Politik

"Exodus auslösen" – was Kanzler Nehammer nun droht

Die ÖVP verliert auf einen Schlag gleich zwei Ministerinnen, der Kanzler gibt sich wortkarg. Ein Experte nennt die größten Gefahren für Karl Nehammer.

Rene Findenig
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Bundeskanzler Karl Nehammer verliert gleich zwei Ministerinnen – nun muss er die ÖVP stabilisieren.
Bundeskanzler Karl Nehammer verliert gleich zwei Ministerinnen – nun muss er die ÖVP stabilisieren.
Florian Schroetter / EXPA / picturedesk.com

Der Montag ließ die politische Landschaft in Österreich erbeben. Die ÖVP verlor innerhalb weniger Stunden mit den Rücktritten von Elisabeth Köstinger und Margarete Schramböck gleich zwei Ministerinnen aus einen Schlag, die Grünen und der Kanzler gaben sich wortkarg, FPÖ und SPÖ wollen Neuwahlen und die NEOS eine neue Politik. Wer den Ministerinnen nachfolgen soll, ist bisher vollkommen unklar. Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) sei zwar in der Theorie in seiner Entscheidung vollkommen frei, aber nicht in der Praxis, so der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier am Montagabend in der ORF-"ZiB 2".

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    2017 begann die Karriere von Schramböck in der Spitzenpolitik. 
    2017 begann die Karriere von Schramböck in der Spitzenpolitik.
    Georges Schneider / picturedesk.com

    Am Papier könne Nehammer sich aussuchen, wen er nachfolgen lassen wollen, denn er werde "wahrscheinlich nie wieder so mächtig" wie aktuell kurz vor dem ÖVP-Parteitag, so Filzmaier – denn parteiinterne Kritiker würden eine "Negativ-Spirale" auslösen, wenn sie den Kanzler nicht als Parteichef bestätigen würden. In der Praxis sehe es anders aus – es gebe den Eindruck, dass der Tiroler Parteitag stundenlang tage, um zu entscheiden, wen man sich als Minister wünsche, so der Experte. In der Theorie würden zwei Frauen nachfolgen, so Filzmaier, in der Praxis sei die Personaldecke aber bereits dünn.

    Dass es generell noch keine Nachfolger für die Ministerinnen gebe, sei für Filzmaier kurios: "Als Beobachter von außen lasse ich mich vielleicht überzeugen, dass der Zeitpunkt ungefähr geplant war, nicht weil er so ideal wäre, aber als Überrumpelungsaktion eine Regierungsumbildung nach dem Parteitag, das wäre wohl auch nicht gegangen. Und als Nehammer als Kanzler und als designierter Parteichef vor ein paar Monaten wurde, war er wohl selbst eher überrumpelt, als dass er groß hätte planen können. Nicht überzeugt bin ich, dass die Umsetzung im Detail geplant war", so Filzmaier.

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      Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger hat am Montag ihren Rücktritt aus der Regierung erklärt.
      Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger hat am Montag ihren Rücktritt aus der Regierung erklärt.
      GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com

      "Ein Argument" würde auch dafür sprechen, dass es zu einer größeren Regierungsumbildung komme, so Filzmaier in Hinsicht auf weitere Vertraute des Ex-Kanzlers Sebastian Kurz. Es seien nun "zwei Ministerinnen mit sehr schlechten Vertrauenswerten" gegangen, "und es hätten noch weitere MinisterInnen schlechte Vertrauenswerte, nur da würde Karl Nehammer einen mittleren Exodus auslösen aus dem ÖVP-Teil der Regierung, denn das würde mit sehr schlechten Vertrauenswerten auch Klaudia Tanner, Bildungsminister Polaschek, Medienministerin Raab und so weiter betreffen". 

      Umstellungen bei den Ministerien, etwa eine Ausdünnung von Köstingers "Lebensministerium" und eine Stärkung von Schramböcks Wirtschaftsministerium, würde laut dem Experten nun "inhaltlich Sinn machen", im Falle von Köstinger habe ihre Nähe zu Sebastian Kurz zu einer solchen Machtfülle geführt. Man brauche dazu aber die Zustimmung der Grünen und da gebe es einen Haken – in Sachen möglicher Auftrennung von Gesundheits- und Sozialministerium sagte Filzmaier: "Johannes Rauch ist eindeutig lieber Sozialminister als Gesundheitsminister und schon wieder ein neuer Gesundheitsminister, der vierte in der Pandemiezeit, wäre dann in der politischen Kommunikation wirklich schwierig zu argumentieren". 

      Das Ziel von Kanzler Karl Nehammer könne jedenfalls nun nur sein, "die ÖVP auf niedrigem Niveau zu konsolidieren und hoffen, dass bis zum plangemäßen Wahltermin 2024 irgendetwas Wunderbares, Positives passiert", so Filzmaier. Es würden aber davor vier Landtagswahlen folgen, was die Sache schwierig mache. Mehrheitlich werde die ÖVP dabei verlieren, teils sogar sehr deutlich, so der Experte: "Wie weit da Nehammer daran schuld ist, kann man trefflich streiten, aber er wird es argumentieren müssen." Der anstehende Parteitag sei auch eine "diskrete Absetzbewegung" von Sebastian Kurz, so Filzmaier, eine völlige Abkehr von Kurz wurde die Partei schließlich "intern verstören".

      Die Wechsel in der Regierung
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      APA-Grafik / picturedesk.com