Gesundheit

EU-Parlament will Abtreibung zum Grundrecht machen

Nachdem in den USA das Recht auf Abtreibung gekippt wurde, will das EU-Parlament dieses in die Grundrechtecharta der Europäischen Union aufnehmen.

Sabine Primes
Pro und Contra: Die Abtreibungsfrage spaltet die USA.
Pro und Contra: Die Abtreibungsfrage spaltet die USA.
REUTERS

Nachdem das oberste Gericht der USA das Recht auf Abtreibung gekippt hat, will das EU-Parlament das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche in die Charta der Grundrechte der Europäischen Union aufnehmen. Die Abgeordneten nahmen am Donnerstag in Straßburg eine entsprechende Resolution an, in der sie sich auch mit den Mädchen und Frauen in den USA solidarisierten. Das Europaparlament verurteile nachdrücklich den Rückschritt bei Frauenrechten, hieß es in der Erklärung.

Aufhebung Roe v. Wade

Hintergrund für den Schritt des Parlaments ist eine Entscheidung des US-amerikanischen Supreme Courts, der das bis dahin verhältnismäßig liberale Abtreibungsrecht des Landes Ende Juni gekippt hatte. Der mehrheitlich konservativ besetzte Gerichtshof ermöglichte damit strengere Abtreibungsgesetze bis hin zu Verboten. Jeder US-Bundesstaat kann darüber autonom entscheiden. Mehrere US-Bundesstaaten setzten nach der Entscheidung weitgehende Abtreibungsverbote in Kraft – in mehreren Bundesstaaten soll ein Recht auf Abtreibung aber bestehen bleiben.

Roe v. Wade (Roe versus Wade) war eine Grundsatzentscheidung zum Abtreibungsrecht, die der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten am 22. Januar 1973 fällte. Der Entscheidung zufolge verletzte ein Strafgesetz des US-Bundesstaats Texas zum Schwangerschaftsabbruch das verfassungsmäßige Recht einer Frau, über Abbruch oder Fortführung ihrer Schwangerschaft selbst zu entscheiden. Die Benennung des Falls ergibt sich aus dem anonymisierten Namen der klagenden Frau ("Jane Roe") und dem Namen eines texanischen Bezirksstaatsanwalts (Henry Wade), gegen den sich die Klage aus formalen Gründen richtete.

"Das war keine Mehrheitsentscheidung der amerikanischen Bürger, sondern die Entscheidung weniger, meist männlicher Politiker, die sich anmaßen, über den Körper von Frauen bestimmen zu wollen. Das sollte uns in Europa ein Warnsignal sein", warnte die SPÖ-Europaabgeordnete Evelyn Regner in einer Aussendung. "Denn auch wenn die Ablehnung von Abtreibungsverboten in Europa hoch ist, gibt es auch bei uns einen starken organisierten Aktivismus, der häufig aus den USA unterstützt wird. Darüber hinaus gibt es fast überall in der EU auch rechtliche und tatsächliche Beschränkungen für Schwangerschaftsabbrüche."

Teils strikte Abtreibungsgesetze in der EU

Die deutsche Grünen-Abgeordnete Terry Reintke sagte: "Ideologische Grabenkämpfe dürfen nicht länger auf dem Körper und der Gesundheit von Frauen ausgetragen werden." Viele Abgeordnete der Konservativen und Christdemokraten – darunter EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) – stimmten gegen die Resolution.

In der EU gelten zum Teil strikte Abtreibungsgesetze: In Malta sind Schwangerschaftsabbrüche verboten – bei illegalen Abtreibungen droht den Betroffenen eine Gefängnisstrafe. Polen hatte sein strenges Abtreibungsgesetz im Herbst 2020 weiter verschärft. Seitdem sind Abtreibungen nur nach Vergewaltigungen erlaubt oder wenn das Leben oder die Gesundheit der Mutter in Gefahr sind. Die Familie einer Anfang des Jahres gestorbenen Mutter hatte nach der Gesetzesänderung schwere Vorwürfe gegen behandelnde Ärzte erhoben. Demnach hätten diese wegen des strengen Abtreibungsgesetzes in Polen nicht gewagt, das Leben der Frau durch einen Schwangerschaftsabbruch zu retten.

Situation in Österreich

In Österreich "sind Abbrüche auch nur straffrei, und damit auch in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft nicht legal", erklärte Regner. "Die Debatte über die Selbstbestimmung der Frau in Europa wird also bleiben."

"Mit keiner einzigen Möglichkeit im Burgenland, Abtreibungen auf Wunsch durchführen zu lassen, und nur jeweils einem Gynäkologen in Vorarlberg und Tirol sind wir auch hierzulande im Jahr 2022 von einem niederschwelligen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen, wie wir Grüne ihn befürworten, noch weit entfernt", kritisiert Meri Disoski, stellvertretende Klubobfrau und Frauensprecherin der Grünen. "Abtreibungen werden hingegen immer mehr zu einer sozialen Frage, weil Frauen mit hohen Kosten und langen Anfahrten in andere Bundesländer konfrontiert sind." Mehr dazu: Firmen erstatten Frauen Reisekosten bei Abtreibungen