Politik
Will die Regierung, dass wir bald NUR noch ORF sehen?
Stellen wir uns einmal vor, es gäbe nur noch ein Nachrichtenmedium in Österreich – den ORF. Unvorstellbar? Für uns auch. Ein "Heute"-Kommentar.
Ganz so weltfremd ist der Gedanke für unsere Bundesregierung leider nicht. Sie ist mit ihrer ORF-Digitalnovelle derzeit drauf und dran, ein staatliches News-Monopol zu erschaffen. Dafür wird reichlich Geld zur Verfügung stehen: Der von der Politik angekündigte "ORF-Rabatt" spült dem öffentlich-rechtlichen Sender ab 2024 mehr als eine Milliarde Euro (Programmentgelt, Sonder-Zuschuss der Regierung, Werbeeinnahmen) Budget in die Kassa.
Jeder Haushalt in Österreich muss verpflichtend 15,30 Euro jeden Monat – also 184 Euro im Jahr – beitragen.
Zugeständnis: Die Luxussaläre, die sich die Küniglberg-Granden damit ausbezahlen können, während die teuerungsgeplagten Österreicher bitter sparen müssen, werden künftig einmal jährlich veröffentlicht. Gehälter unter 12.000 Euro bleiben anonym – Papier ist bekanntlich geduldig.
Wer nicht zahlt, zahlt noch mehr
Eine Charaktereigenschaft, die die Österreicher beim Thema ORF zunehmend verlieren, wovon Tausende Kommentare und Leserbriefe zeugen. Netflix kostet 12,99 Euro im Monat, Spotify 9,99 Euro, Amazon Prime 8,99 Euro. Wem das dafür gebotene Angebot nicht mehr zusagt, kann es innerhalb weniger Sekunden abbestellen. Genauso, wie es in einer freien Gesellschaft möglich sein müsste, den ORF nicht konsumieren und auch nicht bezahlen zu müssen. Wenn wir es aber wagen, die ORF-Gebühr nicht zu entrichten, will uns die Regierung mit einer Geldstrafe von 2.180 Euro belegen oder im äußersten Fall sogar einsperren.
Fast alle Freiheiten gibt es hingegen für den ORF, der im Zukunftsmarkt schlechthin ein Online-Eldorado bekommt. Neben 50 News-, 50 Sport- und 102 Bundesländermeldungen darf der ORF bald jeden Tag 167 Videos mit Teasertexten veröffentlichen – und diese sogar eigens für das Internet produzieren.
Kein Werbeverbot für ORF.at
Warmer Geldregen für ORF. Besonders bitter: Mit der auf diesem Wege erzielten Rekord-Reichweite kassiert orf.at auch noch das meiste Online-Werbegeld ein. Das gibt es weder in der Schweiz noch in Deutschland. Aus gutem Grund: Privaten Medienangeboten, die nicht mit dieser Doppelfinanzierung gedopt sind, geht im ungleichen Wettkampf mit dem ORF zusehends die Luft aus. In mehreren Häusern haben verdiente Kolleginnen und Kollegen bereits den Job verloren. Weitere werden folgen.
Keine Entpolitisierung angedacht
Warum aber nehmen ÖVP und Grüne (Motto: Hauptsache ein starker ORF) dieses Mediensterben in Kauf? Ganz einfach: Weil sie es sich am Küniglberg bequem gemacht haben. Die oben skizzierte Raab-Reform bringt vieles, aber natürlich nicht die dringend nötige Entpolitisierung. Klar, ein ÖVP-Parteifreund von Raab sitzt jetzt am ORF-Chefsessel. Und die Grünen haben Alexander Van der Bellens ehemaligen Wahlkampfleiter als Stiftungsrats-Vorsitzenden untergebracht.
Von den Grünen war von vornherein wenig zu erwarten. Für sie gibt es Medien erster und zweiter Klasse. Alles, was nicht ihrer Gesinnung und Weltsicht entspricht, zählt bestenfalls in die zweite Kategorie. Die grüne Mediensprecherin Eva Blimlinger – immerhin Historikerin – wurde vergangene Woche mit einem skurrilen Nazi-Vergleich im Parlament auffällig. Im ORF hat man darüber ebenso wenig gehört, wie vom grünen Sozialminister, der in politischer Pseudo-Korrektheit von "schwangeren Personen" schwadroniert oder von unserem Kanzler, der um Zehntausende Euro Steuergeld im Privatjet nach Afrika fliegt und dort eine Hundeschule besichtigt.
Für die Österreicherinnen und Österreicher wäre es bitter, wenn sie nicht mehr die Freiheit bekämen, einen breiten Mix an Storys zu lesen. Genau das droht aber bei einem staatlichen News-Monopol.
Herr Kanzler, bitte gehen Sie noch einmal in sich. Eine starke Demokratie braucht eine große Vielfalt an Medien und Meinungen – und Regierende, die sie aushalten.