FPÖ-Kanzler in Brüssel?
Experte packt aus – So viel Macht hätte Kickl in der EU
Die ÖVP will von der FPÖ einen Pakt zu gemeinsamem Vorgehen auf EU-Ebene, um Alleingänge eines blauen Kanzlers zu verhindern. Ein Experte ordnet ein.
Für Aufregung bis heute sorgt der Alleingang von Grünen-Klimaministerin Leonore Gewessler beim Ja zum EU-Renaturierungsgesetz in Brüssel – entgegen der Linie des großen Koalitionspartners ÖVP. In den laufenden Koalitionsgesprächen der ÖVP mit der bekanntermaßen EU-kritisch eingestellten FPÖ will die Volkspartei einen solchen Alleingang künftig verhindern und den Freiheitlichen einen Pakt aufzwingen, der die Partner zu einer gemeinsamen EU-Linie zwingen soll. Wie das im Detail aussehen soll, ist bisher völlig offen.
Zum Plan von ÖVP-Chef Christian Stocker, offenbar einen FPÖ-Kanzler Herbert Kickl auf EU-Ebene an die politische Leine zu legen, nahm am späten Freitagabend der EU-Experte Stefan Lehne in der "ZIB2" bei ORF-Moderator Martin Thür Stellung. "Letztlich sitzt er im Europäischen Rat ganz alleine", er sei in den Verhandlungen "ziemlich auf sich gestellt", so Lehne dazu, wie viel Macht ein FPÖ-Kanzler im Europäischen Rat habe und ob er bei seinen Entscheidungen auf den Koalitionspartner in Wien Rücksicht nehmen müsse.
EU-Alleingänger "fast schon eine eigene Fraktion"
Ein Bundeskanzler könne aber nicht zum Beispiel ohne weiteres der Unterzeichnung eines Mercosur-Abkommens zustimmen, so Lehne, aber sehr wohl viele andere, weitreichende Entscheidungen im Alleingang treffen. Werde das auch so passieren? "Die FPÖ war schon zweimal in Koalitionen mit der ÖVP in diesem Jahrhundert", so Lehne, beide Male sei sie nicht sonderlich auffällig geworden und habe die Europapolitik der ÖVP überlassen, so Lehne. Das sehe nun aber anders aus: Kickl habe die traditionelle EU-Skepsis der Partei verschärft.
Der Experte ortete zudem, dass Kickl, sollte er Bundeskanzler werden, im Europäischen Rat trotz Koalitionspartner und Absprachen in Wien im Endeffekt alleine bestimmen könne. Zudem habe sich auch die machtpolitische Konstruktion im Rat verändert. Ungarns Premier Viktor Orbán habe bisher im Rat immer wieder EU-kritische Positionen vertreten, damit sei er bisher aber völlig alleine gewesen. Nun habe er aber mit dem slowakischen Premier Robert Fico einen Verbündeten gefunden – komme Kickl dazu, gebe es "fast schon eine eigene Fraktion", mit der sich Europa schwerer tun würde, gewisse Positionen zu vertreten, so Lehne.
Experte erklärt das wahre Problem auf EU-Ebene
Das Problem sei dabei gar nicht so, dass rechtspopulistische Politiker Entscheidungen für die EU treffen könnten, sondern vielmehr, dass sie Entscheidungen der anderen EU-Parlamentarier blockieren könnten, die nicht ihrer politischen Agenda entsprechen würden, so Lehne. Das bringe die EU in eine heikle Situation, immerhin sei sie in einer kritischen Situation, mit Spaltungstendenzen und einem drohenden Handelskrieg mit Donald Trump aus dem Westen und einem hybriden Krieg im Osten mit Wladimir Putins Angriffskrieg auf die Ukraine.
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Auf den Punkt gebracht
- Die ÖVP fordert von der FPÖ einen Pakt, um Alleingänge eines möglichen FPÖ-Kanzlers Herbert Kickl auf EU-Ebene zu verhindern.
- Der EU-Experte Stefan Lehne betont, dass Kickl im Europäischen Rat trotz Koalitionspartner in Wien weitreichende Entscheidungen alleine treffen könnte, was die EU in eine schwierige Lage bringen würde, insbesondere angesichts der aktuellen geopolitischen Spannungen.