Politik

Geheimplan – das passiert, wenn Putin das Gas abdreht

Die Russen liefern nur bereits noch einen Bruchteil der vereinbarten Gasmenge. Sollte der Gasfluss vollständig versiegen, wird dieser Plan aktiviert.

Roman Palman
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Wladimir Putin könnte jederzeit das Gas abdrehen. Energieministerin Gewessler hat dafür Notfallpläne.
Wladimir Putin könnte jederzeit das Gas abdrehen. Energieministerin Gewessler hat dafür Notfallpläne.
Reuters; picturedesk.com

"Die aktuelle Lage ist ernst. Russland ist kein verlässlicher Partner mehr", warnt Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Sonntag. Wladimir Putin setzte Energielieferungen als Waffe ein – Österreich und der Rest Europas bekommen das aktuell deutlich zu spüren.

Wegen der immer noch hohen Abhängigkeit von russischem Erdgas hätte ein plötzlicher Ausfall aller Lieferungen weiterreichende Folgen für unser Land. "Deshalb überwachen wir die Situation rund um die Uhr. Und wir bereiten uns auf den absoluten Ernstfall vor", betont die 44-Jährige. Für jedes Szenario gibt es bereits einen Notfallplan. So sieht er aus:

Österreichs Plan für die Gaskrise

Die notwendigen Schritte werden wie auch in Deutschland durch einen dreistufigen Gasnotfallplan auf Basis einer EU-Verordnung vorgegeben. Dazu gibt es dann noch das Energielenkungsgesetz, das Gewessler in Abstimmung mit dem Nationalrat und dem Energielenkungsbeirat weitreichende Befugnisse zur Sicherung der Energieversorgung geben würde. Dieses kommt aber nur in der letzten Stufe des Notfallplans zum Einsatz.

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Frühwarnstufe – was aktuell gilt

Aktuell gilt in Österreich nur die erste, die Frühwarnstufe. Diese wurde durch das Krisenkabinett der Bundesregierung am 30. März 2022 ausgerufen, nachdem Putin ankündigte, dass Gaslieferungen nur noch in Rubel bezahlt werden können.

Die Ausrufung der Frühwarnstufe hat mehrere konkrete Maßnahmen zur Folge, die vor allem die engmaschige Überwachung der Gasversorgung betreffen. So werden unter anderem die Gasflüsse nach Österreich rund um die Uhr überwacht und dem Energieministerium und neu eingesetzten Krisenstab täglich Bericht über angemeldete Importe und Einspeicherung erstattet. Zudem wurden gesetzliche Maßnahmen zum Auffüllen der Gasspeicher beschlossen.

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Alarmstufe – was auf uns zu kommt

Im Gegensatz zu Deutschland wurde hierzulande die Alarmstufe noch nicht aktiviert. Diese wird nur als unmittelbare Vorbereitungen für den Ernstfall ausgerufen, etwa wenn die wegbrechenden Gaslieferungen nicht mehr durch Zukauf von anderen Anbietern kompensiert werden können. Momentan gelingt Österreich das noch, die Versorgung ist uneingeschränkt möglich.

"Sollte es Anzeichen dafür geben, dass die Versorgungssicherheit oder auch schon die Erreichung des Speicherziels gefährdet sind, wird die Alarmstufe ausgerufen", erklärt das Energieministerium.

Große Gasverbraucher müssen nach Ausrufung der Alarmstufe ihren geplanten Verbrauch für die nächsten Wochen täglich der E-Control einmelden. Diese adaptiert auf Basis dieser Meldungen alle Notfallpläne tagesaktuell. 

Die notwendigen Systeme für die Gasverteilung im Krisenfall wie FlexMOL werden in Betriebsbereitschaft versetzt.

Was FlexMOL leistet
FlexMOL ist ein Handelssystem der AGGM für den Fall einer Knappheit von Erdgas. Über dieses System können Gasmengen unter den einzelnen Unternehmen gehandelt werden. Reduziert oder stoppt ein Unternehmen aufgrund der hohen Gaspreise die Produktion, können die überschüssigen Gasmengen an andere Unternehmen verkauft werden.

Und: Unternehmen werden durch das Energieministerium und E-Control aufgefordert, Gas einzusparen und wo möglich durch andere Energieträger zu substituieren.

Sollte Kreml-Despot Putin nun von einem Tag auf den anderen den Gashahn komplett abdrehen, dann hätte Österreich ein Problem:

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Notfallstufe

"Die Notfallstufe ist unser Plan für den absoluten Ernstfall. Hier wird die Energielenkung in Kraft gesetzt. Das heißt: Große Unternehmen müssen ihren Gasverbrauch reduzieren, damit genug Gas für die Haushalte und Krankenhäuser oder Altenheime zur Verfügung steht", erklärt Gewessler dazu.

