Politik
Impfpflicht-Debatte eskaliert – so geht es weiter
An der Impfpflicht wurde in den letzten Tagen stark gerüttelt. "Heute" verschafft einen Überblick über Positionen der Politiker und der Experten.
In den letzten Tagen überschlugen sich die Ereignisse. Immer mehr Expertinnen und Experten sowie hochrangige Vertreterinnen und Vertreter der Politik haben sich gegen die Impfpflicht gestellt. Obwohl im November als die Entscheidung fiel, noch eine große Mehrheit für das umstrittene Gesetz war, hat sich der Wind mittlerweile gedreht. "Heute" verschafft einen Überblick über die unterschiedlichen Positionen.
Kaiser wagte als Erster den Vorstoß
Bereits Anfang der Woche hatten sich immer mehr Landeschefs für eine Aussetzung der Impfpflicht ausgesprochen. Der Erste, der sich aus der Deckung wagte, war Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser von der SPÖ. Besonders der Punkt, dass die Impfpflicht von den Bundesländern kontrolliert werden soll, stieß Kaiser sauer auf – er sprach gar von einer "Kindesweglegung durch den Gesundheitsminister". Zudem sollte man bevor eine Strafe ausgesprochen wird, die Verhältnismäßigkeit der Impfpflicht noch einmal in Frage gestellt werden. Kaiser meinte zudem, dass vieles aus dem Ruder lauf und Wolfgang Mückstein seiner Verpflichtung als Gesundheitsminister nicht nachkomme.
Impfpflicht als "Werkzeugkoffer"
Unmittelbar nach Kaiser legten auch Wilfried Haslauer aus Salzburg (ÖVP) und Hans-Peter Doskozil (SPÖ) nach. Ersterer sprach sich am Mittwoch gegen ein "Scharfstellen" des Gesetzes aus. Geplant ist, dass die Impfpflicht ab 16. März als Kontrolldelikt auch mit Strafen sanktioniert werden soll. Haslauer, der selbst studierter Jurist ist, sieht, ähnlich wie Kaiser, die zuständige Kommission, die der Impfpflicht zur Seite gestellt ist, in der Verantwortung. "Die Impfpflicht ist wie ein Werkzeugkoffer. Wenn das Gebrechen nicht da ist, muss man ihn nicht öffnen", so Haslauer.
Härtere und deutlichere Worte fand kurz darauf der Burgenländer Doskozil. Der Landeschef meinte, die Bundesregierung habe sich mit der Umsetzung der Impfpflicht in eine Sackgasse manövriert und agiere völlig planlos. Doskozil weiter: "Es ist hoch an der Zeit, dass die Bundesregierung eine nachvollziehbare und transparente Strategie für die kommenden Monate auf den Tisch legt. Dass sich von Tag zu Tag innerhalb der Regierungsparteien Entscheidungen und Einschätzungen ändern, ist der Bevölkerung nicht zumutbar".
Nicht festlegen auf eine Meinung wollte sich die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mickl-Leinter (ÖVP). Sie verwies darauf, dass Expertinnen und Experten die Impfpflicht bewerten sollen. "Ich habe schon im November mehrfach öffentlich gesagt: Sollte die Wissenschaft zu neuen Erkenntnisse kommen, dass es die Impfpflicht nicht mehr braucht, bin ich die erste, die dafür eintritt, sie auszusetzen. Es braucht dazu aber ein klares Meinungsbild der führenden Wissenschaftler des Landes", teilte Mikl-Leitner auf APA-Anfrage mit. Laut ihr geht es nun darum, ob die Impfpflicht scharf gestellt werden sollte oder nicht.
Experten rücken von der Impfpflicht ab
Apropos Experten – auch unter ihnen gibt es bereits unterschiedliche Ansichten über die Impfpflicht. Der Virologe Norbert Nowotny etwa, sieht die Maßnahme als "nicht mehr notwendig" an. Der Grund dafür sei die Omikron-Variante, die weniger schwere Verläufe verursache und damit die Gefahr einer Überlastung der Intensivkapazitäten verringert. Der Epidemiologe Gerald Gartlehner hatte bereits zuvor eine ähnliche Haltung eingenommen. Von einer Änderung der Situation sprach auch Rudolf Schmitzberger, Leiter des ÖÄK-Impfreferats. Laut ihm würde man nun, betreffend des Scharfstellens, entscheiden müssen, "ob man es tun soll und muss“.
Ähnlich unsicher, ob des Scharfstellens war Thomas Stelzer. Der Landeshauptmann aus Oberösterreich sagte "Heute" gegenüber zwar "ich finde die Impflicht sinnvoll", der Eintritt in die dritte Phase mit erhobenen Gesundheitsdaten und automatischen Strafen solle jedoch diskutiert werden. Ob der vermehrten Kritik scheint es nun fast so, als ob die Regierung gänzlich alleine dasteht und die Impfpflicht mit Strafen bereits so gut wie vom Tisch sei – dem ist aber nicht so.
Rückendeckung bekommt das umstrittene Gesetz nämlich aus der Steiermark und aus Wien. Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) meinte etwa: "Es ist gut, dass es die Impfpflicht gibt, denn nur die Impfung schützt". Er ist für eine Durchführung des Gesetzes nach Plan, denn die Bevölkerung würde eine "Hü und Hott" nicht mehr hinnehmen. Für die Evaluierung sei schließlich die Kommission verantwortlich. Auch Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker bekräftigte sein "ja" zur Impfpflicht: "Ich glaube nicht, dass wir dem Hobby frönen sollten, ständig alles zu hinterfragen, was wir gerade entschieden haben".
Die Regierung sieht das bekanntlich ähnlich. Erst am Donnerstag hatte die Grüne-Klubchefin Sigrid Maurer die Impfpflicht und ihren Zeitplan bekräftigt. Das Gesetz solle dafür sorgen, dass die Bevölkerung in einer möglichen weiteren Welle im Herbst geschützt ist. "Der Zeitplan ist total aufrecht und wird auch so erfolgen", so Maurer, die sich eine kleine Hintertür offenhielt. Denn auch laut der Politikerin der Regierungspartei sei die Kommission bestehend aus je zwei Medizinern und Juristen dafür verantwortlich, das Gesetz und seine Verhältnismäßigkeit zu überprüfen. Diese könnte die Impfpflicht auch stets für beendet erklären, wenn sie zu dem Schluss kommt, das sie nicht mehr notwendig ist.
Regierung verweis auf Kommission
Hält die Kommission, die noch nicht formiert ist, an den Plänen der Bundesregierung fest, so ändert sich nichts am Fahrplan. Seit 1. Februar ist das Gesetz ohnehin in Kraft, aber noch ohne Strafen. Ab 16. März soll dann die Polizei bei Verkehrskontrollen und ähnlichen Einsätzen den Impfstatus abfragen und gegebenenfalls Strafen aussprechen. In der dritten Phase sollen letztlich Gesundheitsdaten automatisch erhoben werden, um die Ungeimpften innerhalb der Bevölkerung herauszufiltern. Diese sollen zunächst via Brief eine Impf-Einladung erhalten und erst bei nicht-Erscheinen eine Strafe von bis zu 600 Euro in einem verkürzten Verfahren bekommen. Bei Berufung können Ungeimpfte in einem ordentlichen Verfahren hingegen bis zu 3.600 Euro Strafe aufgebrummt bekommen.