Politik
Experten warnen vor dem Ende von U-Ausschüssen
45 Sitzungen für nichts? Der ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss steht vermutlich vor dem Ende, nun wird über die Zukunft diskutiert.
Der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss stockt und dürfte nun kurz vor seinem kompletten Ende stehen. Seit 9. Dezember 2021 nach Aufkommen der Chat-Affäre in Österreichs Politik wurde zwar 45 Mal zur Sitzung gerufen, dort aber mehr über die Verfahrensordnung diskutiert und gestritten, statt Auskunftspersonen befragt. Dabei hätte eigentlich den Vorwürfen auf den Grund gegangen werden sollen, ob sich die ÖVP und ihre Akteure rechtswidrig Vorteile durch ihre Stellung im Staat verschafft hätten.
Obwohl außer der ÖVP alle Parteien an einer Fortführung des U-Ausschusses interessiert waren, ist er nun zu Ende. Die ÖVP verhinderte im Rahmen einer informellen Sitzung der Fraktionsführer im U-Ausschuss eine weitere Geschäftsordnungssitzung. Somit wird es unmöglich, fristgerecht weitere Auskunftspersonen zu laden und neue Beweisanträge in der Sache zu stellen. Dass auch Befragte einfach schweigen konnten, sorgte ebenfalls für Wirbel. Machen U-Ausschüsse da überhaupt noch irgendeinen Sinn?
Dieser Frage gingen am späten Donnerstagabend der ehemalige U-Ausschuss-Verfahrensrichter Eduard Strauss und Politikwissenschaftler Peter Filzmaier bei ORF-Moderator Martin Thür in der "ZIB2" nach. Erst verlängert, dann beendet sei er worden, der U-Ausschuss, bilanzierte Filzmaier, das Ende sei "nichts anderes als logisch" gewesen, denn von Anfang an seien die Fronten zwischen den Parteien noch deutlicher verhärtet gewesen als sonst schon üblich. Dass schon über den strafrechtlichen Tatbestand im Titel "ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss" gestritten wurde, habe das vorahnen lassen.
Warnungen vor kompletter Abschaffung
Es habe auch mehr Stehungen und Beratungen zur Verfahrensordnung als eigentliche Befragungen gegeben, so Filzmaier, das Ende sei jedenfalls "ein Imageschaden" für die politischen Parteien, für das Parlament und für die Demokratie. Ein solches Ende sei "vermeidbar" gewesen, sagte Strauss, "ich verstehe überhaupt nicht, warum man nicht miteinander reden kann und zu einem guten Ergebnis kommen kann". Es gehe anders, so der ehemalige U-Ausschuss-Verfahrensrichter, man müsse sich eben zusammenraufen.
Was die Zukunft der U-Ausschüsse in Österreich angehe, warnten beide Befragten davor, dieses Instrument einfach abzuschaffen. Man dürfe nicht den letzten Ort wegnehmen, an dem Politiker unter Wahrheitspflicht antworten müssten, so Filzmaier, da gehe es auch um die Signalwirkung nach außen. Abschaffen sei auch für Strasser keine Option, "dahingestellt" sei aber, ob man U-Ausschüsse generell reformieren und "verschlimmbessern" wolle. "Das Wichtigste ist, dass die Abgeordneten eine anständige Begegnung pflegen untereinander", so Strasser.
Im Zweifelsfall für Live-Übertragungen
Live-Übertragungen aus U-Ausschüssen könne sich wiederum Filzmaier vorstellen, man gebe damit aber auch dem Drang der Inszenierung der Politiker nach. Der jetzige Zustand sei aber noch weniger zufriedenstellend, so Filzmaier, ein Politiker einer Partei schildere der Öffentlichkeit am Rande des Ausschusses die Antworten und Emotionen anderer Politiker und Befragter. Aber: "Für die Transparenz, ja warum nicht live im Fernsehen", so der Politikwissenschaftler. Die Vorsitzführung von Wolfgang Sobotka sahen wiederum beide Befragten kritisch – sinnvoll sei sie nicht gewesen, aber nun mal so geregelt, so Strauss.