Gesundheit
Wichtiges Antibiotikum jetzt überall aus
Vier Apotheken musste die Wienerin Karin S. aufsuchen, bis sie endlich das Antibiotikum für ihre kleine Tochter bekam.
Neben der Inflation, die die Preis in die Höhe schießen lässt, müssen Konsumenten dieser Tage auch mit Medikamentenengpässen rechnen. Laut der Österreichischen Apothekerkammer waren im Jahr 2020 zwischenzeitlich mehr als doppelt so viele Medikamente nicht lieferbar, damals hat jedoch die Corona-Pandemie die Schlagzeilen dominiert. Nach zwei Jahren mit umfassenden Hygienemaßnahmen und wenigen Kontakten werden derzeit Erkältungen und andere Infekte "nachgeholt" – vor allem bei Kindern. Dies führt zu einem erhöhten Bedarf an Medikamenten, die in den letzten beiden Jahren weniger gefragt waren. Aktuell sind in Österreich 588 Präparate knapp beziehungsweise gar nicht erhältlich. Davon vermehrt Medikamente, die gegen Atemwegserkrankungen und andere Infekte eingesetzt werden, häufig verwendete Antibiotika wie Amoxicillin.
Davon betroffen ist auch das Breitbandantibiotikum Xiclav, das vorrangig bei Mittelohrentzündungen und Infektionen der Nasennebenhöhlen, Atemwegsinfektionen und Harnwegsinfektionen verschrieben wird. Wenn man Glück hat, kann man noch Restbestände in der Apotheke ergattern. Karin S. aus Wien ist dies nicht gelungen. Vier Apotheken musste sie aufsuchen und auch in letzterer war die Arznei als Trockensaft nicht erhältlich. "Zum Glück konnte man das Antibiotikum dort aber selbst mischen", ist die Mutter ein kleinen Tochter erleichtert.
Wie kommt es zu einem Medikamentenengpass?
Medikamentenengpässe sind kein Österreich-spezifisches Problem, sondern eines, das die ganze Welt betrifft, informiert die Apothekerkammer auf ihrer Homepage. Einer der Gründe ist die Auslagerung der Produktion nach China und Indien. Da die Arzneimittelwirkstoffe aus Kostengründen zunehmend dort hergestellt werden, besteht die Gefahr, dass die verhängten Sperren und Reisebeschränkungen Auswirkungen auf die Produktion und Lieferung von Wirkstoffen und damit auf die Verfügbarkeit von Arzneimitteln für den globalen Markt haben. "Diese Auslagerung fällt Europa auf den Kopf", meint Wolfgang Müller von der Österreichischen Apothekerkammer gegenüber "Heute" .
Das zweite Problem ist der Zusammenschluss von Pharmaunternehmen. Dadurch werden gewisse Wirkstoffe zunehmend nur mehr von einem Unternehmen hergestellt und das oft auch nur mehr an einem einzigen Ort. Fällt dort die Produktion aus, fehlt das entsprechende Arzneimittel auf dem gesamten Weltmarkt. In diesem Fall muss, soweit möglich, auf ein wirkstoffalternatives Ersatzpräparat ausgewichen werden.
"Weit über 90 Prozent der Medikamente werden aus Asien importiert, ein verschwindend kleiner Anteil in Europa oder Österreich. Daher befinden wir uns in einer großen Abhängigkeit, die nur auf politischer Ebene gelöst werden kann", hält Windischgruber fest. "Solange sich an dieser Situation nichts ändert, werden die Lieferengpässe bestehen bleiben – mal besser mal schlechter."
Lieferengpässe nichts Neues
Lieferengpässe von Medikamenten seien auch nichts Neues. Die habe es immer schon gegeben. Da hätten jetzt nicht zwingend die Pandemie oder der Ukraine-Krieg etwas damit zu tun. "Bei 19 Prozent der Medikamente gibt es immer irgendwelche Lieferschwierigkeiten, die der Patient nicht unbedingt immer spürt", erklärt Andreas Windischbauer, Präsident des Verbandes der Österreichischen Arzneimittel-Vollgroßhändler ("Phago").