Politik
Kurz, Blümel, "Altlast" – Filzmaier schonungslos im ORF
Star-Politologe sorgt mit seiner schonungslosen Analyse des ÖVP-Politbebens in der ORF-ZIB2 bei Lou Lorenz-Dittlbacher für Aufsehen.
Sebastian Kurz und Intimus Gernot Blümel treten von allen politischen Ämtern zurück. Auch Neo-Kanzler Alexander Schallenberg will nach nicht einmal zwei Monaten nun seinen Sessel am Ballhausplatz räumen. Das türkise Regierungsteam ist in seinen Grundfesten erschüttert, zerbröselt nun gar die Koalition?
In einer verlängerten ZIB2 ziehen die ehemalige ÖVP-Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat und Politologe Peter Filzmaier im Gespräch mit ORF-Star Lou Lorenz-Dittlbacher Bilanz über den Aufstieg und Fall von Sebastian Kurz und analysieren, wie es nun weitergehen könnte.
"Der Erklärung, die Sebastian Kurz heute abgegeben hat, war beeindruckend. Ich glaube sie war zum richtigen Zeitpunkt und sie war ehrlich. Das muss ihm erst einmal jemand nachmachen. Das ist eine enorme, auch psychische Leistung gewesen", beginnt Maria Rauch-Kallat das Interview mit einem flammenden Bekenntnis. Sie sieht weiterhin das Positive an Sebastian Kurz' Wirken, hält seinen Rücktritt aber für richtig.
"Er hat einfach auch erkannt, dass diese Untersuchungen Jahre dauern können, dass er wahrscheinlich das sich selbst und seiner Familien nicht antun wollte. Man sollte immer mit bedenken, was das für persönliche Auswirkungen für einen Politiker hat. Also hat er diesen Schritt gesetzt und das war auch gut so."
"Vielleicht ist er auch über sich selbst gestolpert, ich traue mich das aber nicht zu beurteilen", kommentiert die frühere Gesundheits- und Frauenministerin die Aussagen ihres früheren Parteichefs Reinhold Mitterlehner. Dieser habe aber auch persönliche Differenzen mit Kurz, merkt Rauch-Kallat an.
Wer bestimmt denn jetzt in der ÖVP?
"Ich glaube, man muss wissen, dass ein Parteiobmann nur so lange Macht hat, wie er erfolgreich ist. Das zeigt sich auch jetzt, wo die Umfragen nach unten gegangen sind. Sie haben diese Macht und Einheit in der Partei nur, wenn sie mit allen Gespräche halten. Man ist immer unterwegs und spricht mit allen", schildert die VP-Insiderin. Das sei sowohl in der Ära Schüssel so gewesen, als auch unter Kurz.
Es sei aber auch mittlerweile eine neue Generation am Werke. "Aus dem Schwarz das Türkis, das war vielleicht ein Symbol, aber die Farbe war nicht das Entscheidende". Kurz habe aber viele Veränderungen durchgebracht, "und ich hoffe, dass diese bleiben", sagt Rauch-Kallat abschließend. Für den Fortbestand und den Erfolg der Volkspartei sei das immens wichtig.
Salami-Taktik und Hemmschuh
"Mit dem Wissen von heute zeigt sich, die Salami-Taktik eines Rückzugs, den man als Seitentritt tarnt, ist keine gute Idee", analysierte Polit-Experte Filzmaier gewohnt schonungslos im Anschluss. Den Rücktritt von Kurz-Intimus Gernot Blümel sieht er als einzige "logische Folge". "Wenn die ÖVP wirklich einen Neustart versucht, dann ist das ohne Blümel leichter als mit."
Vor allem die Ermittlungen in diversen Causen stünden einer weiteren Politkarriere im Wege. "Diese Altlast will man wohl nicht haben in der ÖVP, so wie auch Sebastian Kurz mehr zum Hemmschuh als Glücksbringer geworden ist".
Kann Nehammer Kanzler?
Personell brauche es nun zahlreiche Veränderungen, wahrscheinlich "Dutzende, wenn nicht hunderte von Mitarbeitern in Ministerbüros", so Filzmaier weiter. Schallenbergs Rücktritt sei ebenfalls nicht überraschend, denn dieser sei erst kürzlich der ÖVP beigetreten und sei zu wenig intern vernetzt, um auch den Parteichef zu machen. Zwei oder mit Nehammer womöglich drei Machtzentren könne sich die Partei nicht leisten.
Der derzeitige Innenminister sei hingegen sehr gut vernetzt, dieser müsse aber nun aufpassen, dass es nicht heiße, er werde "Marionettenkanzler". Was sich Nehammer an Hand seines Lebenslauf aber auch gefallen lassen müsse: "Ist er ein typischer Erster, oder nicht der klassische typische Zweiter." Letzteres sei für den Kanzlerposten suboptimal.
Neuwahlen unwahrscheinlich
An Neuwahlen glaubt Filzmaier nicht: "Warum sollten ÖVP und Grüne Neuwahlen zustimmen?" Türkis würde direkt abstürzen und die Grünen seien in der stärksten Position, die eine 14-Prozent-Partei je in der Regierung haben könne. Noch schlimmer: es würde ein Wahlkampf rund um das Thema Impfpflicht werden, bei dem auch die neue Partei MFG antreten würde.