"Sage lieber gar nichts mehr"

Gottschalk löst live im ORF "Maulkorb-Debatte" aus

Glamour, Stars, Fremdschämen: Die allerletzte Folge von "Wetten, dass?" hatte tatsächlich für alle was – und löste eine Debatte im Nachgang aus. 

Fabian J. Holzer
Gottschalk löst live im ORF "Maulkorb-Debatte" aus
Thomas Gottschalk reitet am Ende der Show auf einem Bagger in den Sonnenuntergang...
Philipp von Ditfurth / dpa / picturedesk.com

Einmal noch versammelte Thomas Gottschalk alle um das letzte große TV-Lagerfeuer – und es strahlte hell: Mit 12,3 Millionen Zuschauern in Deutschland und somit einem Marktanteil von 45,3% war die finale Ausgabe von "Wetten, dass..?" ein Straßenfeger, wie es ihn mit einer Hauptabendshow praktisch nicht mehr gibt.

Top-Quote auch im ORF

Zum Vergleich: Eine "Helene Fischer Show" – als es sie noch gab – kam nicht einmal auf die Hälfte dieses Wertes und höhere Zuschauerzahlen gibt es in der Regel bestenfalls noch bei Fußball-WM-Spielen mit Deutschland-Beteiligung. Warum die Programmmacher dennoch auch weinen, liegt auf der Hand, denn mit dieser Abschiedshow hat sich Thomas Gottschalk unwiederbringlich von "Wetten, dass..?" verabschiedet. Auch in Österreich schalteten 784.000 Menschen ein – fast jeder dritte TV-Seher ließ sich somit das letzte Primetime-Hochamt von Gottschalk nicht entgehen.

Dann sage ich lieber gar nichts mehr.
Thomas Gottschalk
will sich nicht verbiegen

''Bei dritten Mal kann man es Thomas Gottschalk diesmal auch wirklich glauben, dass es abtritt. Das tat er ja bereits 1992, als er die Sendung übergab, um bei RTL zum erfolgreichen Late Night-Talker zu werden – was er nicht wurde –, das tat er 2011, als Konsequenz des Unfalls von Stelzenspringer Samuel Koch und das tat er nun eben auch am Samstagabend. Seine Begründung klang plausibel: Er will sich nach bald 50 Jahren im Showbusiness nicht mehr verbiegen: "Ich habe immer im Fernsehen das gesagt, was ich zu Hause gesagt habe. Inzwischen rede ich zu Hause anders als hier. Dann sage ich lieber gar nichts mehr."

2010 ereignete sich Kochs tragischer Unfall live in der Sendung.
2010 ereignete sich Kochs tragischer Unfall live in der Sendung.
REUTERS
Die Cancel Culture ist im TV allgegenwärtig.
Hans Mahr
Medienmanager gibt Gottschalk recht

Die Gefahr für Shitstorms wird Gottschalk zu groß, deshalb würde er gerne die Reißleine ziehen. Und sein Gedankengang ist für Kollegen nachvollziehbar. So meint etwa Ex-RTL Chef Hans Mahr zu "Heute": "Thomas hat recht: Die Cancel Culture ist auch im TV allgegenwärtig. Einen Gag loszuwerden – gefährlich. Eine flapsige Bemerkung – um Gottes Willen. Irgendwer wacht immer darüber, ob's grad noch erlaubt ist oder schon wieder nicht. Darunter leiden Spontanität und Originalität. Wer braucht schon einen Shitstorm nach jeder Sendung?", fragt sich der erfolgreiche Medienmanager.

Medienmanager Hans Mahr (hier mit seiner Gattin, der RTL-Moderatorin Katja Burkhard)
Medienmanager Hans Mahr (hier mit seiner Gattin, der RTL-Moderatorin Katja Burkhard)
Franz Neumayr

Gottschalk machte aus Matthias Schweighöfer einen Matthias Schweinsteiger… 

Aber nun zur Show: Beim Sendungsstart war innerhalb von Sekunden klar, dass egal wer auf der legendären Couch Platz nehmen würde, er alleine der Star sein würde: Der Begrüßungsapplaus sorge bereits für den ersten Gänsehaut-Moment des Abends. Also eigentlich den zweiten, denn beim Anblick von Gottschalks Fliederanzug konnte es einem schon einmal kalt den Rücken runterlaufen. Die erste echte Erkenntnis war dann, dass man als Zuschauer schnell daran erinnert wurde, wie fad "Wetten, dass..?" schnell werden kann, denn der erste Gast, Schauspieler Matthias Schweighöfer - den Gottschalk "Schweinsteiger" nannte, war ähnlich unspektakulär, wie der erste Wettkandidat, der einzelne Hähne an deren Klang wiedererkannt hat.  

