Pühringer im "Heute"-Interview

Grüne Idee: Zwei Fahrspuren am Ring für Radweg weg

Die Grünen wollen nicht nur 100.000 Bäume pflanzen, sondern auch den Autofahrern einen Baum aufstellen. "Heute"-Talk mit Grünen-Chefin Pühringer.

Claus Kramsl
Grüne Idee: Zwei Fahrspuren am Ring für Radweg weg
Wiens Grünen-Chefin Judith Pühringer fordert im "Heute"-Interview mehr Mut beim Radwege-Ausbau.
Denise Auer

Sie fordert eine Reform der Mindestsicherung, bricht eine Lanze für Armutsgefährdete ("Die wollen arbeiten!") und will in der Schule eine Art Schichtbetrieb einführen, um allen Kindern einen Schulplatz zu sichern. Auch in Bezug auf Radwege will sie keine halben Sachen.

Das sagt die Wiener Grünen-Chefin Judith Pühringer zu:

Radwegeausbau

In "Heute"-Interview wunderte sich Planungsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) kürzlich darüber, dass unter ihrer grünen Vorgängerin Brigit Hebein "nur rund 7 bis 8 Millionen Euro jährlich" in den Radwegeausbau investiert wurden. Sie habe für 2024 Projekte in der Höhe von 50 Millionen Euro in der Umsetzung.

Wiens Grünen-Chefin wundere sich nicht, sagt sie: "Das Geld kommt von Leonore Gewessler (Anm.: grüne Verkehrsministerin). Der Grund, warum Wien so massiv ausbaut, der Grund, warum Ulli Sima so massiv ausbauen kann – und wir freuen uns über jeden einzelnen Radweg, der gebaut wird –, ist, dass es ein Riesenbudget vom Bund von Leonore Gewessler aus dem Klimaministerium gibt, um die Radwege auszubauen."

Es sei "super", dass Radwege ausgebaut würden, aber: Wenn man sich anschaut, wie, würde ich sagen, too little too late." So sei beim Ausbau des Radhighways auf der Praterstraße in Wien-Leopoldstadt die Kreuzung bei der Urania nicht mitgedacht worden. Rad- und Autofahrer hätten hier nicht genügend Platz, es komme zu gefährlichen Szenen.

Ja, das könnte man andenken!
Judith Pühringer
über zwei Radspuren am Ring

Auch der Ring-Radweg müsste schleunigst angegangen werden, so Wiens Grünen-Chefin. Sie wünscht sich eine "innovative Gestaltung". So sei es international mittlerweile üblich, Zwei-Richtungs-Radwege zu bauen, die auch genügen Platz für schnelle und langsame Radfahrer bieten. Denn viele würden sich nicht trauen, aufs Rad umzusteigen. Für den Ring-Radweg könnte man also andenken, zwei der derzeitigen Autospuren für Radfahrer zu verwenden, so Pühringer.

Hitzesommer

Der Verkehr sei einer der größten Hebel, wenn es darum geht, die Klimaziele einzuhalten, ist Pühringer überzeugt. Und Klima-Fragen seien auch soziale Fragen: "Am Westgürtel leben 100.000 Menschen in Wohnungen. Das sind quasi die Wohnungen, die keinen Balkon haben, die keine Klimaanlage haben. Und das meinen wir auch mit klimasozialer Stadtpolitik, für die wir Grüne stehen. Wir sind überzeugt davon, dass Klimapolitik und Sozialpolitik total zusammengehören, dass die Klimafrage die größte soziale Frage unserer Zeit ist, weil es immer darum geht, wer kann sich abkühlen, wer hat den Balkon, wer hat die Klimaanlage. Und für die, die das nicht haben, brauchen wir gute Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum."

