Sprachprobleme bei Kleinsten

Kiga-Pädagogin: "Unterhalten uns mit Händen und Füßen"

Nur 4 von 58 Kindern in einem Wiener Kindergarten sprechen Deutsch als Erstsprache. Pädagogin berichtet von Sprachbarrieren und fehlender Förderung.
Christoph Weichsler
25.03.2025, 07:00

Wenn Kinder zum ersten Mal in Tanja M.'s Gruppe kommen, beginnt für viele die Eingewöhnung mit einer großen Hürde: der Sprache. "Viele verstehen am Anfang kein einziges Wort Deutsch", erzählt die Kindergartenpädagogin aus Wien-Ottakring. Von 65 Plätzen sind aktuell 58 belegt – aber nur vier Kinder haben Deutsch als Erstsprache.

"Wir unterhalten uns teilweise mit Händen und Füßen", erzählt sie. Zu Hause werde ausschließlich in der Muttersprache gesprochen, für viele sei der erste Tag im Kindergarten gleichzeitig der Erstkontakt mit Deutsch. "Die Eingewöhnung dauert dadurch länger, gerade am Anfang ist die Sprachbarriere groß", so die erfahrene Pädagogin. Kommunikation funktioniere oft nur nonverbal – mit Bildkarten, Zeigen, Gestik.

Sprachförderung fehlt – zu wenig Unterstützung

Ob ein Kind Sprachförderung braucht, müsse festgestellt werden – aber dafür fehlt oft die Zeit und das Personal. "Es gibt zu wenige Sprachförderkräfte. Ich bekomme keine Unterstützung, obwohl wir sie bräuchten", beschwert sich die Pädagogin. Besonders schwierig sei es, wenn Kinder aus verschiedenen Sprachräumen in einer Gruppe sind.

"Wir können nicht 25 Kinder mit neun verschiedenen Muttersprachen gleich fördern!" Zwar werde viel mit Liedern, Büchern oder Sprachspielen gearbeitet – aber das funktioniere nur in Kleingruppen. In der Gesamtgruppe sei eine gezielte Förderung kaum möglich.

Auch mit Eltern ist Kommunikation schwierig

Auch das Gespräch mit den Eltern ist durch Sprachprobleme oft eingeschränkt. "Wenn Eltern selbst kaum Deutsch sprechen, ist auch die Kommunikation mit ihnen nur bedingt möglich", schildert die Pädagogin. Gerade bei Entwicklungsgesprächen oder bei der Sprachstandserhebung sei das ein großes Thema.

Dabei wäre der Austausch mit Eltern wichtig, um Förderbedarf zu erkennen und Kinder gezielt zu unterstützen. "Wir brauchen Assistenzkräfte, die auch sprachlich gut ausgebildet sind", betont sie. Aktuell reiche das Sprachniveau im Team oft nicht aus, um alle Herausforderungen im Alltag aufzufangen.

Schlechte Bedingungen erschweren die Arbeit

Neben der Sprachproblematik nennt Tanja M. auch die Rahmenbedingungen als große Belastung. "Unsere Räume sind zu klein, der Lärmpegel ist hoch – das ist eine tägliche Herausforderung", sagt sie. Dazu kommt die Bezahlung: Für Assistenzkräfte gebe es nicht einmal 1.800 Euro brutto bei einer 40-Stunden-Woche.

Viele Kolleginnen denken ans Aufhören – oder wechseln in andere Bereiche. "Meine Kollegin geht im Sommer in die Pflege – die Bedingungen dort sind zwar auch nicht gut, aber besser als bei uns", erzählt sie. Auch deshalb fordert die Pädagogin kleinere Gruppen mit maximal 20 Kindern sowie mehr Vorbereitungszeit.

"Grundkompetenzen müssen gestärkt werden"

Im Kindergartenalltag sei nicht nur Sprache ein Thema, auch andere Entwicklungsbereiche seien betroffen. "Wir brauchen gezielte Förderung in Sprache, Motorik und Wahrnehmung – also den Grundkompetenzen", so Tanja M. Aktuell bleibe dafür im Tagesablauf oft zu wenig Zeit.

"Wenn wir gezielt fördern wollen, brauchen wir Rückzugsmöglichkeiten und mehr Personal", betont sie. Viele Kinder bringen große Unterschiede im Entwicklungsstand mit – das könne man nicht in der großen Gruppe auffangen. Auch darum seien Sprachförderkräfte dringend notwendig.

Glattauer: Sprachdefizite bleiben oft bestehen

Ergänzt wird ihre Schilderung durch einen Bericht, den Autor Niki Glattauer in seiner "Heute"-Kolumne kürzlich thematisierte. Er zitiert aus einer Studie der Pädagogischen Hochschulen Tirol und Oberösterreich, die 141 Kindergärten mit mehrheitlich nicht-deutschsprachigen Kindern untersucht hat. Deren Fazit: In vielen Einrichtungen ist es nicht mehr möglich, Kompetenzdefizite bei Sprache, Kognition oder Sozialverhalten zu verringern.

In dem Bericht sprechen die befragten Leiterinnen und Leiter offen über ihre Grenzen. Aussagen wie "Unser Ziel ist schon lange nicht mehr die Schulreife" oder "Deutschsprachige Kinder werden in ihrer Förderung ausgebremst" zeigen, wie ernst die Lage ist. Glattauer kommentiert: "Den Satz musste ich zweimal lesen, bevor es mir die Sprache verschlug."

ÖVP fordert Reform bei Deutschförderung

Auch die Wiener ÖVP sieht dringenden Handlungsbedarf. "Die Sprachförderung in Wiens Kindergärten versagt. Die Hälfte der Schulanfänger versteht nicht einmal den Lehrer, obwohl fast alle davor im Kindergarten waren", heißt es von ÖVP-Bildungssprecher Harald Zierfuß. Gefordert wird eine grundlegende Reform.

Konkret schlägt die ÖVP vor, die Deutschförderung neu aufzustellen und ein zusätzliches verpflichtendes Kindergartenjahr für Kinder ohne ausreichende Deutschkenntnisse einzuführen. Für Tanja M. wäre das ein wichtiger Schritt – aber nicht der einzige: "Auch die Arbeitsbedingungen müssen sich verbessern. Sonst verlieren wir noch mehr Personal."

{title && {title} } CW, {title && {title} } Akt. 25.03.2025, 07:28, 25.03.2025, 07:00
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