Wiener Expertin im Interview

Long Covid – so gering sind die Heilungschancen

Die Immunologin und Leiterin des Nationalen Referenzzentrums für postvirale Syndrome plädiert für die Schaffung eigener ME/CFS-Anlaufstellen.
Heute Life
29.01.2025, 22:25

Durch die Corona-Pandemie erhielten postvirale Syndrome wie Long Covid und ME/CFS mehr Bedeutung denn je. Obwohl von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits 1969 als Erkrankung definiert, gelangte ME/CFS erst im Laufe der Pandemie ins öffentliche Bewusstsein. In Österreich geht man von bis zu 80.000 ME/CFS-Betroffenen aus.

Die Mechanismen, wie es zur Entwicklung der postviralen Syndrome kommt, sind nach wie vor nicht restlos geklärt. Es gibt viele Hypothesen – von denen aber auch viele noch nicht im Detail nachgewiesen werden konnten. "Umso wichtiger ist die weltweite Forschung", sagt Eva Untersmayr-Elsenhuber, eine der beiden Leiterinnen des neu gegründeten Nationalen Referenzzentrums für postvirale Syndrome an der MedUni Wien. Sie sprach mit "Heute" über den aktuellen Status quo in der Long-Covid-Forschung und die Versorgungssituation.

Wichtig zu wissen: Das Zentrum ist keine Behandlungseinrichtung für Betroffene, sondern dient der Schulung der Kolleginnen und Kollegen, die im direkten Kontakt mit Patienten sind. Denn was postvirale Syndrome angeht, fehle es immer noch an Wissen in den verschiedenen Gesundheitsberufen. "Wir sind dazu da, um diese Lücken zu schließen", so Immunologin Untersmayr-Elsenhuber.

BEGRIFFSKLÄRUNG

Long Covid bezeichnet Beschwerden, die wenigstens vier Wochen nach der Infektion bestehen
Post Covid bezeichnet Beschwerden, die wenigstens zwölf Wochen nach der Infektion bestehen.

POTS: Das posturale Tachykardiesyndrom (POTS) ist eine Erkrankung, bei der die Patienten beim Wechsel in die aufrechte Körperlage an einem erhöhten Puls und an Benommenheit, Schwindel leiden. Die Beschwerden lassen nach, wenn sich die Betroffenen hinlegen.

ME/CFS: Das Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom ist eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die oft zu einem hohen Grad körperlicher Behinderung führt, weil es eine Vielzahl an Beschwerden mit sich bringt.

Status quo in der Long-Covid-Forschung

Postvirale Syndrome, kannte die Medizin auch bereits vor der Corona-Pandemie, wenngleich sie bis dahin eher ein Stiefkind der Forschung waren. Sie können nach einer Virusinfektion auftreten, z. B. Influenza-, Corona- oder Epstein-Barr-Virus (Auslöser des "Pfeifferschen Drüsenfiebers").

Vor allem ein nicht voll funktionstüchtiges Immunsystem (bei Immundefekten) würde laut der Immunologin das Risiko für Long Covid erhöhen. Eine weitere Möglichkeit, wie sich Long Covid entwickeln kann, ist eine überschießende Reaktion des Immunsystems oder eine Autoimmunität, bei der körpereigene Strukturen angegriffen werden. Ebenso könnte die Blutgerinnung eine entscheidende Rolle spielen. Durch ganz kleine, sogenannte Mikrothromben (viel kleiner als jene, die einen Herzinfarkt oder Schlaganfall auslösen), könnte der Gasaustausch in den Gefäßen behindert werden und damit die Sauerstoffversorgung des Gewebes eingeschränkt sein.

Nur 5 Prozent genesen

Bei Krankheitsausprägungen, wo nur einzelne Organe betroffen sind (z. B. Lunge oder Herz) seien leichter zu behandeln. Bei chronischen Verläufen – wie es bei ME/CFS der Fall ist –stünden die Chancen jedoch schlecht. "Studien zeigen, dass nur 5 Prozent von diesen Patienten wieder komplett genesen."

"Keine Anlaufstelle im öffentlichen System"

Da ME/CFS eine systematische Erkrankung ist – also den ganzen Körper betrifft – steht man behandlungstechnisch vor Herausforderungen. Oft müssen verschiedene medizinische Disziplinen eng zusammenarbeiten. Das ist auch einer der Gründe, warum es keine eigene öffentliche Anlaufstelle für ME/CFS in Österreich gibt. Dabei wäre der Bedarf da. "Es gibt zwar einzelne Fachambulanzen für Long Covid und niedergelassene Allgemeinmediziner und Fachärzte, die sich mit ME/CFS beschäftigen, aber keine Anlaufstelle im öffentlichen System." Untersmayr-Elsenhuber plädiert für die Schaffung entsprechender Stellen, "um die Versorgung zu verbessern."

{title && {title} } red, {title && {title} } 29.01.2025, 22:25
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