"Heute"-Talk mit Ulli Sima
Sima gibt bei Radwegen mehr Gas als die Grünen
Mit 20 Jahren im Amt ist Ulli Sima Wiens Marathon-Stadträtin. Im "Heute"-Talk sprach die SPÖ-Politikerin über Gackerl-Sackerl, Radwege und Alk-Verbote
Ein Jubiläum der besonderen Art begeht Stadträtin Ulli Sima (SPÖ): Die gebürtige Kärntnerin ist seit 20 Jahren Mitglied der Wiener Stadtregierung. Am 1. Juli 2004 wurde die studierte Molekularbiologin und ehemalige Gentechnik-Expertin bei GLOBAL 2000 unter Bürgermeister Michael Häupl als Umweltstadträtin angelobt. Seit 2020 ist sie Amtsführende Stadträtin für Innovation, Stadtplanung und Mobilität.
"Heute" lud die Marathon-Stadträtin zum Gespräch über:
20 Jahre Stadträtin
Dass es so lange geht, hätte sie nicht gedacht: "Man hantelt sich von Periode zu Periode", so Sima, die auf "schöne 20 Jahre" zurückblickt. Ihre Highlights? "Das Gackerl-Sackerl. Wir lachen heute alle ein bisschen drüber. Aber man muss sich in die Zeit zurückversetzen. Damals war, wenn man die Leute gefragt hat, was in Wien das größte Problem ist, Hundekot Nummer eins. Und zwar jahrzehntelang", schmunzelt Sima. Das TierQuarTier in der Donaustadt, der CopaBeach, die Neuorganisation des Cobenzl und die Schaffung vieler frei zugänglicher Badeplätze fallen der Stadträtin auch noch ein.
Die Regulation der Listenhunde war mir "sehr wichtig", wie auch der Kampf gegen das illegale Glücksspiel. "Wir haben über 500 Wettautomaten beschlagnahmt in der Zeit", sagt Sima nicht ohne Stolz.
„Ich versuche möglichst unbürokratisch so viele Parkplätze wie möglich zu erhalten.“
Wienweite Kurzparkzone
Auch das wienweite Parkpickerl zählt zu Simas Highlights: "Ich finde, es hat grundsätzlich gut funktioniert. Wir haben auch einen starken Rückgang bei Kennzeichen aus Niederösterreich oder Burgenland oder überhaupt aus dem Ausland. Und jetzt sind wir eigentlich mit Feuereifer dabei, die freigewordene Fläche auch irgendwie zu nutzen für Aufenthaltsräume, für Bäume, für Begrünung, für Radwege." Dass es bei lange nicht kontrollierten engen und kleinen Gassen zu Problemen kommt, weiß Sima. Daran werde "im Eiltempo" gearbeitet. Sie versuche "möglichst unbürokratisch so viele Parkplätze wie möglich zu erhalten."
Radwege – Stichwort Krottenbachstraße
"Der 19. Bezirk ist ein spezieller Fall, weil der Bezirksvorsteher (Anm.: Daniel Resch, ÖVP) und die Bezirksvertretung unterschiedlicher Meinung sind. Der Bezirksvorsteher sagt A und die Bezirksvertretung sagt B – und beide wenden sich an mich. Für mich gelten die Beschlüsse des Gremiums und die Mehrheit dort hat mich mehrfach aufgefordert, diesen Radweg in der Krottenbachstraße zu bauen. Mein Ziel ist es ja niemanden zu verärgern, aber halt eine durchgängige Infrastruktur zu schaffen", so die Stadträtin. Mit Kindern sei das Radfahren dort "unmöglich".
"Wir haben ein tolles Straßennetz, wir haben ein gutes Öffi-Netz. Wir haben ein sehr lückenhaftes Radwegenetz", so Sima. Ihr Ziel sei es, "einmal eine Grundinfrastruktur zusammenzubringen, die zusammenhängt, dass man die Stadt durchqueren kann." In ungefähr fünf Jahren könnten man wohl von einem "guten, durchgängigen Radwegenetz sprechen".
Einen Seitenhieb gegen ihre beiden grünen Vorgängerinnen kann sich die SPÖ-Politikerin nicht verkneifen: "Hätten sie in den zehn Jahren vor mir auch dieses Tempo gehabt, das wir jetzt haben, dann wären wir schon viel weiter." Unter den grünen Verkehrsstadträtinnen wären im Schnitt 7 Millionen Euro in Radwege geflossen. "Wir haben 2023 35 Millionen Euro investiert und setzen auch jedes Jahr fast 50 Projekte um", so Sima.
Verkehrsministerin Leonore Gewessler
"Ich bin ein bisschen enttäuscht von Leonore Gewessler, die ich sonst natürlich sehr schätze, weil sie uns eigentlich jetzt drei Jahre lang da ein bisschen im Regen stehen hat lassen. Wir haben uns eigentlich gedacht: Historische Einigung! Vier Parteien im 1. Bezirk – ÖVP, SPÖ, NEOS und Grüne – haben sich gemeinsam geeinigt auf ein Konzept der verkehrsberuhigten Inneren Stadt, wo eben Anrainer und Lieferverkehr und so weiter zufahren darf, aber im Prinzip alle anderen nur mehr 30 Minuten hineinfahren dürfen. Also ich habe eigentlich gedacht: Revolution – jetzt brauchen wir noch einen Halbsatz in der Straßenverkehrsordnung geändert und dann können wir das umsetzen. Das kam mir eigentlich als die kleinste Hürde vor", erzählt die Verkehrsstadträtin.
