Politik
"Furchtbar" – Ex-Ministerin rechnet mit System ab
Österreichs Gesundheitssystem krankt – und bisher tut sich wenig, um das zu ändern. Ex-Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky rechnet mit dem System ab.
Die heimischen Krankenhäuser sind schwerst überlastet, halten bereits Warnstreiks ab – und berichten dennoch von wenig, das gegen den Personalmangel getan werde. Zudem gibt es zu wenig Kassenärzte, die Zahl der offenen Kassenstellen explodiert und zwischen Bund, Ländern und Gemeinden wird um das Geld für den Gesundheitsbereich gestritten. "Menschen finden keinen Arzt, das ist die Realität", hatte Wiens SPÖ-Gesundheitsstadtrat Peter Hacker erst unlängst in der ORF-"ZIB2" verlautbart. Am Dienstagabend ließ die ehemalige ÖVP-Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky aufhorchen.
Die Ex-Politikerin war erst unlängst aus Protest gegen die schwarz-blauen Pläne in Niederösterreich aus ÖVP ausgetreten, wie Moderator Armin Wolf anmerkte. Die in Österreich verstärkt geplanten Primärversorgungszentren würden "von der Idee her das System entlasten", aber leider sei es "wieder nicht geglückt", dass das Augenmerk auf Berufsgruppen wie Physiotherapie "und viele andere auch" gelegt wurde. "Wir nehmen wieder einen Baustein und versuchen, was zu kitten, wo sich ein großes Loch zeigt (...) und sehen nicht das Ganze", so Kdolsky. Der Ärztemangel werde auch die Zentren treffen.
"In den letzten 70 Jahren bequem gemacht"
Eines der Grundprobleme sei, dass man "auf den Grund geht, warum etwas so ist", das passiere aber im Gesundheitssystem nicht, so die Fachärztin. Die Rahmenbedingungen würden nicht passender, wenn man aus 300 offenen Kassenstellen jetzt 400 mache. Stattdessen müsse das System "flexibler, strukturierter und transparenter" werden, junge Leute würden klare Strukturen wünschen und sich nicht "in finanzielle Abenteuer stürzen" wollen und in Teams arbeiten wollen, statt Einzelkämpfer zu sein. Das Problem sei aber auch die "Zersplittertheit bei der Meinungsbildung".
Irgendwer müsse irgendwann eine Entscheidung treffen, das passiere bei uns nicht, so die Ex-Ministerin. Teilweise könne der Gesundheitsminister oder die Gesundheitsministerin Dinge zwar einfach umsetzen, vieles werde aber oft im Parlament von den Ländern gestoppt, die müssten nicht einmal Gründe dafür nennen, so Kdolsky: "Da können Sie Gesetze einbringen, es geht einfach nicht." Das Problem seien "die verschiedenen Stakeholder, die es sich in den letzten 70 Jahren bequem gemacht haben". Es gehe um Milliarden, "und die verteilen sich natürlich gut", so Kdolsky.
"Was ich jetzt sage, klingt furchtbar"
Ein nur durch Steuern finanziertes System wie in Skandinavien würde da besser funktionieren und es wären schnellere Maßnahmen möglich, so die ehemalige Politikerin. Beispielsweise ein Abschaffen der Sozialversicherung würde lange dauern, es wäre aber generell längst an der Zeit, dass man das System neu gestalte, so Kdolsky. Das Zusammenlegen der Kassen in der Vergangenheit sei dagegen "Augenauswischerei" gewesen, für das viel Geld in die Hand genommen wurde. Man wolle eben niemandem aus der eigenen Klientel "auf die Zehen steigen".
Und Kdolsky hatte auch noch eine schockierende Ansage parat: "Noch halten engagierte Gesundheitsberufe den Gesamtbereich", so Kdolsky, aber letztendlich glaube sie, "und was ich jetzt sage, klingt furchtbar", dass den Patienten bisher noch nichts passiert sei, außer dass es längere Wartezeiten gebe, was beispielsweise bei Krebspatienten unschön sei. Es könne aber passieren, dass Menschen zu spät ins Spital kämen und deswegen sterben würden – vielleicht gebe es dann endlich ein Umdenken, so Kdolsky.