Ringen um Steuern, AMS-Geld

Geheim-Papier enthüllt Ampel-Pläne und Streitpunkte

Kanzler Karl Nehammer ringt mit SPÖ und Neos um eine neue Regierung. "Heute" erfuhr nun: Die Knackpunkte sind groß. Mehr als 65 Themen sind offen.

Geheim-Papier enthüllt Ampel-Pläne und Streitpunkte
Durchhalten: Babler und Nehammer mit Meinl-Reisinger
Helmut Graf

Rund drei Stunden haben die mehr als 20 Mitglieder der Steuerungsgruppe am Dienstag im Wiener Palais Epstein über eine neue Ampel-Koalition verhandelt. Danach traten ÖVP-Chef Karl Nehammer, SPÖ-Vorsitzender Andreas Babler und Neos-Obfrau Beate Meinl-Reisinger vor die Medien und mühten sich nach Kräften, die Gespräche als konstruktiv zu beschreiben.

Größter Knackpunkt Steuern

Aber: Hinter den Kulissen toben weiter erbitterte ideologische Kämpfe. Ein hochrangiger Ampel-Verhandler gewährte "Heute" nun Einblick in das geheime Master-Dokument, das jene Vorhaben listet, die außer Streit gestellt werden konnten und auch die Knackpunkte aufzeigt.

Bei mehr als 65 (!) zentralen Vorhaben der drei Parteien liegen die Positionen so weit auseinander, dass die Ampel auf Rot steht. Wie bereits mehrfach berichtet, spießt es sich in der "Einser-Gruppe" (Steuern, Standort) am meisten.

"Die SPÖ kann hier einfach nicht über ihren ideologischen Schatten springen, verlangt nicht nur Vermögens- und Erbschaftssteuern, sondern fordert auch eine Stiftungssteuer, eine Banken-Solidarabgabe und eine Energiekonzern-Steuer. Als Volkspartei können wir hier einfach nicht zustimmen – unser Obmann Karl Nehammer hat im Wahlkampf bekanntlich neue Steuern explizit ausgeschlossen", sagt ein schwarzer Grande im "Heute"-Gespräch.

SPÖ, ÖVP: Nein zu Föderalismus-Reform

Während etwa ein Konjunkturpaket zur Ankurbelung der Wirtschaft vorgezogen werden soll und auch ein Wirtshauspaket samt Lockerung der Prüfpflichten mittlerweile Konsens ist, gibt es keine rote Zustimmung zu den Neos-Forderungen nach einer Föderalismus-Reform und der Sonntagsöffnung, mit der der heuer verstorbene Baumeister Richard Lugner seine Freude gehabt hätte.

Die Roten beharren auf einem Einfrieren der Mieten bis 2027 und einem Zinsdeckel – das ist ja wie in einer Planwirtschaft.
ÖVP-Verhandler
erbost über rote Forderungen

Blockiert wird von den Roten auch die Senkung der Lohnnebenkosten – eine Forderung, die sowohl ÖVP als auch Neos erheben. Auch die im "Österreichplan" des Kanzlers vorgestellten Leistungsanreize (Überstunden und Zuverdienst in der Pension steuerfrei stellen) stoßen auf Widerstand in der SPÖ.

Wo sich die Ampel einig ist (Auszug)

- Konjunkturpaket
- Entbürokratisierung
- Sozialhilfe neu
- Integrationsprogramm mit Leistungskürzungen
- Reduktion Parteienförderung und Inserate öffentlicher Stellen
- Autobahn- und Bahnausbau
- Orientierungsklassen für Quereinsteiger
- Kopftuchverbot für Mädchen bis 14
- kürzere Wartezeiten auf Kassenarzt-Termine
- Kinderbetreuungsoffensive

Harmonischeres Klima herrschte im Cluster Sicherheit und Migration. Hier konnten etwa – wie von "Heute" berichtet – der neue Anlauf zu einem Kopftuchverbot für Mädchen bis 14 Jahre, verpflichtende gemeinnützige Arbeit von Asylwerbern und die Fußfessel für Gefährder auf Grün gestellt werden.

SPÖ gegen Sachleistungskarte

Offen: Die ÖVP-Forderungen nach Genderverbot, Sachleistungskarte wie in NÖ und der Steiermark, das Aussetzen des Familiennachzugs und die der christlich-sozialen Volkspartei wichtige Leitkultur. Spannend: Obwohl die Forderung von SPÖ-Landesparteichef Sven Hergovich erhoben worden war, legen sich die Ampel-Verhandler beim Verbotsgesetz für den politischen Islam quer.

