Kein Handshake, keine Fotos, keine Öffentlichkeitsarbeit – als Bundeskanzler außer Dienst, Karl Nehammer, im April 2022 nach Moskau zu Wladimir Putin reiste, war die Erregung groß.
Nur wenige Wochen zuvor hatte Kreml-Chef Putin seine brutale Invasion der Ukraine begonnen und war international nahezu isoliert. Dennoch reiste Nehammer als erster EU-Staatschef in seine Residenz in Nowo-Ogarjowo. Zuvor hatte der damalige ÖVP-Chef die Ukraine besucht.
In einem Interview mit der "Krone" erzählt der Ex-Kanzler knapp drei Jahre später, wie das Treffen mit Putin verlaufen ist. "Das Gespräch hat mit einer Höflichkeitsfloskel auf Deutsch begonnen", so Nehammer. Ausgemacht gewesen sei: keine Öffentlichkeitsarbeit und Vertraulichkeit.
"Es war hart und direkt. Ich habe Putin die Schrecken des Krieges und auch die russischen Verluste nähergebracht. Es gab immer wieder Mutmaßungen, dass er krank sei oder nicht Herr der Lage." Der Kreml-Chef sei allerdings bestens über den Kriegsverlauf und Herr der Lage gewesen, so der Eindruck Nehammers. "Erst als es um EU-Sanktionen und wirtschaftliche Aspekte ging, veränderte sich die Sprache."
Das Ziel der Reise sei klar gewesen: "Ihm zu vermitteln, dass Frieden hergestellt werden muss und dass die Waffen schweigen. Da war ein Moment da, wo ich den Einruck hatte, dass ihm das auch wichtig sei", erklärt der Kanzler a.D. Im April 2022 sind die Friedensgespräche in Istanbul noch gelaufen, doch "leider haben diese Gespräche nicht zum Ziel geführt".
Auf Nachfrage, ob er wieder nach Moskau fliegen würde, sagt Nehammer: "Ja, die Reise war richtig und mit den EU-Partnern abgestimmt. Man muss jede noch so kleine Chance nutzen. Österreich ist ein neutrales Land, das vermitteln kann. Diplomatie ist immer essenziell, auch wenn sie manchmal scheitert."
Nehammer plädiert dafür, dass bei künftigen Friedensverhandlungen auch die weiteren BRICS-Staaten (Brasilien, Indien, China, Südafrika) eingebunden werden sollen. "Es gilt einfach: Weitermachen, weitermachen und niemals aufhören, eine Gesprächsbasis mit Russland herzustellen", sagt der Ex-Kanzler. Klar sei aber: "Frieden geht nur mit der Ukraine. Dieser Krieg kann nur am Verhandlungstisch gelöst werden, nicht am Schlachtfeld."