Geheimer Kriegsplan geleakt

"ERBÄRMLICH" – Trump-Minister verabscheut Europa

Die US-Regierung hat wohl aus Versehen einen Journalisten in geheime Kriegspläne eingeweiht. Dabei kamen auch pikante Details zu Europa ans Licht.
Newsdesk Heute
24.03.2025, 22:02

Es ist eine Mega-Panne, die sich das Weiße Haus geleistet hat. Hochrangige Mitglieder der Trump-Administration haben ihre Kriegspläne gegen die Huthi-Miliz im Jemen offenbar über den Messenger-Dienst Signal koordiniert – und dabei versehentlich einen Journalisten der Gruppe hinzugefügt.

Ausgerechnet der Chefredakteur des von Trump gehassten "The Atlantic", Jeffrey Goldberg, wurde am 11. März mutmaßlich unabsichtlich von einem Mike Waltz in die Signal-Gruppe "Houthi PC small group" eingeladen. In diesem inneren Kreis wollte Trumps Nationaler Sicherheitsberater eine US-Antwort auf die Angriffe der Miliz auf die Schiffsroute zum Suez-Kanal formulieren. Mit dabei: Vizepräsident JD Vance, Außenminister Marco Rubio, Verteidigungsminister Pete Hegseth und die Direktorin der nationalen Nachrichtendienste Tulsi Gabbard, um nur die bekanntesten Namen zu nennen.

Goldberg, der den Leak am Montag samt Screenshots öffentlich machte, war selbst völlig perplex darüber, hier inkludiert worden zu sein. Über die nächsten Tage wurde er Zeuge, wie streng geheime Informationen über einen Militärschlag auf fremdes Staatsgebiet offenbar über eine open-source App anstatt über die regierungseigenen Hochsicherheitskanäle ausgetauscht wurden.

"Es besteht ein echtes Risiko"

Lange dachte der US-Journalist, dass es sich um einen Fake oder gar eine Falle handeln müsse: "Ich habe nicht geglaubt, dass es echt sein könnte. Dann fielen die Bomben", schreibt Goldberg. Am 15. März starteten US-Militärs den Angriff genau zu der zuvor im Chat angekündigten Uhrzeit – und bestätigten so indirekt die Echtheit des Chats.

"Ich kam zu dem Schluss, dass die Signal-Chatgruppe mit ziemlicher Sicherheit real war. Nachdem ich zu dieser Erkenntnis gelangt war, die mir nur wenige Stunden zuvor fast unmöglich erschien, entfernte ich mich aus der Signal-Gruppe", schildert Goldberg weiter. Im Gegensatz zu den Amtsträgern achtete er peinlich darauf, mit seinem Bericht keine sensiblen Informationen weiterzugeben. Brisant sind diese aber allemal, denn sie enthüllen auch eine regelrechte Verachtung des Trump-Kabinetts gegenüber den europäischen Verbündeten.

So habe Trumps Vize JD Vance anfänglich Bedenken angemeldet, weil Europa von der Öffnung und Sicherung der Suez-Handelsroute rein nominell deutlich mehr profitieren würde, als die USA: "Es besteht ein echtes Risiko, dass die Öffentlichkeit nicht versteht, warum dies notwendig ist", schrieb er in die Gruppe, merkte an, dass Trump offenbar eine Botschaft senden wolle. Bemerkenswert ist der darauffolgende Satz: "Ich bin mir nicht sicher, ob sich der Präsident bewusst ist, wie sehr dies im Widerspruch zu seiner derzeitigen Botschaft über Europa steht." Er, JD Vance, wolle lieber noch einige Wochen zuwarten, würde sich aber der Mehrheitsmeinung anschließen.

"Europäische Schnorrerei"

Knapp eine halbe Stunde später antwortete Mike Waltz mit einer Abhandlung über den Welthandel: "Ob jetzt oder in einigen Wochen, es müssen die Vereinigten Staaten sein, die diese Schifffahrtsrouten wieder öffnen", meldet er. Gemeinsam mit dem Verteidigungs- und Außenministerium würde er daran arbeiten, die Kosten für den Militärschlag gegen die Huthi-Miliz "auf Europa abzuwälzen".

Vance reagierte wenig später mit deutlichen Worten an Verteidigungsminister Hegseth: "Wenn du meinst, wir sollten es tun, dann lass und loslegen. Ich hasse es einfach, Europa wieder aus der Patsche zu helfen." Dieser schien ebenso wenig erfreut darüber: "VP: Ich teile voll und ganz deine Abscheu für europäische Schnorrerei. Es ist ERBÄRMLICH. Aber Mike hat recht, wir sind die Einzigen auf dem Planeten, die das können. Niemand sonst auch nur annähernd."

US-Verteidigungsminister Pete Hegseth (r.) neben Donald Trump und Außenminister Marco Rubio (l.)
REUTERS

Ein User namens "S M", vermutlich Präsident Trumps stellvertretender Stabschef Stephen Miller beendete das Gespräch mit einer Ansage: "Wenn Europa keine Gegenleistung erbringt, was dann? Wenn die USA die Freiheit der Schifffahrt mit großem Aufwand erfolgreich wiederherstellen, muss im Gegenzug ein weiterer wirtschaftlicher Gewinn erzielt werden."

Goldberg konfrontierte im Nachgang die mutmaßlichen Teilnehmer aus der US-Administration mit dem offensichtlichen Leak durch das Hinzufügen seiner Person.

Echtheit bestätigt

Brian Hughes, der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, bestätigte auf "Atlantic"-Anfrage die Echtheit der Signal-Gruppe: "Dies scheint eine authentische Nachrichtenkette zu sein, und wir überprüfen, wie versehentlich eine unbefugte Nummer hinzugefügt werden konnte", schrieb Hughes. Der Erfolg der Mission sei ein Beweis, dass keine Gefahr für die Truppen oder die nationale Sicherheit durch diesen Leak bestanden hätte – so die kreative Auslegung der Ereignisse durch die Offiziellen.

Auf nationale Sicherheit spezialisierte Anwälte, die mit dem hypothetischen Szenario des tatsächlichen Vorfalls konfrontiert wurden, antworteten unisono, dass ein US-Beamter erst gar nicht Signal nutzen sollte. Für Besprechungen militärischer Einsätze gäbe es eigens dafür vorgesehen Hochsicherheitsräume, die auch bei den meisten Kabinettsmitgliedern zuhause installiert würden. In diesen SCIFs seien Handys strikt verboten.

Ein weiteres Detail am Rande: Mike Waltz hatte "verschwindende Nachrichten" in der Gruppe aktiviert. Die gesamte Kommunikation über Militäreinsätze müsste nach US-Gesetzgebung aber auch staatlich dokumentiert werden – es ist anzuzweifeln, dass dies von den Handelnden getan wurde.

{title && {title} } red, {title && {title} } Akt. 25.03.2025, 15:50, 24.03.2025, 22:02
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