Politik
Ex-Kanzler hat im ORF Lösung für Energiepreis-Explosion
Die Teuerung muss gebremst werden, warnt Ex-Kanzler Christian Kern in der ZIB2 und fordert die Regierung dabei zu schleunigstem Handeln auf.
Die Rallye auf dem Gas- und Strom-Markt ist kaum noch zu stoppen, Tag für Tag brausen Preise weiter davon. Die Regierung will zwar bremsen, muss scheinbar aber erst das richtige Pedal finden. "Hier geht es um ein Phänomen, das nicht nur unseren gesamten Wohlstand zerstört, sondern auch den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft gefährdet", warnt der frühere SPÖ-Bundeskanzler und nunmehrige Energieberater Christian Kern Freitagnacht im ORF.
Das Ergebnis sei eine davon galoppierende Inflation, verarmende Haushalte und ein "Kahlschlag unter den Unternehmen" des Landes. "Jetzt nicht zu handeln, ist eigentlich höchst fahrlässig. Wir stehen auf einer brennenden Plattform und jetzt muss man löschen und nicht darüber reden, wer welchen Platz am Sonnendeck bekommt", so der Sozialdemokrat im ZIB2-Interview mit ORF-Reporter Martin Thür:
Markteingriff
Aus seiner Sicht brauche es einen massiven Eingriff der Regierung in die Strompreis-Bildung. Der Staat solle Gas einkaufen und dann billiger zur Verfügung stellen, um das Merit-Order-Prinzip mit seinem Einheitspreisverfahren, nach welchem das teuerste Kraftwerk den Strompreis für den gesamten Markt bestimmt, auszuhebeln.
"Wenn man das tut, hat man nicht nur eine simplen Deckel, wo man nicht nur Verluste umverteilt, sondern das führt dazu, dass man letztendlich bei der Gaskrafterzeugung, die nur ein Sechstel unserer Stromerzeugung ausmacht, für jeden eingesetzten Euro sechs Euro Ersparnis rauskriegt. Das wäre eine sehr intelligente Regulierung."
Kritik, wonach das in Österreich als Insellösung wegen seiner Vernetzung mit den Nachbarstaaten nicht umsetzbar wäre, wischt Kern einfach vom Tisch. Das sei leicht machbar, indem man den Verkauf des dann günstigeren heimischen Stroms ins Ausland reguliere oder ganz einstelle. Die Argumente dagegen würden von jenen stammen, die in der aktuellen Lage von der Preisexplosion profitieren würden.
Wundversorgung
Ganz klar im Auge hat der Alt-Kanzler da auch den Verbund, der plötzlich 15 Milliarden Wertsteigerung gesehen hätte, aber wegen seiner Wasserkraftwerke eigentlich weiter günstig produziere und keine bzw. kaum gesteigerte Kosten sehe. Das sei nicht der Schläue der Manager zu verdanken, "das fällt ihnen einfach in den Schoß". Vor diesem Hintergrund sei auch die angekündigte Sonderdividende ein Hohn. "Wir kleben Pflaster auf offenen Rippenbruch", wettert Kern, der selbst früher beim Verbund tätig war.
Die angekündigte Strompreisbremse, an der die Regierung noch werkelt, könne das Problem vielleicht etwas kalmieren, doch bekrittelt der frühere ÖBB-Vorstand, dass die Ausarbeitung zu lange dauere. "In der Notsituation muss man rasch handeln."
Bürokratie
Um die Grundproblematik zu lösen, müsse man "dramatisch das Angebot erhöhen" und "Photovoltaik auf jedes Dach knallen" und die Windkraft und Erneuerbare massiv ausbauen. "Nur so gehen die Preise wieder runter". Doch hier würde die Bürokratie vielen Projekten im Weg stehen. "Die Verfahren sind unfassbar mühsam. Und wir haben noch immer nicht festgelegt, dass Investitionen in Erneuerbare im besten öffentlichen Interesse stehen".
Als Beispiel wieder der Verbund: "Die verdienen jetzt ohne Ende und wissen nicht wohin mit dem Geld. Die investieren in Erneuerbare Energie. Nur wo tun sie das? Nicht in Österreich sondern in Spanien und in Deutschland. Das liegt daran, dass wir die Genehmigungen nicht haben, das liegt daran, dass wir die Widmungen nicht haben und nicht entschlossen handeln. Und in der Krise, in der wir jetzt stehen, muss man da langsam die Geduld verlieren!"
Sanktionen
Für Gerhard Schröder und dessen Idee, die Pipeline-Totgeburt "Nord Stream 2" ans Netz anzuschließen und in Betrieb zu nehmen, hat Kern klare Worte: "Das ist eine völlig absurde Diskussion. Putin spielt mit uns. Der hat seien Freude damit, zu sehen, was er da auslösen kann in Europa."
Die Europäische Union, wir alle, müssten stattdessen "unsere Hausaufgaben machen", damit die Sanktionen nicht zum Bumerang werden und "nicht im eigenen Hinterhof Probleme produzieren".