Autofreie Innenstadt

"Insgesamt sind autofreie oder verkehrsberuhigte Innenstädte in ganz Europa mittlerweile der totale Standard", so die Grünen-Chefin. Das Problem in Falle der Wiener City sei, dass Stadträtin Uli Sima "ein System mit Kameras gewählt hat, das relativ aufwendig ist, wo es eine Änderung in der Straßenverkehrsordnung braucht und wo halt auch viele DatenschützerInnen auf den Plan getreten sind und gesagt haben, so geht das nicht."

Die Umweltministerin stehe da "sicher nicht auf der Bremse, aber es ist halt ein bisschen komplexer, weil es halt verschiedene Materien betrifft, weil es das Thema Datenschutz betrifft. Es hätte auch viele andere Möglichkeiten gegeben, diese Einfahrt zu gestalten. 00:26:23 Und was man auch sagen muss, man muss ja nicht untätig sein. Man kann ja in der Zwischenzeit die ganze Stadt schon verkehrsberuhigen. Wir haben auch hier Vorschläge gemacht."

Anreize, aufs Auto zu verzichten

Pühringer könne sich eine Prämie für alle Wiener vorstellen, die freiwillig aufs Auto verzichten. Laufen könnte das über die KFZ-Anmeldung. Gleichzeitig fordert sie eine viel stärkere Besteuerung von SUVs: Diese würden "unglaublich viel Platz wegnehmen im öffentlichen Raum" und seien weiters auch "gefährlich".

100.000 Bäume für Wien

Bäume seien wie "Klimanalagen für Städte", so Pühringer. "In dem Moment, wo man unter das Blätterdach kommt, wird es einfach um ein paar Grad kühler. Und Bäume sind einfach großartige CO2-Speicher. Man kann sich darunter abkühlen. Und insofern finde ich es ganz wichtig, dass wir ja 100.000 Bäume setzen, so viele Bäume wie möglich setzen, weil sie einfach unser Stadtklima erträglicher machen im Sommer." Ihr Wunsch wäre, zusätzlich zu den 100.000 für jedes Neugeborene in Wien einen Baum zu pflanzen.

Bandenkriege

Das sind "ausgewachsene Bandenkriege, das muss man einfach so beim Namen nennen", so Pühringer. Die Frage sei, "wie wir hier gute Angebote setzen". Das bedeute nicht nur mehr Polizeipräsenz, auch Waffenverbot im öffentlichen Raum sei ein Thema: "Niemand muss im Park bewaffnet sein, ganz ehrlich." Die aktuelle Gewalteskalation sei "auch ein Stück weit das Ende einer langen Fehlerkette und von vielen Versäumnissen. Und da ist meiner Meinung nach schon zu wenig passiert, gerade beim Thema Integration."

"Wer das Integrationsjahr abgeschafft hat. Das war schwarz-blau in der Bundesregierung. Wer hat die Gelder im AMS-Bereich für den Integrationsbereich gestrichen? Das war Schwarz-Blau. Und das sind genau die, die sich jetzt quasi sehr empören und aufregen. Ich denke, es braucht einen guten Mix an Maßnahmen, aber natürlich auch Integrationsmaßnahmen."

Das sind keine ,Gfrasta’, sondern Jugendliche ohne Perspektive
Judith Pühringer
zu jugendlichen Straftätern

Bei den Tätern handle es sich um Jugendliche, die keine Perspektive haben. "Gfrasta", wie Jugendstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) diese Gruppe bezeichnet hatte, seien es nicht. Es brauche "einen guten Maßnahmenmix aus Jugendarbeit, offener Jugendarbeit, Polizeipräsenz. Aber ganz wichtig auch einfach Perspektivenentwicklung für diese Jugendlichen, die irgendwann einmal gesagt haben: Okay, für mich gibt es da keinen guten Platz in der Gesellschaft."

Abschiebung straffällig gewordener Asylwerber

"Es gibt das Recht auf Asyl und man kann nicht abschieben in ein Land, wo diese Menschen dann quasi verfolgt werden. Man muss sich das gut anschauen, aber natürlich braucht es irgendwie harte Konsequenzen und sozusagen einfach auch harte Strafen für diese Menschen."

