"Destruktive Kräfte"
Kanzler: Ja zu Regierung mit FPÖ, aber nur ohne Kickl
Eine künftige Regierung ohne ÖVP gilt als unwahrscheinlich – das weiß auch Karl Nehammer. In einem APA-Interview sprach er über mögliche Optionen.
Nix ist fix: Weniger als zwei Monate vor der Nationalratswahl rätselt das ganze Land, wie Polit-Österreich nach dem 29. September aussehen wird. Umfragen zufolge liegt die FPÖ in Führung, der Kampf um Platz 2 ist ausgeglichen. Was eine künftige Koalition angeht, ist die Lage deutlich unübersichtlicher: Während die FPÖ signalisiert, bei Platz 1 auf jeden Fall den Kanzler stellen zu wollen, würde für Grünen-Klubobfrau sogar eine "Loser-Koalition" infrage kommen.
"Wir wollen Erster werden"
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat mit seiner Partei nur ein Ziel bei der kommenden Wahl: "Wir wollen natürlich Erster werden", sagte er in einem Interview mit der APA. "Ich bewerbe mich auch wieder, den Auftrag zu erhalten, eine Regierung anzuführen", machte der Kanzler deutlich. Er wolle sich aber auf keine Zahl festlegen, es sei "nicht wirklich sinnvoll", Wahlergebnisse vergangener Jahre miteinander zu vergleichen. 2019 holte die ÖVP unter Sebastian Kurz 37,5 Prozent, aktuell liegt sie bei rund 23 Prozent.
Dass die FPÖ schon seit langen Monaten die Umfragen anführt, beeindruckt Nehammer nicht. Er erinnerte an den Ausgang der EU-Wahl im Juni, "die tatsächlich dann den Echtbeweis gebracht hat, wie viel Umfragen wert sind". Der Abstand zwischen den erstplatzierten Freiheitlichen und der ÖVP lag bei 0,8 Prozent, "uns wurde ein Abstand von zehn Prozent in manchen Umfragen vorausgesagt", sagte der Politiker.
Koalition mit FPÖ möglich, aber ohne Kickl
Dennoch wird die ÖVP – auch bei einem potenziellen Wahlsieg – einen Koalitionspartner brauchen. Mit welcher Partei er am liebsten koalieren würde, verriet der Kanzler nicht. Entscheidend sei, "wo gibt es konstruktive Kräfte innerhalb der politischen Parteien und wo die destruktiven", meinte er. Mit destruktiven Kräften könne man keine Regierung bilden.
Anders als die SPÖ schließt Nehammer eine Koalition mit der FPÖ nicht aus, er kenne "viele vernünftige Kräfte" in der Partei, mit denen er auch "guten Gesprächskontakt" pflege. Allerdings hätten diese derzeit wenig Möglichkeiten, "ihre Vorstellung der Politik zu leben". Diese liege am "sehr dominanten" Auftreten von FP-Chef Kickl, mit dem Nehammer keine Regierung bilden möchte, ließ er wissen.
ÖVP-SPÖ-NEOS "eine Option"
Berichte, die ÖVP habe bereits einen Pakt mit der SPÖ und den NEOS geschlossen, bezeichnete der Kanzler als gezielte "Desinformationskampagne". Grundsätzlich sei eine Zusammenarbeit mit beiden Parteien aber "eine Option", erklärte Nehammer. "Mein Angebot ist, die Politik der Vernunft, der Stabilität, der Mitte zu leben", so der Kanzler.
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- ÖVP-Kanzler Karl Nehammer macht der FPÖ ein Regierungsangebot, schließt aber eine Koalition mit Parteichef Kickl aus
- Er betont, dass die ÖVP eine Regierung mit konstruktiven Kräften bilden möchte und hält eine Zusammenarbeit mit SPÖ und NEOS für möglich, obwohl er Gerüchte darüber als Desinformationskampagne bezeichnet