Thomas Gottschalk mit Howard Donald, Mark Owen und Gary Barlow von Take That.
Thomas Gottschalk mit Howard Donald, Mark Owen und Gary Barlow von Take That.
Philipp von Ditfurth / dpa / picturedesk.com

Take That waren als musikalische Gäste sympathisch, performten brav einen Song aus ihrem zufällig gerade erschienenen neuen Album und stimmten dann auch noch ihr "Back For Good" an, so wie die es bereits 1996 in der Show gemacht haben. Drei gealterte Boyband-Stars, die für den ewig berufsjugendlichen Thomas Gottschalk singen, können schon dazu führen, dass man sich als Zuschauer ein bisschen alt fühlt.  Dann folgte der tatsächliche Bastian Schweinsteiger, der mit seiner Frau, der Tennisspielerin Ana Ivanovic kam. Ähnlich wie beim falschen Schweinsteiger davor, war das Pflicht-Gespräch eine Stimmungs-Bremse, es ging um Tennis, Fußball und die Deutschkenntnisse von Frau Ivanovic. Das nächste Highlight war dann die Kinderwette, bei der der vierzehnjährige, sonst im Rollstuhl sitzenden, Felix aus Großweikersdorf im Handstand Skateboard fuhr und Zuckerln im Flaschen beförderte. Felix scheiterte zwar knapp, bekam aber fast so viel Applaus wie Gottschalk zu Beginn der Show. 

Der Talk mit Take That ist wieder sympathisch, aber recht inhaltslos. Und auch die nächste Wette, bei der Michael Frank wettet, dass ihre Hündin Amie Zahlen erkennt, die auf englisch ausgesprochen werden, klingt nicht aufregend. Take That meinen, dass die Hündin das nicht schafft und bieten als Wetteinsatz, Zuckerwatte für das Publikum zu machen. Es gab in der Geschichte von "Wetten, dass..?" tatsächlich schon spannendere Wetten und spannendere Wetteinsätze. Amie erkannte die Zahlen und Take That machten Zuckerwatte. 

Das nächste Highlight: Helene Fischer performte ihr "Atemlos" gemeinsam mit Deutschrap-Superstar Shirin David, wobei Fischer in ihrem funkelden roten Kleid auftritt, das sie seit der Veröffentlichung des Liedes 2014 schon immer wieder getragen hat und das ihr immer noch fantastisch steht. Das Saalpublikum rastste hier förmlich aus, wahrscheinlich aber kannten die meisten Menschen im Publikum nur Helene Fischer. Das emotionale Auf und Ab geht weiter, denn mit den Schauspielern Jan Josef Liefers und Stefanie Stappenbeck folgt nun wieder ein einschläfernder Couch-Talk. Dieser wird dann aber von einem Videogruß der Rolling Stones beendet, die Gottschalk alles Gute für seine letzte Show wünschen. Gottschalk ist als großer Stones-Fan sichtlich gerührt. Man fragt sich aber schon, ob es nicht sehr viel lässiger gewesen wäre, wenn die Band tatsächlich erschienen wäre… 

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    Helene Fischer und Shirin David bei "Wetten, dass..?" am 25.11.2023 in Offenburg
    Helene Fischer und Shirin David bei "Wetten, dass..?" am 25.11.2023 in Offenburg
    IMAGO/APress

    Die Schweizer Außenwette lässt acht Männer einen sieben Tonnen schweren Zug einen Hügel hinaufziehen, was diese auch schaffen. Gottschalk meint noch: "In der Schweiz geht es von alleine bergab, bei uns besorgt das die Politik" und bemerkt sichtlich, dass er mit solchen Sagern eigentlich auch einen Shitstorm ernten könnte. Dann nehmen Helene Fischer und Shirin David auch der Couch Platz und der überraschend schlecht vorbereitete Gottschalk nennt Shirin David eine Newcomerin. Dass sie bereits 2019 ihr erstes Nummer-1 Album in Deutschland hatte, wusste er nicht. Und dann kommt der Moment, der tatsächlich einen Shitstorm hätte auslösen können, denn Shirin David spricht eloquenter über die Themen Opern und Feminismus, als es Gottschalk vermutet hätte: "Ich hätte dir die Feministin nicht angesehen“, meint er, worauf sie etwas aufgebracht meint: "Warum denn nicht? Weil ich gut aussehe?" Gottschalk versucht sich aus der Affäre zu ziehen und meint noch, er würde ja selbst gut aussehen und Feminist sein, aber David stellt klar: "Ich möchte sagen: Als Feministin können wir gut aussehen und wir können klug sein und wunderschön zugleich. Das eine schließt das andere nicht aus.“ Respekt für die Dame!

    Nach dem ersten gar nicht so faden Talk, folgt eine spektakulär unspektakuläre Wette, bei der das Ladekabel eines Handy mit eben diesem verbunden werden soll und zwar mit Hilfe eines Gabelstaplers. Das scheitert. Dann kam "Tschair", wie Thomas Gottschalk Superstar Cher geschätzte 37 Mal nannte. Sie sang ein Weihnachtslied aus ihrem neuen Weihnachtsalbum und sah mit ihren 77 Jahren keinen Tag älter aus als 62. Erstaunlich ist dann auch die Wette der Kandidatin Julia  - die aussah wie ein Taylor Swift-Double - , die Strichcodes lesen kann, was diese auch schafft. Befremdlich sind dann noch Gottschalks spontane Erzählungen über Schmerzzäpfchen, die Gottschalk vor einer Sendung in Mallorca tieffrieren musste, um sie wieder einsatzfähig zu machen…

    Es ist problematisch, wenn man mir irgendwann erklären muss, wer bei mir auf dem Sofa sitzt
    Thomas Gottschalk
    über einen der Gründe, warum er bei "Wetten, dass..?" aufhört.