Klimaministerin Leonore Gewessler.
Klimaministerin Leonore Gewessler.
GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com

Die konkret gesetzten Maßnahmen werden dann der Einschätzung des Krisenkabinett der Bundesregierung folgen. Dort sitzen neben Energie-Experten auch Vertreter des Außenministeriums und der heimischen Nachrichtendienste.

"Es werden auf Basis dieser Variablen dann jene Maßnahmen gesetzt, die notwendige sind, die Versorgung für unser Land zu sichern. Und uns mit ausreichenden Mengen über den Winter zu bringen".

Das sind die Notfall-Maßnahmen

In der Notfallstufe sind alle Unternehmen verpflichtet, sich an FlexMOL zu beteiligen. Wer auf andere Energieträger als Gas umsteigen kann, muss dies verpflichtend tun. Gleichzeitig werden alle (Schadstoff-)Grenzwerte für die Substitution für die Dauer der Krise ausgehebelt.

Die inländische Gasproduktion wird – sofern möglich – weiter gesteigert. Und: An alle Unternehmen und Haushalte ergeht ein Aufruf zum Energiesparen.

Gaspreise werden durch die Decke gehen

In diesem Krisenfall werden die Gaspreise nach Einschätzung des Ministeriums weiter stark steigen. Das ist aber sogar gewollt, denn dadurch werden immer mehr Unternehmen ihren Verbrauch einsteigen, wodurch mehr Gas für die Versorgung der lebenswichtigen Produktion verfügbar bleibt.

Durch dieses Maßnahmenset soll unmittelbar eine signifikante Verbrauchsreduktion von Erdgas erreicht werden. "Wenn diese Reduktion aufgrund hoher Speicherstände und alternativer Versorgungsrouten ausreicht, um die Versorgung zu sichern, werden keine weiteren Maßnahmen ergriffen", so das Büro Gewesslers. 

Aber klar ist: Wenn es soweit kommt, befindet sich unser Land in einer weitreichenden Krise. In diesem Fall rechnet die Regierung damit, dass auch staatliche Hilfen für Unternehmen und Einzelpersonen erforderlich werden.

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Das "absolute Notfall"-Szenario

Wenn die Berechnungen zeigen, dass weitere Schritte notwendig sind, folgt die verpflichtende Einschränkung des Gasverbrauchs von großen Unternehmen, die pro Stunde mehr als 50.000 Kilowattstunden Erdgas verbrennen. Zum Vergleich: Ein durchschnittlicher Haushalt benötigt laut Energieministerium etwa 15.000 Kilowattstunden PRO JAHR.

Konkret trifft dieser Einschnitt dann rund 35 Industriebetriebe, die nicht in einem systemrelevanten Bereich tätig sind. "Mit dieser Maßnahme kann aller Voraussicht nach auch ein längerfristiger Versorgungsengpass überbrückt werden", zeigt sich das Ressort zuversichtlich. Neben diesem Sicherheitsnetz gibt es aber noch einen doppelten Boden.

Alle müssen einsparen

Sollte der Fall eintreten, dass auch diese Maßnahme nicht ausreicht, kommt als letzte Stufe die Einschränkung von allen Unternehmen mit Lastprofilzählern zum Tragen. Davon betroffen sind etwa 7.500 Unternehmen mit einem Gasverbrauch von über 400.000 Kilowattstunden pro Jahr.

Im Fall einer Lieferunterbrechung werde die Bundesregierung die gesamte Bevölkerung und die Wirtschaft mittels Sparaufruf um Mithilfe bitten. Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen werde desto geringer sein, je intensiver der Gasverbrauch reduziert werde.

Bei dieser Maßnahme handele es sich aber nur um das "Sicherheitsnetz für den absoluten Notfall", betont das Energieministerium. Bei den allermeisten errechneten Szenarien würde auch schon die Einschränkung der Großverbraucher ausreichen.

"Raus aus Erdgas"

"Unsere Versicherung sind unsere großen Gasspeicher. Das zentrale Ziel ist deshalb: Volle Speicher vor dem nächsten Winter", konstatiert Gewessler. Es gibt aber nur einen echten Weg: "Wir müssen raus aus Erdgas. Denn echte Unabhängigkeit gibt es nur, wenn wir unsere Energie selbst erzeugen."

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