Politik
"Gift", "Bremser" – so watscht Gewerkschaft Kanzler ab
Nicht nur mit vielen Arbeitslosen, Ärmeren und Frauen hat es sich der Kanzler mit dem Burger-Video verscherzt. Auch eine Gewerkschaft tobt jetzt.
Mit seinem provokanten Auftritt, der auf Video aufgezeichnet wurde, hat sich ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer ordentlich in die Nesseln gesetzt. Während ihm die eigene Partei noch den Rücken stärkt, kommt massive Kritik aus der Bevölkerung und sogar vom eigenen Koalitionspartner, den Grünen. Deutliche Worte kommen nun auch von einer Gewerkschaft. Wir erinnern uns: Im Video teilte der Kanzler vor seinem lachenden Publikum aus. Eine Arbeitszeitreduktion, wie sie von SPÖ-Chef Andreas Babler gefordert wird, werde auf dem Rücken der "Fleißigen" ausgetragen, hieß es.
"Über das darf i mit dir ja gar nicht unterhalten. Warum? Weil dann kommt nämlich die Gewerkschaft und die Wirtschaftskammer und sagt: 'Höh, putz' di. Sozialpartnerschaft!'", ätzte Nehammer. Gleichzeitig beklagte er, dass rund 38 Prozent der Arbeitnehmer einen Kollektivvertrag hätten. Mehr als zehn Prozent Lohnerhöhung, wie aktuell von den Metallern gefordert, schmeckten ihm überhaupt nicht. "Wir haben letztes Jahr versucht, dass die Lohnabschlüsse weniger hoch ausfallen", plauderte Nehammer gar aus.
„"Frauen, die nicht mehr wüssten, was ihre Pflicht wäre, Arbeitslose, die auf 'unsere' Kosten ein lustiges Leben führten"“
Er sei mit dem Angebot der Steuerfrei-Prämie, "so, dass alle was davon haben" und der Abschaffung der kalten Progression auf die Gewerkschaften zugegangen, doch die Arbeitnehmervertreter hätten auf den Durchrechnungszeitraum gepocht. "Die Gewerkschaft ist so stur", donnerte der VP-Chef mit einer Hand am Hosenbund und erhobenem Zeigefinger und beklagte den "Teilzeit-Wahnsinn", den sich das Land aufgrund des demografischen Wandels nicht leisten könne. "Wir sind alles g'lernte ÖVPler, wir wissen was leiden heißt", griff Nehammer nach Sympathien im Publikum.
Das bringt nun Marion Polaschek, Vorsitzende der Unabhängigen Gewerkschaftsfraktion im ÖGB, in Rage: "Es ist eine bekannte Szene, in der sich das aktuelle Video von Kanzler Nehammer abspielt: ein privilegierter Kreis, mehrheitlich Männer. Dazu passen auch die Themen, die der Kanzler in geselligem und vertrautem Ton diesem offenbar eingeschworenen Publikum vorträgt: Frauen, die nicht mehr wüssten, was ihre Pflicht wäre, Arbeitslose, die auf 'unsere' Kosten ein lustiges Leben führten und Sozialpartner - ja, auch die Wirtschaftsvertretungen - die nichts als Schwierigkeiten machten."
„"Dieses Gift wird bereits seit Jahrzehnten in immer wiederkehrenden und höheren Dosen regelmäßig in unterschiedliche Stellen unserer Gesellschaft gespritzt"“
"Eigentlich sollten wir alle diese Ergüsse als das behandeln, was sie sind: Überflüssiges Gift", so Polaschek, "doch dieses Gift wird bereits seit Jahrzehnten in immer wiederkehrenden und höheren Dosen regelmäßig in unterschiedliche Stellen unserer Gesellschaft gespritzt und das macht es zu einer realen Bedrohung unseres friedlichen Zusammenlebens". Man werde laut Polaschek "den Eindruck nicht los, dass es offenbar gewollt ist, unter allen Umständen Menschen gegeneinander auszuspielen, Unfrieden und Unzufriedenheit zu schüren, anstatt gemeinsam mit allen hier Lebenden, bei allen Unterschieden, an den Herausforderungen unserer Zeiten zu arbeiten".
Indirekt wirft die Gewerkschafterin dem Kanzler gar Visions- und Mutlosigkeit vor: "Alternative, Linke, sozial und menschlich Handelnde aller Weltanschauungen machen sich da weitaus mehr Mühe in ihren Bestrebungen für ein gutes Leben für alle. Sie wissen einfach, dass Zusammenleben aktiven Einsatz und Arbeit bedeutet, wie in allen erfolgreichen Beziehungen." Und: "Wer Arbeitslosen und armutsgefährdeten Menschen vorwirft, es sich leicht zu machen, und gleichzeitig billige Vereinfachungen und simple Konzepte propagiert, der ist der eigentliche Bremser für positiven Fortschritt und allgemeinen Wohlstand und hat wohl auch keine Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit."