Politik
Nehammer widerspricht Erdogan auf offener Bühne
Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer erhofft sich von seinem Besuch in der Türkei eine bessere Zusammenarbeit im Kampf gegen illegale Migration.
Am Montagabend machte sich eine österreichische Delegation unter der Leitung von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) auf den Weg in die Türkei. Gemeinsam mit Innenminister Gerhard Karner, Wirtschaftsminister Martin Kocher und einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation traf er den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan in dessen pompösen Palast. Es ist übrigens der erste Besuch eines österreichischen Bundeskanzlers in der Türkei seit 2001. Damals traf Wolfgang Schüssel (ÖVP) Ahmet Necdet Sezer in Ankara.
Das Treffen fand in Erdogans pompösem Regierungspalast statt. Dieser hat über 1.000 Zimmer. Die Errichtung des Palastes sorgte beim Bau für massive Kritik. Schon im Vorfeld der Pressekonferenz gab Nehammer zu Protokoll, dass Österreich "keinen Kuschelkurs" mit der Türkei fahre, sich die bilateralen Beziehungen jedoch zuletzt stark verbessert hätten und eine pragmatische Zusammenarbeit herrsche.
Erdogan will Zweistaaten-Lösung in Nahost
Beim Besuch stand die "Zusammenarbeit im Kampf gegen illegale Migration, insbesondere beim Grenzschutz und bei der Beschleunigung von Rückführungen" auf der Agenda, hieß es im Vorfeld aus dem Kanzlerumfeld. Auch Kooperationen in der Schlepperei-Bekämpfung sowie gemeinsame Projekte im Sinne der Hilfe und des Schutzes in der Region werden angestrebt. Das führte der Bundeskanzler auch bei der Pressekonferenz am Dienstagnachmittag aus.
Erdogan bezeichnete den Besuch Nehammers als "historisch", sei es doch der erste Kanzler-Besuch seit mehr als zwei Jahrzehnten. "Wir wollen gemeinsam diese Beziehung ausbauen", erklärte der türkische Präsident. Erdogan bedankte sich für Österreichs Unterstützung nach dem Terroranschlag in der Türkei am 1. Oktober. Zudem strich er die wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder hervor.
Der türkische Präsident erklärte, dass es ein vereinigtes Europa nur mit der EU-Mitgliedschaft der Türkei gebe. Zum eskalierten Nahostkonflikt spricht sich Erdogan für eine Zweistaatenlösung an mit den Grenzen von 1967 und einer palästinensischen Hauptstadt Ostjerusalem aus. Nur dann gebe es "dauerhaften Frieden". Auch im Ukraine-Krieg plädiert er für einen "fairen Frieden". Er werde das Gespräch mit Russlands Präsident Wladimir Putin suchen.
Nehammer widerspricht in Nahost-Frage
Österreichs Bundeskanzler freut sich über einen "ganz besonderen Besuch". Es habe sehr "vertrauensvolle und intensive" Gespräche gegeben. "Wir sind Freunde und Partner". Unter solchen sei man stets ehrlich. Nehammer erklärte allerdings, dass er die Türkei in Zukunft nicht in der EU sehe. Nehammer sieht die Türkei aber als Verbündeter im Kampf gegen illegale Migration. Ebenfalls verbündet sei man im Kampf gegen Schlepperei und organisierte Kriminalität.
Was im Zuge der Gespräche sichtbar geworden sei, sei das wirtschaftliche Potenzial beider Länder. Auch im Kampf gegen den Terrorismus seien beide Länder "entschlossene Kämpfer". Das habe nicht nur die Kooperation beim jüngsten Anschlag in der Türkei sondern auch bei jenem in Wien im Jahr 2020 gezeigt. Widersprochen hat Nehammer Erdogan in der Nahost-Frage. Sprach Erdogan noch von "Brüdern und Schwestern" in Palästina, machte der Bundeskanzler keinen Hehl daraus, dass Österreich den Terroranschlag der Hamas verurteile. In einer Replik erklärte Erdogan dann, dass man auch die historischen Prozesse erkennen müsse. Dabei übte er auch heftige Kritik an den USA.