Falsche Messung
500.000 Autofahrer kassierten zu Unrecht Radar-Strafen
Auf der A2 wurde nach der einen Verordnung gemessen, nach einer anderen gestraft. Millionen Euro an Strafen könnten deswegen illegal sein.
Jeder einzelne Autofahrer, der auf der A2 (Südautobahn) über den Wechsel fährt, wird von der Section Control kontrolliert. Wer über 100 km/h fährt, bekommt eine Strafe nach Hause geschickt – so passierte es im Februar 2023 auch dem Grazer Anwalt Christoph Rappold. Einige Wochen später wurde er von der Anonymverfügung überrascht, erzählt er in der ORF-Sendung "Bürgeranwalt".
Er war mit durchschnittlich 111 km/h unterwegs und sollte deswegen 45 Euro zahlen. Weil er nicht zahlte, folgte eine Strafverfügung in Höhe von 50 Euro, gegen die der Jurist nun Einspruch einlegen konnte. Bei der folgenden Recherche stellte sich zu seinem Überraschen heraus, dass er auf Grundlage einer Verordnung aus 2020 bestraft wurde, die Messstrecke sich aber auf eine andere Verordnung aus 2015 bezieht – ein klarer Widerspruch.
Oder einfach gesagt: "Ich wurde nach der einen Verordnung gemessen, nach der anderen Verordnung bestraft", so der Anwalt im ORF.
Aufhebung vergessen
Die ASFINAG bestätigt sogar: "Der Messstreckenabschnitt der stationären Anlage wurde seit 2015 nicht verändert, es gab nur zwischen 2018 und 2020 am Wechsel eine Generalsanierung und in diesem Baustellenbereich eine mobile Anlage. Währenddessen war die stationäre Anlage außer Betrieb."
Die strafende Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen blieb von dieser Begründung völlig kalt und erließ kommentarlos eine Straferkenntnis. In einer Stellungnahme sah man sich von der Rechtsansicht des Verkehrsministeriums gedeckt. Die Verordnung aus 2020 habe es nur wegen der Baustelle gegeben. Offenbar wurde einfach vergessen, sie wieder aufzuheben.
Vier Millionen Euro an Strafen
Das Landesverwaltungsgericht musste der Beschwerde Rappolds hingegen stattgeben. Sein Strafverfahren wurde eingestellt. Und wie seine Berechnungen ergeben haben, müsste das für alle seit 2020 ausgestellten Strafen passieren. Über vier Millionen Euro sollen diese ausmachen.
Laut der BH Neunkirchen waren es sogar 500.000 Strafverfahren, die seit 2020 auf Basis der Section Control am Wechsel geführt wurden. Kurios: 36-mal wurde dagegen Einspruch eingelegt, doch 35-mal entschied das Landesverwaltungsgericht zugunsten der BH. Wer eine Anonymverfügung bereits bezahlt hat, fällt aber ohnehin um sämtliche Ansprüche um. Bei laufenden Verfahren müsse man sich die Strafen im Einzelfall ansehen, so der Anwalt.
"Darf nicht sein"
Herbe Kritik kommt im "Bürgeranwalt"-Studio auch vom ÖAMTC-Juristen Matthias Wolf. "So ein Fehler kann nicht sein und darf nicht sein." Laut Rechtsanwalt Rappold habe einerseits das Ministerium die Aufhebung übersehen, aber insbesondere der belangenden Behörde müsse so etwas auffallen.
Das Verkehrsministerium wiederum sieht "keinen unlösbaren Widerspruch". Beide Verordnungen könnten nebeneinander existieren. Dem halten die Juristen den Grundsatz entgegen, den man schon in der ersten Vorlesung lerne: Nur die aktuellste solle angewendet werden.
Gibt es aber noch Hoffnung für A2-Leidensgenossen? Wer wirklich eine Strafverfügung oder Straferkenntnis in diesem Bereich bekommen hat, sollte bei der Behörde eine Wiederaufnahme des Verfahrens anstrengen, rät ÖAMTC-Jurist Wolf. Abschließend sollte aber auch erwähnt sein: Seit der Einführung von Tempo 100 an diesem Streckenabschnitt sei die Zahl der Unfälle um zwei Drittel zurückgegangen, so die BH Neunkirchen.
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Auf den Punkt gebracht
- Ein Grazer Anwalt entdeckte, dass er auf der A2 aufgrund einer veralteten Verordnung bestraft wurde, was möglicherweise 500.000 Autofahrer betrifft.
- Trotz der Bestätigung des Fehlers durch das Landesverwaltungsgericht und der Kritik von Juristen, sieht das Verkehrsministerium keinen Widerspruch, während Betroffene eine Wiederaufnahme ihrer Verfahren anstreben sollten.