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KZ-Überlebende musste Hitler-Rede in ÖBB-Zug mithören

Wiens Gemeinderabbiner musste die in einem Railjet abgespielte Hitler-Rede mit anhören. Auch eine KZ-Überlebende soll an Board gewesen sein.

Verstörende Szenen spielten sich in einem Railjet kurz vor Wien ab. Der Wiener Rabbiner Schlomo Hofmeister war ebenfalls im Zug.
Verstörende Szenen spielten sich in einem Railjet kurz vor Wien ab. Der Wiener Rabbiner Schlomo Hofmeister war ebenfalls im Zug.
ÖBB/Harald Eisenberger, privat

"Unsere Familien wurden damals durch die Nazis fast komplett ausradiert." Diese traumatischen Erinnerungen wurden Daniel, einem Freund und dessen 91-jähriger Großmutter Sonntagabend in einem Zug nach Wien wieder auf schockierende Weise ins Gedächtnis gerufen, erzählt er im "Heute"-Talk. Gegen 21.30 Uhr schallte es plötzlich Hitler-Reden und laute "Sieg Heil"-Rufe aus den Lautsprechern durch die Waggons.

Hitler-Rede im Zug nach Wien – Fahrgäste völlig verstört >>

Wiens Rabbiner an Bord

Mit an Bord war auch Wiens Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister. "Kurz nach St. Pölten kam die erste Durchsage, die aber noch recht ordentlich klang. Nach einer Pause folgten Geräusche und Gelächter – es wurde immer absurder. Bis dann schließlich eine Hitler-Rede zu hören war, die dauerte etwa 15 Sekunden", erzählt er im "Heute"-Gespräch weiter. "Es war sehr verstörend für die meisten Gäste im Zug. Manche haben auch aus Verlegenheit gelacht."

Neben dem Straftatbestand der Wiederbetätigung ist für den Rabbiner jedoch ein anderer Aspekt problematisch: "Wir sehen, wie verletzlich wir sind. Hätte jemand einen seriösen Text gesprochen, hätte Panik ausbrechen können." Besonders ärgerlich empfand Hofmeister auch, dass es seitens der verantwortlichen Mitarbeiter im Zug keine Erklärungen, Beruhigungen oder Entschuldigungen gab.

KZ-Überlebende in Tränen

Das kritisiert auch Daniel gegenüber "Heute". Die Oma seines Freundes ist KZ-Überlebende, sie und ihre Familie gehören zu den wenigen mutigen Juden, die sich nach dem Holocaust zurück nach Österreich trauten. "Sie weint noch immer die ganze Zeit und es ist so als ob ihre schlechten Erinnerungen und Erlebnisse von damals jetzt durch diesen traurigen, erbärmlichen Vorfall im ÖBB-Railjet wachgerüttelt wurden."

Beinahe täglich werde man in Österreich an die grausame Vergangenheit erinnert – eine Schilderung, die auch der just am Montag präsentierte Antisemitismusbericht der Israelitischen Kultusgemeinde unterstreicht. 2022 gab es demnach 719 judenfeindliche Vorfälle, also fast genau zwei pro Tag.

Der Vorfall im Video:

Klimatickets zurückgegeben

Für Reisen wie solche am Wochenende zu einem Geburtstagstreffen mit Freunden in Oberösterreich werden die Wiener, die im 2. Bezirk wohnen, in Zukunft allerdings wohl auf andere Verkehrsmittel zurückgreifen. "Wir werden die Railjets in Zukunft meiden und heute geben wir unsere Klimatickets zurück."

Offenbar nicht vorhandene Not-Aus-Systeme der Tonanlage dort würden es nicht unmöglich machen, dass so etwas wieder passiert. "Man kann aus einem fahrenden Zug schlecht aussteigen und was müssen die Passagiere machen? Sich die Ohren selbst mit den Händen abdecken und etwas singen, damit man den Wahnsinnigen nicht hören kann?", fragt Daniel.

Selbst die Schaffnerin wusste offenbar nicht mehr weiter. Der grüne Nationalratsabgeordnete David Stögmüller, der den Vorfall öffentlich machte, erzählte gegenüber "Heute", dass selbst das Ziehen der Sicherungen und das Betätigen der Durchsage-Taste die Hitler-Rede nicht unterbrechen konnte. "Es war sehr verstörend. Die Zugbegleiterin hat geweint, sie wusste nicht mehr weiter", so der Politiker.

Tatverdächtige ausgeforscht

Diese "Wahnsinnigen" dürften die ÖBB mittlerweile immerhin ausgeforscht haben. Zwei Jugendliche wurden "Heute"-Infos zufolge via Videoaufzeichnung identifiziert und bei der LPD NÖ zur Anzeige gebracht. Die Tatverdächtigen dürften direkt im Zug die Sprechstellen gekapert haben – mit einem speziellen Schlüssel, den eigentlich nur Bahn-Mitarbeiter haben sollten.

Zudem hat der Landesverfassungsschutz Niederösterreich Ermittlungen übergenommen. Nach dem Verbotsgesetz drohen zwischen einem und bis zu zehn Jahre Haft.

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