„Stattdessen unterhalten wir uns, wann wir die Kameras mit irgendwelchen Stofftüchern verhängen müssen, was eine eigentümliche Debatte ist.“
Dass das Projekt seit drei Jahren "unter sehr fadenscheinigen Argumenten" scheitere, störe sie wirklich. "Es wäre das größte Verkehrsberuhigungsprojekt, das wir in Österreich je gehabt hätten. Und dass gerade die grüne Ministerin, die immer sagt Verkehrsberuhigung, Verkehrsberuhigung, das verhindert, also das verstehe ich nicht." Knackpunkt sei der Datenschutz, was aus Simas Sicht und untermauert von Experten-Gutachten, kein Problem sei: "Im Prinzip macht die ASFINAG nichts anderes, nämlich Kennzeichen von Autos zu fotografieren", so Sima. Wenn diese Bilder nur für Verkehrsbelange herangezogen würden, sei das kein Problem. "Stattdessen unterhalten wir uns, wann wir die Kameras mit irgendwelchen Stofftüchern verhängen müssen, was eine eigentümliche Debatte ist", versteht die Stadträtin das Problem nicht.
Streitpunkt Lobautunnel
Auch Gewesslers Nein zum Bau des Lobautunnels kann Sima nicht nachvollziehen: "Wien ist, glaube ich, so ziemlich die einzige Großstadt in ganz Europa, die keine Umfahrung hat. Also bei uns ist es so, dass jeden Tag ungefähr 100.000 Fahrzeuge durch die Stadt transitmäßig durchfahren, über die Tangente die meisten. Das ist für keine Großstadt eine akzeptable Situation. In Oberösterreich haben die Grünen beschlossen, dass es eine Umfahrung gibt. Dort wird sie auch errichtet, dort ist es überhaupt kein Problem." Wien habe seine Hausaufgaben gemacht, investiere Milliardenbeträge in die U-Bahn, habe die Parkraumbewirtschaftung ausgebaut und den Autofahrer-Anteil auf 26 Prozent gesenkt. "Also es kann uns niemand vorwerfen, dass wir da noch von der Benzinbrüderfraktion sind."
SPÖ-Chef Andreas Babler
"Ich glaube, dass Andreas Babler das Zeug dazu hat, ein wirklich guter Bundeskanzler zu sein. Weil er auch so lange in der Kommunalpolitik war und dadurch, finde ich, sehr guten Kontakt zu den Menschen hat." Zu einer möglichen Wunschkoalition nach der Nationalratswahl im Herbst will sich Sima nicht äußern. Außer: "Eine Koalition mit der FPÖ kommt nicht infrage!"
Pläne für das letzte Jahr vor der Wien-Wahl 2025
Sie habe noch "sehr viel vor", so Sima. Unter anderem den Radwege-Bau in der Äußeren Mariahilferstraße, oder die Neugestaltung der Wagramer Straße: "Wir sind sehr stark draußen in den Flächenbezirken, weil mir das persönlich auch wichtig ist, dass wir jetzt nicht nur die Innenstadt aufpolieren, sondern auch dort hinausgehen, wo die Wohnbezirke der Menschen sind." Auch die laufende Neugestaltung der Sunken City in der Donaustadt, die nun Pier 22 heißt, sei ihr ein Anliegen.
Geht noch eine Runde?
Natürlich entscheide Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), ob Ulli Sima noch eine Periode als Stadträtin anhänge. "Aber ich würde mich freuen", so Sima. "Ich habe mich jetzt gut eingearbeitet im Ressort und jetzt sind wir wirklich voll in Fahrt und haben noch vieles vor, was wir in der Periode gar nicht mehr schaffen."
Gewalteskalation durch Jugendbanden
Sima setze hier auf Kooperation: "Wir haben am Praterstern, glaube ich, gezeigt, wie Transformationen von Plätzen funktionieren können, aber es geht nicht ohne Polizei. Also wir haben dort mit Sozialarbeit gearbeitet, wir haben ein Alkoholverbot dort verhängt, wir haben die Polizeistation dort hingebracht und dann am Schluss haben wir ein Lokal quasi dort errichtet und haben den ganzen Platz eigentlich auch umgebaut. Und wenn man jetzt hingeht, wird man sehen, die Kinder spielen im Wasserspiel und die Leute sitzen in der Wiese und picknicken."
„Alkoholverbot auf Plätzen? Muss man sich von Fall zu Fall anschauen.“
Die Stadt könne mit gewissen ordnungspolitischen Maßnahmen natürlich unterstützend dabei sein, aber es stehe und falle mit der Umsetzung und auch Forcierung dieser Maßnahmen durch die Polizei. "Wichtig ist mir aber trotzdem immer, dass man gerade bei so Jugendthemen auch versucht, sozusagen die Leute auch mit Sozialarbeit, mit Jugendarbeit in dem Fall, zu erreichen. Also, dass man nicht nur mit der Strafkeule kommt, sondern auch Auswege bietet", so Sima. Ein Alkoholverbot für Hotspots, so wie es am Praterstern gilt, müsse man sich "von Fall zu Fall anschauen."
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- Ulli Sima, Wiens Marathon-Stadträtin, spricht im "Heute"-Talk über ihre 20-jährige Amtszeit, betont Erfolge wie die Einführung des Gackerl-Sackerls und das wienweite Parkpickerl, und kritisiert die langsame Umsetzung von Verkehrsberuhigungsprojekten sowie die Ablehnung des Lobautunnels durch Verkehrsministerin Leonore Gewessler
- Sie plant weitere Projekte für die kommende Amtsperiode und setzt auf Kooperation mit der Polizei zur Bekämpfung von Gewalteskalation durch Jugendbanden