Norbert Totschnig
"Katze im Sack"! Minister zerreißt Renaturierungsgesetz
Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig will das Renaturierungsgesetz verhindern. Er bezeichnet die EU-Vorlage im ORF als "Katze im Sack".
"Schweine leiden! Totschnig lügt!" Mit diesem Kampfplakat machte der Verein gegen Tierfabriken am Donnerstag vor dem Haupteingang des Landwirtschaftsministeriums gegen Vollspaltenböden mobil.
Mit Schweinemasken im Gesicht und mit Fahrradschlössern am Hals zusammengekettet, fordern sie ein Gespräch mit dem Minister. Stattdessen kam die Polizei mit der Flex, nahm 14 Personen fest – "Heute" berichtete.
Norbert Totschnig selbst ließ sich beim Schweine-Protest nicht blicken. Wo er sich aber zeigte, war an der Seite von Bundeskanzler Karl Nehammer (beide ÖVP), um gegen das kritische EU-Renaturierungsgesetz zu wettern. Der Regierungschef nannte dieses ein "dramatisches Beispiel für den Überregulierungswahn in Brüssel", obwohl die Art der Umsetzung ohnehin bei den jeweiligen Staaten liegt. Währenddessen erklärte der Landwirtschaftsminister, dass auch sein Ressort davon betroffen sei und er nicht zustimmen könne.
Länder-Fesseln für Gewessler
Damit zementiert das türkise Duo die Zeichen auf heftigen Koalitionskrach, sollte es zu einem möglichen Alleingans von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) kommen. Diese ist als Vertreterin Österreichs im zuständigen EU-Ministerrat nämlich aktuell noch verpflichtet, sich wegen des bislang einstimmigen Bundesländer-Vetos zu enthalten, was wie ein Nein zählt.
Doch die geschlossene Front der Landeskaiser bröckelte zuletzt durch die Ankündigung von Michael Ludwig und Peter Kaiser (beide SPÖ), doch noch einmal über die Zustimmung diskutieren zu wollen. Die ÖVP blockiert aber weiterhin.
Donnerstagnacht preschte Landwirtschaftsminister Totschnig dann noch einmal vor, um seine Ablehnung des EU-Renaturierungsgesetzes in der reichweitenstarken ZIB2 mit Margit Laufer unters Volk zu bringen.
Das tat er mit rhetorischer Sicherheit, der die Moderatorin selbst mit pointierten Nachfragen wenig entgegenzusetzen hatte. Der zugrunde liegende Tenor: Österreich sei beim Umweltschutz ohnehin gut dabei, EU-weite Zielsetzungen wären daher für uns überflüssig.
VIDEO: Totschnig in der ZIB2
"Wenn Gesetze schon da sind, da noch zusätzlich was draufzulegen, das führt zu Überbürokratisierung", sagt er und argumentiert, dass das die einfachen Landwirte nur überfordern würde. Dazu liefert der Minister blumige Beispiele von Forstwirten, die quasi Insekten zählen müssten, um Brennholz verkaufen zu dürfen: "Des is a Wahnsinn an Bürokratie".
Die Option, dass eine Regierung solche Dopplungen ja auch beseitigen könnte, bleibt unerwähnt. Dafür gab es einen nichtssagenden Stehsatz: "Wir brauchen Naturschutz mit Augenmaß und Sachverstand".
"Katze im Sack"
Kurios wurde es, als der türkise Minister dann scharf kritisierte, dass im EU-Renaturierungsgesetz – das vor der Beschlussfassung unter anderem von der Europäischen Volkspartei massiv ausgehöhlt worden war – zu wenig konkreten Vorgaben für die einzelnen Nationalstaaten enthalten seien.
Zwar würde vorgegeben, dass bis 2030 20 Prozent der schützenswerten Lebensräumen wiederhergestellt werden sollen, aber nicht gesagt, wo diese denn seien. Für Totschnig ist das eine sprichwörtlich zu kaufende "Katze im Sack".
"Werden immer die zitiert, die sagen, das ist super"
Allerdings wäre genau das laut der EU-Vorlage eben wieder in der Hand und Aufgabe der einzelnen Mitgliedsstaaten, wo eine Regierung dies "mit Augenmaß und Sachverstand" gestalten könnte. Genau diesen Fahrplan könnte man ja ausarbeiten und den Bauern so klar zeigen, wohin die Reise geht. Das sagen auch viele Umweltschutzorganisationen.
Deren Kritik an der ÖVP-Blockade wischt der Minister ungehört vom Tisch: "Es werden immer Forscher zitiert, die sagen, das ist super. Das sind meistens Forscher, die aus der Ecke des Naturschutzes kommen. Ich, als Bundesminister für Land-, Forst-, Wasserwirtschaft, muss in die Breite blicken." Am Ende der Reihung macht er klar: Die Umwelt hat sich der Wirtschaft unterzuordnen.
Nicht zurückschauen
Ebenso kurios kritisierte Totschnig, dass das Renaturierungsgesetz "konservierender Naturschutz" sei. Man dürfe doch nicht angesichts des Klimawandels zurückblicken und versuchen, Verlorenes zurückzubringen: "Es verändert sich die Natur. Wir müssen auf die Zukunft schauen. Wir müssen klimafitte Wälder errichten. Wir müssen aktiv die Natur mitgestalten."
Mit dem Fokus auf einzelne heimische Spezies, die vielleicht bald mit der zunehmenden Hitze zu kämpfen haben werden, stellte der Minister aber einen eigentlich Kernpunkt der EU-Vorlage ins Abseits: Es geht darum, genügend Freiraum für die Natur zu schaffen, dass sie in ihrer Artenvielfalt insgesamt überleben kann.
Anreize statt Verbote
Totschnigs Standpunkt bleibt: "Wenn es schon funktioniert, warum es noch einmal regeln?" Er wolle einen Zugang, der mittels Anreize motiviert, "nicht Verbote und neue Bürokratie". Dazu zündete er noch die Nebelgranate der angeblich bedrohten Versorgungssicherheit, obwohl das Gesetz genau dagegen schon einen Absicherungsmechanismus eingebaut hat, der es im Notfall außer Kraft setzen würde.
Doch selbst, wenn die mehrheitlich ÖVP-geführten Bundesländer nun ihr Veto zurückziehen sollten, will er an seiner Blockade festhalten und sich Gewessler in den Weg stellen: "Dem, was [im Renaturierungsgesetz] drin steht, kann ich nicht zustimmen."