In Europa herrscht ein Krieg, US-Präsident Donald Trump befeuert den Konflikt und es kommt zu einem nuklearen Wettrüsten. Eine Situation, die für viele Menschen in Österreich neu ist und durchaus Sorgen und Ängste bereitet. Ob es aufgrund dessen aktuell merklich mehr Hilfebedarf im psychotherapeutischen Bereich gibt, wie man mit den Ängsten umgeht und inwieweit man mit Kindern darüber sprechen sollte, hat bei Dr. Georg Psota, Chefarzt der Psychosozialen Dienste in Wien, gegenüber "Heute" beantwortet.
Das Thema Krieg ist mittlerweile auch in Österreich allgegenwärtig. Hat das zu einem erhöhten Zulauf bei den sozialpsychiatrischen Ambulatorien geführt?
Dr. Georg Psota: Das Thema kann man nicht mehr verleugnen, schließlich sind Russland und die Ukraine nicht weit von uns weg. Ob es einen Anstieg von psychologisch, psychotherapeutisch, psychiatrischem Hilfebedarf in Zeiten multipler Krisen gibt? Ja, eindeutig. In Österreich ist ein genereller Anstieg zu bemerken, ob ausgerechnet die Angst vor einem Krieg dazu führt, kann ich ohne Daten allerdings nicht seriös beantworten.
Kommt das Thema jedoch häufiger vor?
Ja, die Patienten kommen zwar aus anderen Gründen, fragt man jedoch nach den Sorgen und Ängsten ist der Krieg als bedrohliches Ereignis oder als bedrohlicher Umstand neben Umwelt und Existenziellen zum Thema Nummer ein geworden.
„Krieg als bedrohliches Ereignis oder als bedrohlicher Umstand ist neben Umwelt und Existenziellen zum Thema Nummer ein geworden.“
Welche Altersgruppen betrifft das?
Alle.
Sorgenhotline Wien: REDEN HILFT.
Kostenfrei und anonyme Telefonberatung unter 01 4000 53000
Die Sorgenhotline Wien ist eine erste Anlaufstelle bei psychosozialen Belastungen für alle Menschen in Wien. Die Hotline bietet telefonische Abklärung, Entlastung und direkte, schnelle Beratung – damit Sorgen, Probleme und Belastungen möglichst nicht zu einer Krise werden!
https://psd-wien.at/sorgenhotline-wien
FIRST LEVEL SUPPORT (FLS)
Die Sozialpsychiatrische Soforthilfe für Kinder und Jugendliche: Beratung und Information bei psychiatrischen und psychosozialen Belastungen durch klinische Psycholog*innen, diplomierte psychiatrische Gesundheits- und Krankenpflegepersonen und Sozialarbeiter*innen.
Unter der Telefonnummer 01/31 330 bzw. unter der E-Mail Adresse fls@psd-wien.at werktags von 8:00 bis 20:00 Uhr.
https://psd-wien.at/first-level-support
Sozialpsychiatrischer Notdienst des PSD-Wien: 01 31330. (täglich 24 Stunden)
Kriseninterventionszentrum Wien: +43 1 4069595. (Montag bis Freitag 10.00 bis 17.00 Uhr)
Wie geht man mit dieser Angst am besten um?
Indem man sich in erster Linie vor einer Überflutung mit grauslichen Informationen schützt und bewusst auf sich schaut. Speziell am Abend sollte man darauf verzichten, besonders viele negative Informationen zu konsumieren.
An dieser Stelle drängt sich die Frage auf, warum uns ausgerechnet negative Informationen so sehr fesseln?
Negative Informationen schnell zu erfassen, ist für die Gefahrenabwehr wichtig. Es liegt also in der Natur des Menschen.
Welche Möglichkeiten gibt es noch?
Ich habe die Möglichkeit, auf mich zu schauen und darauf zu achten, weiterhin einen vernünftigen Schlafrhythmus zu haben. Ich kann mit anderen Menschen über meine Sorgen und Ängste reden. Das ist vielleicht der allerwichtigste Punkt. Womit man sich auch schützen kann, ist eine persönlich realistische Dimension zu dem Thema. Es klingt jetzt vielleicht ein wenig überraschend, aber die grundsätzliche Einsicht, dass das Leben immer lebensgefährlich ist, ist auch kein Fehler. Außerdem sollte man sich vor Augen führen, dass jemand, der in dritter Generation in Österreich in Frieden aufwächst, wohl nicht so viel Angst haben muss, wie jemand, der in der Ukraine lebt.
„Die grundsätzliche Einsicht, dass das Leben immer lebensgefährlich ist, ist auch kein Fehler.“
Was kommt nach der Angst?
Akute Angstreaktionen, die es zu vermeiden gilt. Kommt es so weit, hat der Mensch nur drei Möglichkeiten zu reagieren, entweder zu erstarren, zu flüchten oder zu kämpfen. Damit es nicht zu einer akuten Panik kommt, muss die Situation annehmen, mich darauf einstellen und überlegen, wie ich die Angst relativieren und was ich dagegen unternehmen kann.
Gibt es in Österreich bereits eine akute Angst?
Nein, es ist gerade einmal das Thema, das in den Raum gekommen ist. Wobei das für eine Gegend der Welt, wo es seit 80 Jahren Frieden gibt, schon schlimm genug ist. Es ist jedoch auch ungewöhnlich, dass man überhaupt wo leben darf, wo es seit 80 Jahren Frieden gibt, darüber muss man sich einmal im Klaren sein. Wenn ich trotzdem permanent Angst habe, dass Atombomben durch die Gegend fliegen könnten, ich mich davon überhaupt nicht mehr lösen kann und das wirklich meinen Schlafrhythmus und mein ganzes Leben beeinflusst, dann wird es gut sein, wenn ich mich in eine Therapie oder Behandlung begebe.
Soll man mit Kindern darüber reden oder das Thema von ihnen fernhalten?
In erster Linie gilt es wirklich, Kinder davor zu schützen, dass sie sich nicht allzu intensiv mit dem Thema beschäftigen - zumal es hierzulande ein sehr abstraktes Thema ist. Solange dem so ist, ist es nicht notwendig, dass wir die Kinder in unsere Sorgen und Ängste miteinbeziehen. Schaut ein Kind unter zehn Jahren die Nachrichten mit, ist es wichtig, seine Fragen dazu ehrlich und mit dem Gefühl der Sicherheit, die man vermitteln möchte, zu antworten. Hat man selbst ein Gefühl der Sicherheit, dann überträgt sich das auch auf das Kind.