Gesundheit
Jeder 4. Schwerkranke entwickelt nach Corona ein Trauma
Wer mit Covid-19 und akuter Atemnot auf der Intensivstation landet, entwickelt später häufig eine posttraumatische Belastungsstörung. So eine Studie.
Ein Viertel der schwer an Covid-19 Erkrankten entwickelt später eine sogenannte posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Das ergab eine Studie der Universität Duisburg-Essen, für die von April 2020 bis März 2021 mehr als 30.000 Menschen untersucht wurden. Demnach stieg bei diesen Menschen, die auf der Intensivstation behandelt wurden, im Schnitt am hundertsten Tag nach ihrer Entlassung die seelische Trauma-Symptomatik an.
„"Ein Flashback, mit einem plötzlich einschießenden massiven Gefühl der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins, des Erlebens von Kontrollverlust."“
Das massiv bedrohliche Erlebnis, keine Luft mehr zu bekommen, löse bei diesen Patienten im Nachgang sogenannte Intrusionen aus, erklärte Martin Teufel, der als Direktor der Klinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie der LVR-Kliniken Essen die Studie leitete. "Die Intrusion äußert sich wie ein Flashback, mit einem plötzlich einschießenden massiven Gefühl der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins, des Erlebens von Kontrollverlust", beschreibt Teufel die Symptomatik.
Unterbewusst abgespeichert
Die einschneidende Erfahrung auf der Intensivstation sei unstrukturiert als Emotion im Unterbewusstsein abgespeichert. Patienten könne daher eine spezifische Traumabehandlung angeboten werden - etwa in Form einer angeleiteten Schreibtherapie. So werde die Erfahrung "ins Bewusstsein geholt, aufgearbeitet und neu strukturiert", erklärte Teufel weiter. "So kann der Betroffene wieder die Kontrolle über die Affekte erlangen."
Laut der Studie wurde zudem bei bis zu 65 Prozent der Menschen während der Pandemie erhöhter Stress festgestellt. 60 Prozent litten unter einer ausgeprägten Corona-Furcht, 45 Prozent an erhöhter generalisierter Angst und 15 Prozent vermehrt unter Depressionen. "Dabei stiegen depressive Symptome zum zweiten Lockdown ab November 2020 sogar noch weiter an", schildert Teufel. Dies könne einem zunehmenden Erschöpfungszustand zugeschrieben werden, fügt er hinzu. "Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Angst- und Depressionssymptome zwar erhöht, allerdings in ihrem Schweregrad überwiegend nicht so ausgeprägt sind, dass die diagnostischen Kriterien einer psychischen Erkrankung erfüllt sind."
Entlastend wirkte es der Studie zufolge, wenn Menschen sich über die Pandemie und das Coronavirus informiert fühlten sowie das Vertrauen in politische und gesellschaftliche Maßnahmen hoch war.
Corona-Skeptiker noch stärker betroffen
Bei den sogenannten Corona-Skeptikern seien die Werte für depressive Symptome und generalisierte Angst sogar noch deutlich höher als in der Allgemeinbevölkerung gewesen. Die Erklärung dafür: "Wir alle nutzen Verdrängungsmechanismen, um unsere Psyche stabil zu halten", so Teufel. "In der Gruppe der Corona-Skeptiker ist das Verdrängen aber besonders stark ausgeprägt, um einer lähmenden Angst auszuweichen. Die andere Bewältigungsstrategie – valide Informationen aufnehmen und verarbeiten – wird negiert."