Nach Terror in München
"Jederzeit kann so ein Angriff in Österreich geschehen"
Es ist der nächste Terror-Plan, den ein Österreicher ausheckte. Extremismusforscher Nicolas Stockhammer verrät, wie groß die Gefahr ist.
Schock. Wieder fasste ein Österreicher den Entschluss, einen Terroranschlag zu begehen. In diesem Fall wurde eine Katastrophe in letzter Sekunde verhindert.
Der mutmaßliche Schütze von München ist Emrah I., ein 18-Jähriger aus Salzburg-Land mit bosnischen Wurzeln. Er selbst wurde in Österreich geboren.
Mitglied einer Terrorgruppe und IS-Propagandamaterial
Im Vorjahr war dieser Mann im Visier der heimischen Behörden. Grund der Ermittlungen: Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Und er besaß Propagandamaterial der Terrormiliz IS. Allerdings wurde das Verfahren eingestellt, es kam zu keinem Prozess.
Nicolas Stockhammer, der renommierte Extremismusforscher der Donau-Uni Krems, sagt zu "Heute": "Prinzipiell sollten Personen, die einschlägig aufgefallen sind, auf jeden Fall immer wieder routinemäßig überprüft werden. Aber das ist eine Abwägungssache. Der Verdacht gegen den mutmaßlichen Schützen hat sich voriges Jahr offenbar nicht erhärtet (Anm.: sonst wäre es wohl zu einem Prozess gekommen)."
Das Problem: Jeden Verdächtigen nonstop kontrollieren ist unmöglich. Alleine der Personalaufwand wäre viel zu groß.
Dennoch: Die Sorge steigt. "Jederzeit kann so ein Angriff auch in Österreich geschehen. Die Lage ist angespannt. Wir haben derzeit Terrorwarnstufe 4 von 5. Aber die Frequenz der Taten hat sich erhöht. Es gibt viel mehr Radikalisierte, mehr Propagandamaterial. Es herrscht eine große Dynamik. Der Hamas-Terror gegen Israel ist derzeit der Haupttreiber, dass junge Männer Gewalttaten begehen."
300 Radikalisierte in Österreich – sie sind noch nicht bereit für Gewalt
Die Zahl der potenziellen Attentäter in Österreich ist schwer einzugrenzen. Aber: "Laut Verfassungsschutzbericht gibt es in Österreich zwischen 50 und 70 solcher Hochrisiko-Gefährder", sagt Experte Stockhammer zu "Heute". Er glaubt, die Zahl wird sich in nächster Zeit erhöhen, "aus dem Pool der 300 radikalisierten, aber noch nicht gewaltbereiten Personen, werden wohl einige in Zukunft Terrorpläne aushecken."
So wie eben am Donnerstag Emrah I. zur Tat schritt. Er fuhr mit seinem Pkw (Salzburger Kennzeichen) in die Münchner Innenstadt. Um 9.10 Uhr stand er mit seinem Gewehr vor dem Gebäude des NS-Dokumentationszentrums. Weiters brisant: Gleich ums Eck befindet sich das israelische Generalkonsulat. I. eröffnet das Feuer auf den Standposten der bewachenden Polizisten.
Vor 52 Jahren wurden in München elf Israelis von Terroristen getötet
Es ist der Tag, an dem eine Gedenk-Veranstaltung anlässlich des Jahrestags des Olympia-Attentats von 1972 stattfindet. Damals ermordeten palästinensische Terroristen elf israelische Athleten. Emrah I. wollte an diesem Tag wieder ein Blutbad anrichten. Er wurde gestoppt. Polizisten gaben etwa 40 Schüsse auf ihn ab. Um 10.31 Uhr wurde der Schütze für tot erklärt.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagt später: "Klar ist, jüdische Einrichtungen bekommen bei uns hohe Schutzmaßnahmen. Wir geben erneut ein Schutzversprechen ab, wir werden jeden Angriff bekämpfen und abwehren. Wir schützen die Menschen in Bayern."
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- Ein österreichischer Staatsbürger, Emrah I., plante einen Terroranschlag in München, der am Jahrestag des Olympia-Attentats von 1972 stattfand, jedoch in letzter Sekunde verhindert wurde
- Extremismusforscher Nicolas Stockhammer warnt, dass solche Angriffe jederzeit auch in Österreich geschehen könnten, da die Zahl der Radikalisierten und die Frequenz der Taten zunehmen