Gewalt an Wiens Schulen

Es brauche mehr Personal und auch mehr Unterstützung für die Pädagogen: "Die Lehrerinnen und Lehrer, die jeden Tag im Klassenzimmer stehen können, diese Arbeit, die auch geleistet werden muss, nicht alleine stemmen. Da braucht es einfach ein gutes Team, einen guten Mix aus Pädagoginnen, aus den Sozialarbeiterinnen, auch sowas wie School Nurses, das heißt Menschen, die Kinder psychisch auch betreuen oder auch einfach medizinisch betreuen, wenn es diese Unterstützung braucht."

"Ein paar Workshops da und dort, wie Wiederkehr das vorschlägt, wird ganz sicher nicht reichen", so Pühringer.

Durchmischung an Schulen

Ein wichtiges Thema in Bezug auf Schule sei die Durchmischung. Kinder würden Deutsch lernen, wenn sie untereinander Deutsch sprechen. "Wie soll das funktionieren in einer Klasse mit 95 Prozent Kindern mit nicht deutscher Muttersprache?" Eine wichtige Frage sei auch, was die Kinder am Nachmittag machen: "Kinder, die einen Elternteil haben, der arbeitslos ist oder der zu Hause ist, haben keinen Anspruch auf einen Hortplatz. Dabei ist es gerade diese Kinder unglaublich wichtig, am Nachmittag in einer Umgebung zu sein, wo man gemeinsam lernt, gemeinsam aber auch die Sprache spricht, gemeinsam Hausaufgaben macht, gemeinsam Spaß hat, einander kennenlernt."

Containerklassen

"Ich würde darüber nachdenken, wie man sozusagen nicht nur diesen klassischen Weg geht, die Kinder lernen am Vormittag in der Schule und dann gehen sie wieder nach Hause", so Pühringer. Sie schlägt eine Art "Radl" vor: "Die einen haben am Vormittag Unterricht, die anderen haben am Nachmittag Unterricht. Und die einen lernen in der Zwischenzeit Wien kennen, gemeinsam mit der offenen Jugendarbeit, gemeinsam mit außerschulischer Kinder- und Jugendarbeit." Man müsse in diesem Fall etwas "Out of the Container" denken, so die Grünen-Chefin.

Die einen haben am Vormittag Unterricht, die anderen haben am Nachmittag Unterricht.
Judith Pühringer
zu "Schichtbetrieb" an Schulen

Familiennachzug beschränken?

Hauptgrund für die Containerklassen ist der Familiennachzug bei Flüchtlingen. Eine Beschränkung will Pühringer nicht: "Nein, das sind Menschen, die hier sind, die jetzt eine Existenz aufgebaut haben, oder dabei sind, sich eine Existenz aufzubauen." "Wir leben in einem Land, wo wir Fachkräfte brauchen, wo wir Menschen brauchen, die in allen Berufen tätig sind und insofern finde ich es gut, dass diese Menschen kommen." Man müsse ihnen eine gute Perspektive bieten.

"Diese Menschen müssen ja auch bereit sein, zu unseren kulturellen Werten zu stehen, zu unserer Kultur zu stehen. Wir müssen ihnen aber auch die Möglichkeit geben, diese kennenzulernen und Ja zu sagen dazu."

Mindestsicherung

"Die ganze Mindestsicherungsdebatte ist eine recht komplexe, insgesamt orte ich schon einen Reformbedarf. Weil unter Schwarz-Blau die alte bedarfsorientierte Mindestsicherung abgeschafft und mit der Sozialhilfe neu ersetzt wurde. Was aber bedeutet, dass wir völlig unterschiedliche Sätze in den Bundesländern haben", so Pühringer. Sie fordert gemeinsame Mindestsätze und eine einheitliche Regelung. Dann müsse man sich im Einzelfall anschauen, "was brauchen Menschen noch im Bereich Wohnen, im Bereich soziale Dienstleistungen, welche Sachleistungen im Bereich Bildung."

