Gesundheit

Ob Corona oder Grippe – 9 von 10 gehen krank arbeiten 

Eine neue AK-Studie zeigt: 50% werden im Krankenstand vom Vorgesetzten kontaktiert. Vor allem im Handel und Gastgewerbe gehen Kranke dennoch arbeiten.

Sabine Primes
Insgesamt lässt die Befragung den Schluss zu, dass viele Arbeitnehmer den reibungslosen Ablauf im Betrieb und ihre Jobsicherheit über ihre Gesundheit stellen.
Insgesamt lässt die Befragung den Schluss zu, dass viele Arbeitnehmer den reibungslosen Ablauf im Betrieb und ihre Jobsicherheit über ihre Gesundheit stellen.
Getty Images/iStockphoto

Wir befinden uns mitten in einer großen Pensionswelle. Die so genannten "Babyboomer" gehen in den nächsten Jahren in den Ruhestand. Also all jene, die von Mitte der 1950er bis Ende der 1960er Jahre geboren wurden. Hinzu kommen rückläufige Geburtenzahlen heutzutage.

Das sorgt für eine angespannte Lage in vielen Unternehmen. Etwa bei den Wiener Linien. Dort fehlen derzeit knapp 1.000 Mitarbeiter. Um den Fahrplan in den nächsten Wochen und Monaten zu stabilisieren, ist eine Ausdehnung der Intervalle notwendig. Auch die ÖBB suchen händeringend nach Personal, um eine solche Situation zu vermeiden. Bis 2027 wird dort rund ein Fünftel der Belegschaft in Pension gehen.

Krank in die Arbeit – das sind die Gründe

Die derzeitige Grippewelle und Corona machen die Situation nicht einfacher. 9 von 10 Arbeitnehmer gehen trotz Erkrankung arbeiten. Die Gründe sind vielfältig: Druck des Arbeitgebers, eine fehlende Vertretung und eine Loyalität den Arbeitskollegen gegenüber. Letzterer ist der häufigste Grund, warum Arbeitnehmer sich nicht die Zeit nehmen, zu kurieren. Die Angst den Arbeitsplatz zu verlieren, steht über allem. Im Schnitt wurde jeder Zwölfte wurde schon einmal während eines Krankenstandes gekündigt. Im Hotel und Gastgewerbe ist es jeder Siebte. Das geht aus einer Studie der Arbeiterkammer Wien unter 6.506 Arbeitnehmern im Oktober 2022 hervor.

"Gehen Sie mit Husten, Schnupfen oder Halsweh in die Arbeit?" Auf diese Frage antworteten im Oktober 2022 50 Prozent mit Ja. 40 Prozent ebenfalls mit Ja, wenn der Corona-Test negativ ist. Nur 10 Prozent bleiben zu Hause. Interessant ist hier der Unterschied zwischen Arbeitern und Angestellten: 64 Prozent der Arbeiter gehen erkältet in die Arbeit, bei den Angstellten sind es 40 Prozent. Vor allem im Gastgewerbe sowie im Handel gehen kranke Menschen trotzdem arbeiten.

Die Hälfte der Befragten wird im Krankenstand von Vorgesetzten kontaktiert. Häufig, um zu erfahren, wie lange der Krankenstand noch dauern wird oder um arbeitsrelevante Fragen zu beantworten. Etwa jeder Sechste berichtet, dass Vorgesetzte den Grund für den Krankenstand wissen wollten (obwohl arbeitsrechtlich verboten!), fünf Prozent wurden sogar dazu aufgefordert, entweder im Home-Office tätig zu sein oder in die Arbeit zu kommen. Frauen werden häufiger nach der Dauer des Krankenstandes gefragt (39 Prozent) als Männer (33 Prozent).

Arbeitgeber in der Verantwortung

Dabei läge es in der Verantwortung der Unternehmen, dafür zu sorgen, dass der Betrieb trotz Krankenständen weiterläuft. Die AK sieht hier die Unternehmen gefordert, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass kranke Arbeitnehmer in Ruhe gesund werden können. Denn Fakt ist: Der Körper braucht Zeit und Ruhe, eine Infektion auszukurieren. Wer trotz Erkrankung arbeiten geht, schadet nicht nur sich selbst, sondern möglicherweise auch den Kollegen, indem man sie ansteckt. Außerdem ist man schlicht nicht in der Lage, die volle Leistung zu erbringen. Das gilt insbesondere für körperlich anstrengende Tätigkeiten wie etwa die Arbeit am Bau. Am besten bespricht man sich im Krankheitsfall mit dem Arzt. Der kann beurteilen, ob man arbeitsfähig ist oder nicht.

Krankenstände gehörten zu den Dauerbrennern in der Beratung der AK, so Ludwig Dvorak vom AK-Rechtsschutz. Alleine 2022 habe die Arbeitsrechtsabteilung der AK Wien 635 Beratungen zu den Themen Krankenstand und Entgeltfortzahlung durchgeführt. Oft würden richtige Informationen über Rechte und Pflichten im Krankenstand fehlen, insbesondere bei Unternehmen ohne Betriebsrat.

Das fordert die AK

Die AK will daher gesetzliche Regelungen, um Arbeitnehmern im Krankenstand abzusichern. Sie sollten sich nicht gezwungen fühlen, krank arbeiten zu gehen. Daher fordert die AK

• einen Kündigungsschutz im Krankenstand (Kündigung im Krankenstand soll als verbotenes Motiv angefochten werden können)
• eine gesetzliche Regelung, wonach Zeitausgleich während eines Krankenstandes nicht konsumiert werden kann (analog zum Urlaub)
• Homeoffice darf von Arbeitgebern nicht dafür missbraucht werden, ihre Beschäftigten anzuweisen, von daheim aus krank zu arbeiten.