlich höher und nochmals höher waren sie bei den Genesenen, die keine Symptome hatten. Im Gegensatz dazu präsentieren sich in der Long-Covid-Gruppe die Konzentrationen anti-entzündlich wirkender Stoffwechselprodukte gegenüber den Kontrollgruppen deutlich erhöht.
Überaktive Immunzellen
Insgesamt deuten die Blutplasma-Analysen der Patienten darauf hin, dass spezielle Immunzellen, die nach Infektionen die Regenerationsprozesse federführend steuern, überaktiv sind. "Im akuten Covid-Stadium treiben die Immunzellen die Entzündung voran. Sie können dann aber switchen: Wird der Gewebeschaden zu groß, sattelt ein und dieselbe Zelle dann auf Regeneration um", sagte Gerner. Letzteres scheint bei Long-Covid-Patienten zu entgleiten und nicht etwa die Entzündungsreaktion selbst, wie das bei einer Autoimmunerkrankung der Fall ist, wo sich das eigene Immunsystem gegen Teile des Körpers wendet.
Diese Erkenntnis passe gut zu dem beobachteten Krankheitsbild. "Der ganze Körper ist schlaff, energielos, man ist müde und erschöpft. Das ist keine lokale Erkrankung, es betrifft die Regulation des gesamten Organismus", so Christopher Gerner, einer der Haupt-Studienautoren. Das lasse sich mit der überschießenden anti-entzündlichen Reaktion "wesentlich besser erklären".
Suche nach geeignetem Diagnoseinstrument
Bislang gestaltet sich die Diagnose von Long Covid als schwierig, da mit den gängigen (Blut-) Untersuchungsmethoden kein Hinweis auf die Long-Covid-Symptomatik festzustellen war. Das könnte sich nun ändern. Auf Basis dieser Erkenntnisse "wollen wir natürlich eine Diagnostik aufbauen, die auf molekularen Parametern beruht", so Gerner. Dafür brauche es aber Studien mit deutlich mehr Patienten. Schafft man es, in die entgleiste Anti-Entzündungs-Reaktion gezielt einzugreifen, wäre das ein vielversprechender Therapie-Ansatz.