    Schlimm ist dann auch der Moment, in dem Liefers und Stappenbeck den Sonny & Cher Klassiker "I got you babe" singen. "Tschair" saß daneben und verzog keine Miene, wahrscheinlich war sie dazu nach ihren vielen kosmetischen Eingriffen auch nicht in der Lage. "Das war wunderschön", log sie dann. Das Taylor Swift Double wurde dann zu Gottschalks letzter Wettkönigin und er selbst richtete sich um 23.15 Uhr zum letzten Mal an sein "Wetten, dass..?"-Publikum und erklärte seinen Abschied. Er habe keine Lust darauf, dass ihn wieder ein Produktionsleiter "anblafft", weil er schon wieder einen Shitstorm ausgelöst hat. Und: "Es ist problematisch, wenn man mir irgendwann erklären muss, wer bei mir auf dem Sofa sitzt." Im Fall von Shirin David ist dieses "irgendwann" ja bereits eingetreten.

    23.19 Uhr: Thomas Gottschalk beendete "Wetten, dass..?" zum allerersten Mal pünktlich.

    Für "Wetten dass..?"-Erfinder Frank Elstner gab es noch eine Umarmung und dann "ritt" Thomas Gottschalk um 23.19 auf einem weißen Schimmel in den Sonnenuntergang, oder genauer gesagt auf einem gelben Bagger aus dem Saal. Zum ersten Mal in der Geschichgte der Sendung endete die Show damit pünktlich. Die Ära Thomas Gottschalk von "Wetten, dass..?" ist nun Geschichte. Die Show hat gezeigt, warum auch auch in Ordnung ist. Nüchtern betrachtet waren die meisten Gäste und die meisten Wetten der Show nichts besonderes und die Themen, um die es ging ausgesprochen nichtssagend. Gottschalk hat aber das Talent, selbst für minderspannende Inhalte zu begeistern. Im Gegensatz zu jüngeren Kollegen schreibt sich Gottschalk seine Moderationen und seine Interviewfragen selber, wobei Recherche nicht seine größte Stärke ist. Er ist ja auch nicht einfach nur Moderator, er ist Showmaster. Wer auf der Couch sitzt, ist fast egal, er ist die Show. Würde es die Show öfter machen als einmal im Jahr - so wie seit 2021 - dann wäre die Wahrscheinlichkeit für die gefürchteten Shitstorm immens hoch, dafür ist seine Zunge zu flink und nach 50 Jahren im Geschäft lernt mach politische Korrektheit auch nicht mehr so schnell. 

    Thomas Gottschalk umarmte Frank Elstner im Studio.
    Thomas Gottschalk umarmte Frank Elstner im Studio.
    REUTERS

    Vertrag erneuert: Wie es nach Gottschalks Abgang mit "Wetten, dass..?" weitergehen wird:

    Die letzte "Wetten, dass?"-Show mit Gottschalk ist wahrscheinlich aber nicht das Ende der Sendung. Denn das ZDF hat sich bereits 2022 die Rechte an der Marke für weitere zehn Jahre gesichert und Insider vermuten, dass es bereits 2025 mit der Sendung weitergehen soll, nachdem das Konzept grundlegend überarbeitet wurde. Das schreit aber so oder so nach einem Moderator oder einer Moderatorin, die das Zeug zum Showmaster hat. Und das erfordert Witz, Schlagfertigkeit, Charme und Ausstrahlungskraft weiter über dem, was zum Beispiel Florian Silbereisen, Helene Fischer, Andreas Gabalier und Co. liefern können. Also muss jemand neues her. Thomas Gottschalk wird am nächsten Samstag noch "100 Jahre Disney" auf RTL (20.15 Uhr) mit Victoria Swarovski (30) moderieren, danach will aber fürs erste "sein Rentnerdasein genießen". Wenn das ZDF mit dem Jubeln und Weinen fertig ist, gibt es in Sachen "Wetten, dass..?" also jede Menge zu tun. 

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      Victoria Swarovski und Thomas Gottschalk führen durch die große "Disney"-Jubiläumsshow.
      Victoria Swarovski und Thomas Gottschalk führen durch die große "Disney"-Jubiläumsshow.
      RTL

      Die VIP-Bilder des Tages:

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        Schauspieler Florian David Fitz transportiert seinen Hund auf die etwas andere Art.
        Schauspieler Florian David Fitz transportiert seinen Hund auf die etwas andere Art.
        Instagram/florian.david.fitz
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        Akt.