Diese Menschen wollen arbeiten. Nicht alle können das zu den Bedingungen, die der Arbeitsmarkt von ihnen verlangt. Und genau dafür ist ja die Mindestsicherung auch da, dieses letzte soziale Netz zu sein.
Judith Pühringer
Grünen-Chefin Wien

Im Moment hätten manche Menschen den Eindruck, die Mindestsicherungsbezieher würden nicht arbeiten – und das auch nicht wollen. "Fakt ist, um Mindestsicherung zu bekommen, muss man arbeitsfähig sein und muss man auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Das bedeutet, dass wenn Menschen tatsächlich jetzt sagen würden, ich will nicht arbeiten, dann wird das auch entsprechend sanktioniert. Sie habe 15 Jahre lang mit langzeitarbeitslosen Menschen gearbeitet und mit ganz vielen Menschen gesprochen, die in Armut und sozialer Ausgrenzung aufgewachsen sind. "Diese Menschen wollen arbeiten. Nicht alle können das zu den Bedingungen, die der Arbeitsmarkt von ihnen verlangt. Und genau dafür ist ja die Mindestsicherung auch da, dieses letzte soziale Netz zu sein. Das finde ich auch richtig so."

Arbeitsanreize setzen und auch die Gehälter in Niedriglohnbranchen anpassen
Judith Pühringer
Grünen-Chefin Wien

"Die Diskussion, die im Moment geführt wird, ist schon ein bisschen eine Neiddebatte, weil wenn man sich auch ein bisschen anschaut, wie hoch der Gesamtanteil der Mindestsicherung in Sozialausgaben sind, wir sprechen von 0,7 Prozent der gesamten Sozialausgaben." Man müsse Arbeitsanreize setzen und auch die Gehälter in Niedriglohnbranchen anpassen. Die Diskussion müsste dazu geführt werden, "wie wir so niedrige Gehälter jetzt einmal übergangsmäßig ausgleichen mit einem Teil der Mindestsicherung, die man behält."

Geldleistungen seien das eine. Das andere sei aber immer auch Zugang zu sozialen Dienstleistungen für alle, Zugang zu existenzsichernder Arbeit. Auch das Thema Teilhabe sei ein wesentliches für armutsbetroffene Menschen. In allen Bundesländern müsse das Angebot gleich gut ausgebaut sein, damit würde auch Wien seine Magnetwirkung verlieren. "Integration von Tag eins an heißt auch, Integration in die Gemeinde, in den Ort", so Pühringer.

Kinderarmut

Eines der größten sozialen Probleme sei die Kinderarmut, diese gehöre abgeschafft, so die Grünen-Chefin: "Ich wünsche mir, dass jedes Kind in Wien, jedes Kind in Österreich ohne Armut, ohne soziale Ausgrenzung aufwachsen darf. Das hat etwas mit Kinderrecht, mit Menschenwürde zu tun. Und dafür müssen wir gemeinsam kämpfen.

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    SPAR/ Peakmedia Dominik Zwerger

    Auf den Punkt gebracht

    • Die Grünen-Chefin Judith Pühringer spricht in einem Interview mit "Heute" über verschiedene Themen, darunter den Ausbau von Radwegen, die Notwendigkeit einer klimasozialen Stadtpolitik, Maßnahmen zur Reduzierung des Autoverkehrs, die Bekämpfung von Bandenkriegen, Gewalt an Schulen, die Durchmischung an Schulen, den Familiennachzug bei Flüchtlingen und die Mindestsicherungsdebatte
    • Sie fordert eine Reform der Mindestsicherung und betont, dass viele Menschen arbeiten wollen, aber nicht unter den Bedingungen, die der Arbeitsmarkt von ihnen verlangt
    • Außerdem spricht sie sich für die Abschaffung der Kinderarmut aus
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