Politik
Kanzler in der Türkei – Erdogan pfiff auf Hirscher-Ski
Kanzler Karl Nehammer besuchte Erdogan in seinem Palast. Beim Gastgeschenk interessierte sich der türkische Machthaber nicht für Marcel-Hirscher-Ski.
Präsident Erdogan hatte Kanzler Karl Nehammer vor seinem neuerbauten Protz-Palast in Ankara am Dienstagnachmittag den türkisen Teppich ausgerollt – wir berichteten. Mit viel Prunk, alt-osmanisch kostümierten Soldaten, berittenen Flaggenträgern und Salutschüssen, die über den riesigen Platz vor dem pompösen Prunkbau schallten, wurde erstmals seit Wolfgang Schüssel im Jahr 2001 ein österreichischer Regierungschef beim türkischen Präsidenten in Empfang genommen – damals war noch Erdogan-Vorgänger Ahmet Necdet Sezer im Amt.
Der "historische Besuch nach 22 Jahren" im zentralanatolischen Hochland, bei dem "Heute" den Kanzler begleitete, verlief nicht ganz ohne diplomatische Tiefschläge – zwar bezeichneten sich beide Regierungschefs bei der gemeinsamen Pressekonferenz als "geschätzte Freunde". Doch dann widersprach Nehammer Erdogan auf offener Bühne in Bezug auf Israel – mehr dazu hier.
E-Auto-Fahrt für den Kanzler
Und auch Details am Rande der erfolgreich absolvierten Kanzlerdienstreise entbehrten nicht jeder (Situations)komik: So wurde ausgerechnet Karl Nehammer – der selbsternannte Verteidiger der Verbrenner-Motoren – in Ankara in ein Elektrofahrzeug gesetzt. Der türkische Industrieminister Mehmet Fatih Kacir holte den "schwarzen" Kanzler höchstpersönlich im knallroten E-Mobil ab und drehte mit ihm stolz eine Spritztour.
Interessiert nahm Nehammer im ersten zu einhundert Prozent türkischem Fahrzeug, einem TOGG T10X, auf dem Beifahrersitz Platz. Das Auto wurde in der Industriestadt Bursa entwickelt und auch dort fabriziert, gilt als Meilenstein der Innovation und mittlerweile als Stolz der Nation. "Ein wunderbares Stück Technik", stieg Nehammer mit Lob nicht auf die Bremse.
Ordentlich aufs Gas drückte Erdogan bei der Inszenierung des extravaganten Empfangs in seinem 1001-Zimmer-Palast. Im Anschluss an Hymnen und das obligatorische Händeschütteln nahm Nehammer im wohl wichtigsten Innenraum des brachialen Prunkbaus neben dem türkischen Präsidenten platz – fast vier Stunden dauerte der Arbeitsbesuch vor Ort insgesamt an. Laut "Heute"-Infos gab es dabei ein eineinhalbstündiges Vieraugengespräch, das durchaus intensiv geführt wurde.
Zumindest in puncto Gastgeschenk fuhr Erdogans Entourage mit uns Schlitten – und zwar buchstäblich. Österreich hatte einen signierten Hirscher-Ski mitgebracht. Sportfan Erdogan griff jedoch zum ebenfalls angebotenen Rennschlitten unserer Olympia-Mannschaft.
Beim anschließenden Pressegespräch wurde dann aber kein Slalom um brenzlige Themen gefahren. In der Beurteilung der Gräueltaten in Israel und die EU-Beitrittsbestrebungen der Türkei war man klar unterschiedlicher Meinung. Dennoch fand man Gemeinsamkeiten im Kampf gegen illegale Migration und bei der Intensivierung der Wirtschafts- und Sicherheitsbeziehungen beider Länder.
Innenminister besuchte Polizeimuseum
Auch deshalb waren Wirtschaftsminister Kocher und Innenminister Karner zur Unterstützung mit nach Ankara angereist. Übrigens: Letzterer, der einst selbst als Direktor eines Museums in seiner Heimatgemeinde in die Schlagzeilen geraten war, durfte vor Ort ein preisgekröntes Polizeimuseum bewundern (siehe Diashow) – bevor es in Gesprächen um Migrationsfragen ging.
Auch für die mitgereisten Journalisten wurden von den türkischen Gastgebern extra Programmpunkte eingeplant: Medienvertreter waren zum Mittag in einem traditionellen Restaurant eingeladen – bestellt wurde ein sehr saftiges Adana-Kebap. Dieser beondere Genuss blieb dem Kanzler aus Termingründen leider verwehrt. Dafür staubte er auf seiner Reise ein handbemaltes Teeservice und ein Buch ab.