Fällt ORF-Haushaltsabgabe doch noch?

Rosarot sieht die Welt für die Neos bei ihren Forderungen nach einer Anhörung für Minister, einer Inseraten-Obergrenze und der Erhöhung des effektiven Pensionsantrittsalters aus. Die gebeutelte Medienlandschaft soll durch eine Vertriebsförderung gestützt werden. Wie schon bei den Grünen, beißt die ÖVP bei ihrem Ansinnen, die Haushaltsabgabe zu kippen und den ORF aus dem Budget zu finanzieren, auf Granit.

Babler bekommt "Kindergrundsicherung light"

Entgegengekommen ist man SPÖ-Chef Andreas Babler bei seinem Herzensanliegen einer Kindergrundsicherung (wenn auch nicht in jenem Ausmaß, in dem er es gemeinsam mit der Volkshilfe gefordert hatte). Einig ist man sich auch, die Wartezeit auf einen Kassenarzt-Termin massiv senken zu wollen und ein "Preis-Monitoring" einzuführen.

"Das alles kostet schon viele Milliarden. Und dann rückt die SPÖ nicht von einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes in budgetär extrem angespannten Zeiten ab", zürnt ein VP-Grande. Und fügt an: "Die Roten beharren auch auf einem Einfrieren der Mieten bis 2027 und einem Zinsdeckel – das ist ja wirklich beinahe wie in einer Planwirtschaft." Die SPÖ blockiert im Gegenzug die ÖVP-Forderung nach dem dauerhaften Aus für die Grunderwerbssteuer aufs Eigenheim.

Fristenlösung für Schwarze No-Go

Während die ÖVP murrend bei der kostenlosen Verhütung der SPÖ zugestimmt hat, bleiben die Schwarzen bei der Neuregelung der Fristenlösung, die der roten Frauenchefin Eva-Maria Holzleitner ein zentrales Anliegen ist, bei ihrer ablehnenden Haltung.

Was mit den Grünen nie möglich war: Ein Ausbau der Autobahnen und des umstrittenen Lobautunnels nehmen nun Fahrt auf. Neu eingerichtet wird eine "Fast Lane" für Jungfamilien bei der Vermietung gemeinnütziger Wohnungen. Verdribbelt hat man sich hingegen bei den Gesprächen über ein neues Nationalstadion – der abgesetzte Landeschef Christopher Drexler wollte es bekanntlich in der Steiermark. Daraus wird nichts.

Was sagen die Verhandler offiziell zu alldem? Nicht viel. Es seien "wesentliche Fortschritte" nach "mehr als intensiven Wochen" erzielt worden, betonte Kanzler Karl Nehammer. Beim Blick auf das "Heute" vorliegende Geheim-Dossier kommen hier Zweifel auf. Große Leuchtturm-Projekte fehlen bisher völlig. Sie werden auch von den Neos vehement eingefordert. Alle drei Obleute versicherten, dass man auch über die Feiertage weiter verhandeln werde. "Es wird keine Regierung unterm Christbaum geben", formulierte es Meinl-Reisinger. Keine sehr gewagte Prognose ...

Diese Teams von ÖVP, SPÖ und Neos verhandeln die Ampel

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    Großes Medieninteresse: Kanzler Karl Nehammer und das ÖVP-Verhandlerteam.
    Großes Medieninteresse: Kanzler Karl Nehammer und das ÖVP-Verhandlerteam.
    Helmut Graf

    Derzeit im Fokus der Userinnen und User von Heute.at im Ressort "Nachrichten" ist die aktuell meistgelesene Story "". Ist dir etwas aufgefallen oder hast du einen Input für uns, dann schreib uns ein Mail.

    Auf den Punkt gebracht

    • Ein Ampel-Insider berichtet über die schwierigen Verhandlungen zur Bildung einer neuen Koalition in Österreich, bei denen zahlreiche Streitpunkte zwischen ÖVP, SPÖ und Neos bestehen.
    • Besonders kontrovers sind die Themen Steuern, Föderalismus-Reform und Arbeitslosengeld, während in Bereichen wie Sicherheit und Migration Einigungen erzielt wurden.
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