Gesundheit
Immer mehr Schüler mit suizidalen Gedanken
Zwei Jahre Pandemie wirken sich immer stärker auf die psychische Gesundheit Jugendlicher aus. Die depressiven Symptome haben sich sogar verzehnfacht.
Nach einer kurzen Erholungsphase im Sommer, ist unser Leben aufgrund der Coronavirus-Pandemie erneut stark eingeschränkt. Lockdown, begrenzte Kontaktmöglichkeiten, geschlossene Lokale und ein gänzlich gestrichenes Nachtleben belasten vor allem Schülerinnen und Schüler seit nunmehr zwei Jahren.
Das hat sich auch mit der kurzen Pause im Sommer nicht geändert, wie die Donauuniversität Krems in einer Studie zeigt. Befragt wurden 1.500 junge Menschen zwischen 14 und 20 Jahren. Der ernüchternde Ergebnis: Die depressive Symptome haben sich im Vergleich zu vor der Pandemie verzehnfacht. Genauer gesagt weisen 62 Prozent der Mädchen und 38 Prozent der Burschen eine mittelgradige depressive Symptomatik auf.
Hälfte leidet an depressiven Symptomen
"Antriebslosigkeit, Interessenslosigkeit, Freudlosigkeit, gedrückte Stimmung, kann aber auch gereizt sein, Aggressivität, Nervosität, Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen bis hin zu suizidalen Gedanken", zählte Studienleiter Christoph Pieh die depressiven Symptome von der Hälfte der Befragten im Ö1-Morgenjournal auf. Gestiegen seien besonders Stress und vor allem auch die suizidalen Gedanken.
Verbessert habe sich diese Situation seit dem vergangenen Winter und einer Erhebung im Februar mit doppelt so vielen Teilnehmern somit nicht. "Die Vermutung war zumindest, dass nach den Sommerferien ein Stück weit die Batterien wieder aufgeladen wurden", so der Mediziner. Das habe sich leider nicht bestätigt. "Im Oktober und November war die Belastung gleich hoch, in einzelnen Skalen sogar leicht höher wie im Februar."
So würden rund ein Fünftel der Mädchen und 14 Prozent der Burschen unter wiederkehrenden suizidalen Gedanken leiden. Das heißt, sie denken entweder täglich oder an mehr als der Hälfte der Tage an Selbstmord.
Hilfe für Betroffene
Rat auf Draht: 147
Telefonseelsorge: 142
Das Info-Telefon der PsychologInnen: +4314079192
Wichtige Entwicklungsphasen fallen weg
Dass hier die Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen eine große Rolle spielen, ist weder neu, noch verwunderlich. Doch auch die Dauer sei inzwischen zu einem großen Problem geworden. "Die Pandemie dauert jetzt doch schon eine ganze Zeit an und dieser Faktor summiert sich offensichtlich immer mehr und mehr", erklärt der Leiter des Departments für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit.
Gerade die Zeit zwischen 14 und 20 Jahren sei für Jugendliche sehr wichtig. Ein Alter, in dem zwei Jahre deutlich länger dauern würden als bei Älteren und zwei Jahre, die enorm wichtig für das später Leben seien. "Das Fortgehen, das neue Leute treffen, dass die Freunde wichtiger werden als die Eltern und hier eine neue Rolle einnehmen. Das man sich auch ein Stück weit selbst findet, was will ich, wohin will ich." Das alles fehle plötzlich, weshalb es nur nachvollziehbar sei, warum gerade diese Gruppe von der Pandemie so belastet sei.
„"Jeder Tag ist eine potentielle Gefahr"“
Dringend Hilfe
Pieh appelliert, dass es aufgrund dieser erschreckenden Erkenntnis dringend Handlungsbedarf braucht. "Es braucht einfach rasch Hilfe, weil jeder Tag der länger dauert ist eine potentielle Gefahr." Doch genau daran würde es mangeln, nicht nur in Bezug auf Psychotherapieplätze oder stationäre Versorgung, sondern auch an Telefonberatungen sowie Selbsthilfeprogrammen. Die Ressourcen müssten in allen Bereichen verstärkt werden, um das Problem der psychischen Belastungen bei Jugendlichen wieder in den Griff zu bekommen.