Politik
Ex-Präsident rechnet jetzt mit Kanzler und SPÖ ab
Kurz vor seinem 85. Geburtstag lässt Ex-Bundespräsident Heinz Fischer im ORF aufhorchen. Und rechnet dabei auch überraschend mit der SPÖ ab.
Am Montag wird Ex-Bundespräsident Heinz Fischer seinen 85. Geburtstag feiern, am Samstag rechnete er politisch in der ORF-Sendung "Bei Budgen" ab. Er habe "mitgelebt, mitgelitten", aber er sei nicht froh gewesen, dass er in den turbulenten jüngsten Jahren nicht Bundespräsident gewesen sei, so Fischer zu den vielen Skandalen in der österreichischen Politik. "In den groben und wichtigen Entscheidungen" hätte er definitiv nicht anders gehandelt, als das jetzige Staatsoberhaupt, das habe er auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen mitgeteilt, so Fischer.
Einer der Skandale, der ihn besonders schmerze, sei die Kleingartencausa der SPÖ. "Ich war traurig", gestand Fischer, nicht, weil er ein "genaues Bild habe", wer schuldig sei und wer nicht, sondern weil die Causa ein politisches Bild abgebe, "aha, da gibt es doch Gleiche und noch Gleichere". Dass die SPÖ in der Sache keine Verstöße orte, wollte der Ex-Bundespräsident so nicht stehen lassen – die Staatsanwaltschaft sei bei Verdachtsmomenten zuständig und die SPÖ sei nicht die letzte Instanz, die rechtliche Beurteilungen vornehmen könne.
„"Dass das seine Emotionen sind, das ist schon ein bisschen enttäuschend"“
Auch wenn keine Gesetze verletzt worden seien, müsse man über diese Frage hinausgehen, denn es gebe Regeln, die man einhalten müsse, ungeachtet der Gesetze. "Das wird man wohl nicht leugnen können", sagte Fischer dazu, ob die nun SPÖ ein Glaubwürdigkeitsproblem bekommen könnte. Bekanntlich in den Fokus gerückt ist der Donaustädter Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy. Er hat 2020 einen Kleingarten in Wien-Donaustadt gekauft. Dieser wurde im darauffolgenden Jahr zu Baugrund umgewidmet, das Grundstück plötzlich doppelt so viel Wert. Auch andere SPÖler sollen zugeschlagen haben.
Enttäuscht zeigte sich Fischer aber auch von Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und seinem Wut-Video gegen Arbeitslose, Teilzeitarbeiter und arme Menschen – Stichworte "Burger für arme Kinder". Nehammer sei viel angegriffen worden und wollte sich wohl vor Funktionären abreagieren, so Fischer, dass er das aber indirekt an alleinerziehenden, berufstätigen Frauen mit Doppelbelastung oder Frauen, "die in einem Bezirk wohnen, wo es keine ausreichende Kinderbetreuung gibt" tue, "das sollte nicht sein". Dass Nehammer "ein bisschen gezeigt" habe, wie es in seinem Inneren ausschaue, werfe Fischer ihm nicht vor, "aber dass das seine Emotionen sind, das ist schon ein bisschen enttäuschend".
„"Dann wird man dem die Kanzlerschaft nicht nehmen können"“
Zurückhaltend zeigte sich Fischer dagegen dabei, den Erfolg der FPÖ in Umfragen analysieren zu sollen. "Für mich ist das noch nicht entschieden", so Fischer, er wolle nicht "Erklärer von erhofften Wahlresultaten der FPÖ" sein und es sei möglich, dass sich alles noch verändere. Auch eine wirkliche Antwort darauf, ob Fischer Kickl als Kanzler angelobt hätte, gab es nicht, denn das hänge "zum Beispiel von der Frage ab, wie die Mehrheitsverhältnisse im Nationalrat sind". Aber: "Wenn ein Kandidat ein Wahlresultat erzielt, dass a die stärkste Partei repräsentiert und b im Parlament eine breite Mehrheit sich organisiert hat durch eine Koalition, dann wird man dem die Kanzlerschaft nicht nehmen können."
Sein anstehender 85. Geburtstag sei übrigens "etwas, worüber man mehr nachdenkt als über den 77. oder den 63. Geburtstag". Er werde seinen Geburtstag mit der Familie, Kindern und Enkelkindern feiern, so Fischer.