Krankenkassen-Chef teilt aus
Harter Sparkurs – "Gesundheitssystem ist kein Mercedes"
Der Chef der Krankenkassen, Peter Lehner, will Kassenleistungen zusammenstutzen. Das Gesundheitssystem müsse einen Golf und keinen Mercedes liefern.
Krankenkassen-Chef Peter Lehner pocht im Gesundheitswesen auf eine Rückbesinnung auf das Wesentliche und Notwendige bei kassenfinanzierten Leistungen. Nur so sei es möglich, dass die Sozialversicherung für alle solidarisch da sein könne, sagte er im Interview mit der APA.
Auch der Patientensteuerung etwa bei chronischen Krankheiten mittels "Case Management" redete er das Wort, auch wenn dies eine Einschränkung der freien Arztwahl bedeute.
"Kein Mercedes in Vollausstattung"
Lehner kommt aus der ÖVP, er ist Obmann der Selbstständigen-Kasse SVS und in der ersten Jahreshälfte Chef des Sozialversicherungs-Dachverbandes. Seine Botschaft: "Wir dürfen vom Gesundheitssystem nicht den Mercedes in Vollausstattung erwarten. Die Aufgabe des Gesundheitssystems ist es, einen guten Standard-Golf zu liefern und nicht den Mercedes."
Das sei gesetzlich auch so vorgesehen, verwies er auf das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG). Zum Umfang der Krankenbehandlung heißt es dort in Paragraf 133: "Die Krankenbehandlung muss ausreichend und zweckmäßig sein, sie darf jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten."
Heftige Kritik an Rauch
"Wenn wir die Sozialversicherung und dieses solidarische System nicht gefährden wollen, dann müssen wir zu einem Ende des Leistungsausbaus kommen", meinte er weiter. "Wir haben keine Risikoauslese. Das heißt, wir nehmen alle, Gott sei Dank, und wir sind für alle solidarisch da. Das geht aber nur, wenn man nicht alles hineinpackt und wir uns auf das Wesentliche in der Krankenversicherung, in der Betreuung zurückziehen."
Kritik übte er hier vor allem am scheidenden Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne), der immer wieder einen Leistungsausbau ohne Ankündigung und Absprache versucht habe. Als jüngstes Beispiel nannte Lehner den Aktionsplan für postvirale Erkrankungen, den Rauch in keiner Weise mit den Systempartnern abgestimmt habe. "Wenn der Staat Ideen hat, etwas zu machen, dann soll er das nachhaltig finanzieren", zeigte er sich verärgert und erinnerte auch an die Gelder, die die Kassen ohne jede Mitbestimmung an die Spitäler der Länder zahlen müssen.
Symptom einer Gesellschaftskrise
Die massive Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem Gesundheitssystem deutete Lehner als Symptom einer Gesellschaftskrise: "Wir haben uns als Gesellschaft davon entfernt, Eigenverantwortung zu übernehmen und uns Gesundheitskompetenz anzueignen." Die führe zu einer überbordenden Leistungsinanspruchnahme, die nicht mehr nur dann stattfinde, wenn sie tatsächlich notwendig und berechtigt sei.
Eine positive Bilanz zog er bezüglich der vor fünf Jahren in Kraft getretenen Kassenreform, die die Zusammenlegung der neun Gebietskrankenkassen ebenso brachte wie die Vereinigung der Träger von Selbstständigen und Bauern und die Umwandlung des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger in den Dachverband. Größere Änderungen durch die neue Regierung erwartet Lehner hier nicht. Absehbar sei aber, dass die SPÖ die Möglichkeit nutzen werde, den Gewerkschaftern in der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) wieder mehr Macht zu verschaffen, vermutete Lehner.
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- Krankenkassen-Chef Peter Lehner fordert eine Rückbesinnung auf das Wesentliche im Gesundheitssystem und plädiert für eine Reduktion der Kassenleistungen, um die Solidarität der Sozialversicherung zu gewährleisten.
- Er kritisiert den scheidenden Gesundheitsminister Johannes Rauch für unangekündigte Leistungsausweitungen und sieht die Unzufriedenheit der Bevölkerung als Symptom einer Gesellschaftskrise, die durch mangelnde Eigenverantwortung und übermäßige Leistungsinanspruchnahme verursacht wird.
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